Die rumänische Flötistin Ana Oltean hat im Sommer 2020 die Bachschen Triosonaten eingespielt – gemeinsam mit ihrem Partner Kaspar Zehnder und Vital Julian Frey. Die CD, die anfangs des Jahres bei ARS-Produktion erschienen ist, trägt den Titel „Königsdisziplin der Barockmusik“. Weshalb und was sie mit einem großen Lottogewinn machen würde, das erzählt Ana Oltean im Interview mit Klassik-begeistert.
Photography: Mark Baumgartner
von Jürgen Pathy
Klassik-begeistert: Grüß Gott, Frau Oltean. Wieso ist die Triosonate „die Königsdisziplin der Barockmusik“, wie es im Booklet ihrer neuen Bach-CD steht?
Ana Oltean: In Italien durch Corelli und in Deutschland durch Buxtehude kam diese Form zur Blüte, Bach hat sie – wie so vieles – in die höchste Vollkommenheit gehoben. Ein königlicher Aspekt ist zudem, dass Friedrich der Große die Triosonate ebenfalls gepflegt hat, als Komponist und als Interpret.
Welche der Trio-Sonaten ist Ihre liebste – und weshalb?
Meine Vorliebe auf dieser Bach-CD gilt der d-Moll-Triosonate BWV 1036, obwohl sie wohl gar nicht von Bach selbst stammt, sondern von einem seiner Söhne, Carl Philipp oder Wilhelm Friedemann. Sie ist wild, überraschend und gehört mehr dem Sturm und Drang an als dem Barock. Sie ist formal die modernste von allen.
Die CD wurde im Schloss Burgistein (Kanton Bern) aufgenommen. Was hat es mit diesem Ort auf sich?
Das Schloss liegt magisch am Übergang von voralpinem Wald- und Weideland und schroffem Gebirge. Es ist ein Kraftort. Im Rittersaal, dessen Fenster auf drei Seiten hinaus gehen, fühlt man sich dem Himmel etwas näher. Es ist ein wunderschöner Renaissance-Saal, der zu Bachs Zeiten bereits existierte. Die Barockmusik ist wie dafür geschaffen.
Wie sollte Bach generell klingen, damit die Interpretation Ihnen gefällt? Und wie sollte er auf keinen Fall klingen?
Die Interpreten müssen der Musik dienen und nicht sich selbst ins Zentrum stellen. Genauso wie Bach nicht sich selbst in Szene setzt, sondern unter seine Werke «Soli Deo Gloria» (Gott allein die Ehre) schreibt. Aufführungspraktische Kenntnisse kommen selbstverständlich dazu. Auf keinen Fall sollte Bach wie Brahms klingen.
Bei der Aufnahme der Triosonaten haben Sie eine Holzflöte gespielt. Was ist der Unterschied zwischen einer Holzflöte und einer Metallflöte?
Der Klang der Holzflöte ist weicher und feiner und kontrastiert besser zum metallenen Anschlag des Cembalos.
Zumindest die Triosonate BWV 1036 ist im Original für Violine und Cembalo. Es gibt auch Versionen für 2 Violinen und Continuo. Warum haben Sie das Werk dennoch auf der Flöte eingespielt?
Original für unsere Besetzung existiert nur die G-Dur Sonate BWV 1039. Wenn es nicht schon eine Bach-CD mit diesem Namen gäbe, hätten wir unser Album auch „Bach Speculations“ nennen können – im Untertitel dann „ein Original, zwei Bearbeitungen, zwei Zuschreibungen“.
Aber selbst die G-Dur Sonate geht vermutlich auf eine ursprüngliche Fassung für zwei Violinen und Continuo zurück. Bach hat sie im Übrigen auch für Viola und obligates Cembalo gesetzt. Wir haben mit den Besetzungen weiter spekuliert, damit gespielt. Solche Spielereien waren in der barocken Gebrauchsmusik durchaus üblich. Was bleibt, ist das „Trio“ an sich.
Wieso haben Sie bei der Wahl, welches Musikinstrument Sie erlernen wollen, sich für die Flöte entschieden? Worin liegt der Reiz, das Besondere, dieses Instrument zu spielen?
Dass ich mit Flöte anfing, war eigentlich Zufall. Für mich war mein erster Lehrer Vasile Gocan aber dann ausschlaggebend. Er hat in mir die Liebe für dieses Instrument geweckt. Reizvoll am Flötenspiel ist der Umgang mit dem Atem. Wie im Gesang beseelt er die Musik direkt.
Die Flöte wird als Soloinstrument im Konzertbetrieb doch ein wenig stiefmütterlich behandelt. Können Sie den Lesern einige Tipps geben, welche Werke man unbedingt kennen sollte?
Laut gedacht und ganz spontan, aber absolut unvollständig:
Flötenwerke von Händel, Telemann, Bach und Quantz.
Alles was ich kenne von Michel Blavet. Seine Musik ist ein leuchtendes Beispiel französischen Barocks.
Wilhelm Friedemann Bach: Duos für 2 Flöten
W.A. Mozart: Konzert für Flöte und Harfe C-Dur KV 299
Carl Reinecke: Flötenkonzert, Ballade und Undine-Sonate
Melanie Bonis: Sonate
Claude Debussy: Sonate für Flöte, Viola und Harfe
Charles Koechlin: Les Chants de Nectaire (96 Stücke für Flöte allein)
Günter Raphael: Kammermusik mit Flöte
Carl Nielsen: Flötenkonzert
Joseph Lauber: Flötenkonzert, Solostücke, Kammermusik
Isang Yun: Solowerke und Kammermusik
Sie haben ein Buch veröffentlicht: „Die Rolle des Körpers im Instrumentalspiel“. Worauf sollte man unbedingt achten, wenn man Flöte spielt?
Die Kenntnis über den Atemvorgang und Luftstrom ist die Basis für jede Tongebung. Der Ton entsteht wie beim Gesang in der Körpermitte, der bewusste Umgang mit dem Körper ergibt die richtige Haltung für ein selbstverständliches Instrumentalspiel.
Lassen Sie uns kurz Corona ansprechen. Wie sehen Sie die aktuelle Situation? Hat sie nur Nachteile oder kann man ihr vielleicht etwas Positives abgewinnen?
Gewiss hat sie auch Vorteile: Wir merken gerade, was uns kulturelle Begegnungen und öffentliche Konzerte bedeuten. Wir sehnen uns danach, als Interpreten ebenso wie als Publikum. Dabei haben wir gelernt, dass uns eine kleine, intime Veranstaltung ebenso berühren kann wie ein großes Galakonzert.
Angenommen es erscheint eine gute Fee. Diese erfüllt Ihnen drei Wünsche. Welche wären das?
- Ich bin erfolgreiche Politikerin und habe es geschafft, die Wichtigkeit der Kultur im Bewusstsein der Gesellschaft zu verankern.
- Ich mache den großen Lottogewinn und setze ihn für ein Begegnungszentrum der Künste und Kulturen ein.
- Bei alledem verliere ich Kopf und Herz nicht.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 17. Februar 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at