Marimba, Vibraphon und jegliches Schlagwerk. Das sind die Werkzeuge, die es dem aufstrebenden Perkussionisten Fabian Ziegler angetan haben. Nach zahlreichen Preisen und Auszeichnungen hat sich der junge Schweizer bereits jetzt einen Namen gemacht. Sein Repertoire reicht von Bach über Cage bis Xenakis und darüber hinaus. Im Interview mit Klassik begeistert erzählt Fabian Ziegler nicht nur, was es braucht, damit Perkussionisten einen ähnlichen Stellenwert erreichen wie andere Solisten, sondern auch, was er von Martin Grubinger gelernt hat.
Interview: Jürgen Pathy
Grüß Gott Herr Ziegler. Was ist der große Unterschied zwischen einem Schlagzeuger einer Rock– oder Jazzband und dem Metier, in dem sie als Perkussionist unterwegs sind?
Ich denke der größte Unterschied ist, wie wir arbeiten. Als klassischer Perkussionist stehe ich viel vor einem Notenblatt und lerne die Töne auswendig, die ein Komponist für uns schreibt. Bei einem Drummer ist es mehr so, dass er die Strukturen des Songs vom Songwriter erhält, den Inhalt bestimmt er selbst. Das ist ein extremer Unterschied in der Arbeitsweise. Beides interessiert mich sehr und befruchtet sich gegenseitig. Natürlich ist auch der Musikstil unterschiedlich. Was nicht heißen soll, dass ich nur Klassik spiele. Im Gegenteil. Ich bin sehr daran interessiert, diese verschiedenen Metiers miteinander in Verbindung zu bringen und bin auch der Meinung, dass ein solche Verbindung zukünftig noch viel häufiger entstehen wird.
Inwiefern kann man die Stick-Technik mit Mallets vergleichen? Wie viele verschiedene Stöcke/Sticks verwenden Sie als Schlagwerker bei einem Setup, um jede Trommel oder Perkussion optimal spielen zu können?
Die Stick-Techniken sind genau gleich. Sobald man vier Schlägel in der Hand hat, ändert sich das natürlich. Doch das Grundprinzip ist das Gleiche, egal ob Klassik-Schlagzeuger oder Rock-Drummer. Der Anzahl verschiedener Schlägel ist hier eigentlich keine Grenze gesetzt. Je nach Stück kann es da schon mal richtig voll werden auf meiner Schlägelablage.
Warum haben Sie sich fürs Schlagwerk entschieden anstatt des Schlagzeugs?
Das Drumset fasziniert mich zwar sehr, aber ich habe mich in erster Linie in jungen Jahren in die Marimba verliebt. Das war eigentlich der Dosenöffner für meinen Weg ans klassische Schlagzeug. Und seit jeher genieße ich einfach auch die Vielfalt der Instrumente, welche ich bedienen darf.
Wir Menschen denken gerne in Schubladen. Wo würden Sie die Musik, die Sie machen, generell einordnen?
Gerade für die Musik auf meinem Album ist es schwierig, eine Schublade zu finden. Denn da wäre der halbe Schrank offen. Es gibt so viele verschiedene Arten von Musik auf Gods, Rhythms, Human. Da haben wir zum einen den puren Minimalismus mit Steve Reichs „Quartet“ für 2 Klaviere und 2 Vibraphone. Zum anderen elektronische Musik, die angelehnt ist an traditionelle Rhythmen aus Griechenland, wie mit Atalanta von John Psathas oder auch die Free Jazz Nummer mit Interzones von Bruce Hamilton. Und wir haben die archaische Musik von Xenakis.
Sie sehen, da gehen viele Schubladen auf und genau diese Kunst haben wir mit dem Schlagzeug, dass wir dem Publikum so viele verschiedene Aspekte und Musikstile präsentieren können. Bei einem klassischen Schlagzeuger lohnt es sich also, sich von der Schubladen-Idee zu lösen.
Sie spielen Marimba, Vibraphon und alle möglichen Schlagwerke. Haben Sie ein Lieblingsinstrument? Wenn ja, weshalb ist es dieses Instrument?
Wie gesagt, habe ich mich schon früh in die Marimba verliebt. Es ist der tiefe Bassklang, welcher mich einfach immer wieder so fasziniert. Zusätzlich lässt es sich extrem gut mit den verschiedensten Instrumenten kombinieren und man kann sich immer wieder auf die Suche nach interessanten Symbiosen machen.
Eine Frage zur Ausbildung: Mit welcher Trommel beginnt man? Wann, also nach welcher Zeit, steigt man in der Regel auf die vier Mallets um?
Ich denke, meistens beginnt man mit der kleinen Trommel oder auch dem Drumset. Die Schlägeltechnik ist sozusagen der Grundstein für viele verschiedene Dinge, die danach folgen. Der Umstieg auf vier Schlägel ist natürlich sehr individuell – bei mir war er nach circa 2 bis 3 Jahren im Schlagzeugunterricht.
Wie war die Ausbildung bei Martin Grubinger?
Es war ein sehr intensiver und interessanter Abschnitt meiner Ausbildung. Es war natürlich extrem spannend von einem der größten Schlagzeug-Solisten unserer Zeit lernen zu können. Denn er war natürlich intensiv im Konzertbetrieb tätig und konnte so auch die Erfahrungen aus dem alltäglichen Leben als Solist mit uns teilen.
In meiner Ausbildung an der Zürcher Hochschule der Künste war aber das spannendste der Mix zwischen allen meinen Professoren. So konnte man bei allen so viele Informationen wie möglich abholen und sich die Dinge herauspicken, die zu einem passen und zu welchen man stehen kann.
Auf der neuen CD „GODS, RHYTHMS, HUMAN“ sind hauptsächlich Solo-Werke, aber auch ein Duett mit Klavier, und ein Quartett für zwei Vibraphone und zwei Klaviere. Was macht den Reiz aus, auch im Ensemble zu spielen?
Musik ist etwas Wunderschönes. Doch noch viel schöner ist es doch auch, wenn man sie mit jemandem teilen kann. Das muss nicht nur das Publikum, sondern auch ein Mitmusiker sein. Beim Spielen von Kammermusik entstehen so spezielle Momente auf der Bühne oder auch im Studio, welche man alleine manchmal gar nicht erleben kann. Vor allem ist es aber auch eines, was mich so extrem begeistert: die Abwechslung zwischen Solo, Kammermusik, wie auch Konzerten mit Orchester.
Noch hat sich das Schlagzeug als Solo-Instrument nicht etabliert – zumindest nicht in der sogenannten E-Musik. Was fehlt noch, damit es einen ähnlichen Stellenwert erreichen kann wie andere Instrumente?
Ich glaube, wir müssen dem Publikum zeigen, dass das Schlagzeug nicht nur eine reine Show oder schnell und laut sein kann. Wir können genauso musizieren, wie das andere Instrumentalisten können. Natürlich haben wir das traditionelle Repertoire nicht, welches andere Instrumente von den großen Meistern erhalten haben. Aber genauso bin ich daran interessiert, neues Repertoire mit unglaublich tollen Komponisten zu erarbeiten. Ein weiterer Weg dazu, ist auch das Spielen von Transkriptionen, für welche wir uns zum Beispiel in unserem Trio Colores spezialisiert haben. Es braucht auch einfach die Offenheit der Leute – eben keine Schubladen und auch noch etwas Zeit.
Was würden Sie Personen empfehlen, die noch nie in einem Perkussion-Konzert waren? Welche Werke sollte man kennen?
Das ist natürlich jetzt schwierig so zu sagen. Auf jeden Fall empfehle ich den Leuten neugierig zu sein. Komponisten wie Xenakis oder auch Reich sind natürlich absolute Klassiker. Es werden tolle neue Werke entstehen in den nächsten Jahren von bekannten Komponisten wie Arash Safaian oder auch Avner Dorman. Das sollte man auf jeden Fall nicht verpassen und meine Projekte verfolgen.
Lassen Sie uns kurz Corona ansprechen. Wie sehen Sie die aktuelle Situation? Hat sie nur Nachteile oder kann man ihr vielleicht etwas Positives abgewinnen?
Die aktuelle Situation ist auf jeden Fall schwer für alle Künstler und Kulturinstitutionen. Es bleibt uns aber nichts anderes übrig, als einfach weiter an uns zu arbeiten und nie den Spaß und die Liebe an unserer Arbeit zu verlieren. Gerade für junge Künstler ist diese Situation nicht einfach. Denn wer gerade am Aufbau seiner Karriere ist, so wie ich, der wurde sehr plötzlich gestoppt. Im Augenblick ist es schwierig, vorwärtszukommen. Es braucht momentan extrem viel Geduld.
Es gab auf jeden Fall auch Positives. Ich persönlich habe meine Planung beim Üben massiv überdacht und habe viel mehr Effizienz in meinem Schaffen gefunden. Das war auf jeden Fall eine große Hilfe.
Eine letzte Frage: Angenommen, es erscheint eine gute Fee. Diese erfüllt Ihnen drei Wünsche. Welche wären das?
Ich möchte wieder zurück auf die Bühne, um die wunderbare Musik mit den Mitmusikern und mit dem Publikum zu teilen. Dazu hoffe ich auch, dass ich meinen Job so lange wie möglich machen darf. Denn ich liebe es, auf der Bühne zu stehen. Letzten Endes möchte ich mit meinem Beruf auch die Welt bereisen können und interessante Länder, Kulturen und Künstler dabei kennenlernen.
Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 11. Mai 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at