Fast ein Jahrzehnt nach dem aufsehenerregenden Gewinn des „BBC Cardiff Singer of the World“-Wettbewerbs veröffentlichte die Sopranistin Valentina Nafornița Anfang dieses Jahres ihr Debütalbum „Romance“. klassik-begeistert.at hatte kurz vor dem vollen Ausbruch der Corona-Krise Gelegenheit über ihr Erstlingswerk und die damit einhergehende tiefe Verbundenheit zu ihrer Heimat Moldawien zu sprechen. Wie die Sängerin zu Mozart, Romantik oder Tonstudioaufnahmen steht, lesen Sie bitte in diesem Exklusiv-Interview von Antonia Tremmel-Scheinost.
klassik-begeistert.at: Frau Nafornița, wollten Sie schon immer Sängerin werden?
Valentina Nafornița: Ja, ich wollte schon immer Sängerin werden. Von frühster Kindheit an war ich von Musik umgeben. Ab dem Alter von fünf Jahren habe ich an Wettbewerben teilgenommen, mit sieben Jahren begann ich mit dem Geigenspiel. Wenn ich zurückdenke, ist nahezu mein ganzes bisheriges Leben von Musik durchzogen.
Hatten Sie auch andere Träume?
Valentina Nafornița: Ich habe immer davon geträumt die Person zu sein, die ich heute bin und dort zu sein, wo ich heute bin. Es ist wichtig für jeden Menschen seinen Träumen zu folgen. Es gibt für mich allerdings noch viele Ziele zu erreichen.
Wurden Sie zu einem Freigeist erzogen?
Valentina Nafornița: Meine Eltern haben mich gelehrt ein starkes und unabhängiges Mädchen zu sein. Das habe ich mir im Erwachsenenleben beibehalten. Sie haben mir stets großes Vertrauen entgegengebracht und unterstützten mich in allem, was ich tat. Das gibt mir auch noch heute viel Kraft und Mut.
Warum haben Sie Ihr Debütalbum „Romance“ genannt? Ein beträchtlicher Teil der aufgenommenen Werke dreht sich nicht gerade um Romanzen.
Valentina Nafornița: Ich habe „Romance“ als Titel des Albums gewählt, weil dieser meine künstlerische und persönliche Einstellung widerspiegelt. Das Album ist quasi eine Reflexion meiner Selbst, es beinhaltet Musik, die mir als Künstlerin wie Privatperson lieb und teuer ist. Mozart, sowie russisches Repertoire und der moldawische Komponist Eugen Doga, dessen Werke mir sehr am Herzen liegen, dürfen da nicht fehlen.
Ist das Album als eine Art Repertoireauszug Ihrer bisherigen Gesangskarriere zu verstehen?
Valentina Nafornița:Ich wollte verschiedene Stadien meiner sängerischen Entwicklung zeigen. Das Album könnte man also als einen Überblick meines bisherigen Repertoires sehen. „Romance“ beinhaltet Rollen, die ich in den letzten Jahren gesungen habe, sowie Werke, die ich momentan singe und solche, die ich – wie Rusalka – vielleicht in Zukunft singen werde.
Würden Sie sich selbst als romantisch-emotionalen Menschen betrachten?
Valentina Nafornița: Ich bin in der Tat ein romantischer und emotionaler Mensch. Ich bin davon überzeugt, dass mir diese Eigenschaft dabei hilft auf der Bühne zu stehen und so viele verschiedene Charaktere zu verkörpern. Als emotionaler Mensch kann man dem Publikum sehr nahekommen. Diese Fähigkeit ist für einen Künstler enorm wichtig.
Warum haben Sie ausgerechnet jene moldawischen Lieder ausgewählt, die auf „Romance“ zu finden sind? Warum sind sie Ihnen wichtig?
Valentina Nafornița: Die aufgenommenen Lieder bedeuten mir viel, denn sie spiegeln meine Kultur, meinen Hintergrund, meine Familie und meine geliebten Traditionen wider. Es wäre unmöglich gewesen, einige meiner moldawischen Lieblingslieder nicht auf meinem Debütalbum zu präsentieren. Das Stück, das mir am meisten am Herzen liegt, heißt „Ochiul tau iubit“. Ich habe es meinem kürzlich verstorbenen Vater gewidmet.
Das ist sehr berührend… Wie klingt Moldawien für Sie?
Valentina Nafornița: Ich würde es Ihnen gerne vorsingen. Es klingt wie ein schönes Volkslied. Wenn ich meine Augen schließe, höre ich Vögel singen, Menschen jubeln und lachen. Ziemlich optimistisch, nicht wahr?
Wohl wahr! Ihr Erfolg basiert hingegen zu einem Teil auf Rollen aus Mozart-Opern. Was bedeutet Ihnen Mozart?
Valentina Nafornița: Ich habe durchaus Werke zahlreicher anderer Komponisten aufgeführt. Es macht mir Spaß Donizetti, Puccini, Strauss oder Beethoven zu singen. Aber es ist wahr, Mozart schätze ich mitunter am meisten. Vor allem an der Wiener Staatsoper singe ich oft seine Rollen. Es ist interessant am Mozartschem Repertoire zu arbeiten – auch wenn es derselbe Komponist ist, sind die Rollen nie gleich. Pamina, Susanna und Fiordiligi sind beispielsweise so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Was mir an Mozarts Opernmusik gefällt, ist die Vielfalt und Dynamik, die einen immer wieder dazu bringt sie zu erforschen und weiter zu bearbeiten.
Ist Mozart wirklich Medizin für Ihre Stimme, wie einst verlautbart? Ihr ausgeprägtes Vibrato ist ziemlich unmozartisch…
Valentina Nafornița:Absolut! Ich liebe es Mozart zu singen. Seine Musik spendet Trost, sie berührt das tiefste Innere. Mühelos zu singen ist er trotzdem nicht. Wir sollten uns von der scheinbar musikalischen Einfachheit nicht täuschen lassen. In jedem Falle bin ich sehr glücklich und dankbar, dass mich so viele wichtige Opernhäuser einladen Mozart zu singen.
Rusalkas „Lied an den Mond“ spielt eine ähnlich wichtige Rolle in Ihrem künstlerischen Leben.
Valentina Nafornița: Rusalkas „Lied an den Mond“ ist nicht nur die erste Arie, die ich als Studentin in Bukarest mit einem Orchester aufgeführt habe, ich habe sie auch bei dem „BBC Cardiff Singer of the World“-Wettbewerb gesungen. Ich liebe Dvořák. Einst habe ich seine Musik in Prag gesungen und war tief berührt von der Reaktion des Publikums. Für die Tschechen ist Dvořák gleich einer Hymne… Eines Tages würde ich Rusalka sehr gerne auf der Opernbühne singen.
Wie war es zum ersten Mal in einem Tonstudio zu singen?
Valentina Nafornița: In einem Tonstudio zu singen, war natürlich ganz anders als alles künstlerisch bisher Erlebte. Selbst in einem großen Studio ist alles so intim und still. Anfangs wollte ich deswegen weder zu laut singen, noch zu viel geben. Ich brauchte einige Zeit, um mich umzugewöhnen, aber am Ende war es eine wunderbare Erfahrung, die ich nicht missen will. Ich habe viel gelernt!
Was macht das Münchner Rundfunkorchester unter Keri-Lynn Wilson so besonders?
Valentina Nafornița: Das Münchner Rundfunkorchester und Keri-Lynn Wilson kennen sich bereits von früheren Studioaufnahmen, was sehr hilfreich war. Darüber hinaus war Keri-Lynn immer sehr unterstützend. Ich habe mich durchwegs wohlgefühlt, es war wirklich angenehm mit ihr zu arbeiten. Das Gleiche gilt für das Münchner Rundfunkorchester. Ich liebte das Zusammenspiel mit ihnen! Sie haben mir immens geholfen den Vorgang der Musikaufnahme zu verstehen. Es ist wirklich völlig anders als das Singen auf der Bühne. Der ganze Aufnahmeprozess war daher eine absolut schöne Erfahrung für mich. Das Wichtigste war jedoch, dass alle an diesem Projekt beteiligten Akteure gemeinsam großartige Musik geschaffen haben. Ich bin ihnen so dankbar dafür.
Sie sind der Wiener Staatsoper seit vielen Jahren verbunden. Was kommt als nächstes? Wie sehen Sie angesichts des Führungswechsels Ihre Zukunft an diesem Haus?
Valentina Nafornița: Die Wiener Staatsoper war neun Jahre lang meine Heimat und sie wird für immer in meinem Herzen bleiben. Ich bin mir sicher, dass ich auch unter der neuen Leitung für einige Rollen an das Haus zurückkehren werde. Ich freue mich auf alles, was noch kommt. Es gibt noch so viele wunderbare Opernhäuser und großartige Rollen zu erobern. Wie mein baldiges Rollendebüt an der Wiener Staatsoper als Irina zum Beispiel!
Anmerkung der Redaktion:
Das besagte Rollendebüt als Irina an der Wiener Staatsoper wurde im Endeffekt als Livestream übertragen. Die Aufführung ist wie alle Vorstellungen der kommenden Wochen der Corona-Krise zum Opfer gefallen. Wir hoffen, dass Valentina Nafornița sowie alle anderen Künstler unbeschadet bleiben und bald wieder die Bühnen dieser Welt bespielen können.
Wir wünschen unseren Lesern sowie allen Mitmenschen in diesen schweren Zeiten viel Kraft und Gesundheit.
Antonia Tremmel-Scheinost, 1. April 2020, für
klassik-begeistert.at und klassik-begeistert.de