Daniel Karasek © Olaf Struck
Nach einem tränenreichen Abschied von Benjamin Reiners steht Nachfolger Gabriel Feltz in den Startlöchern. Bevor der neue Generalmusikdirektor der Landeshauptstadt Kiel zu Wort kommt, blickt der Generalintendant des Theaters Kiel, Daniel Karasek, im ersten Teil unsers Interviews auf das Wirken von Benjamin Reiners zurück und wir lassen uns erklären, wie man einen richtig guten neuen Chef findet.
Jörn Schmidt im Gespräch mit Daniel Karasek und Gabriel Feltz
Wie lief der GMD Beauty Contest in Kiel?
klassik-begeistert: Verwaltungsrat, Philharmonisches Orchester, Künstler des Theaters, Kieler Selbstverwaltung, Ratsversammlung – alle hatten ein Wörtchen mitzureden, ehe der Vertrag mit Gabriel Feltz unterzeichnet werden konnte. Voraus ging ein orchestraler Beauty Contest, die Kandidaten haben Opernproduktionen und Konzerte dirigiert. Das klingt recht umständlich, geht das nicht einfacher?
Daniel Karasek: Nein, das geht nicht einfacher. Es muss ein ausgewogener Wettbewerb sein und bei einem Generalmusikdirektor ist es sehr wichtig zu sehen, wie er mit dem Orchester arbeitet und wie er im Orchestergraben mit dem Ensemble arbeitet und wie er mit dem Opernbetrieb klarkommt. Das sind sehr wichtige Faktoren, die man nicht in einem Kurzverfahren abhandeln kann.
klassik-begeistert: Dieser Beauty Contest wurde erforderlich, weil Benjamin Reiners, der 2019 installiert wurde, seinen Vertrag nicht verlängert hat. Wie lässt sich die Amtszeit von Herrn Reiners prägnant beschreiben, welche Milestones wurden erreicht?
Daniel Karasek: Es war innovativ und lebendig. Leider war die Coronazeit keine gute Zeit, um sich künstlerisch entwickeln zu können. Aber in dieser Zeit war er ein sehr wertvoller, umsichtiger Krisenpartner. Highlights waren bestimmt die Sommeroper „Aida“ (2019), unsere spezielle Kieler Fassung der „Zauberflöte“ (21/22) und unsere große Opern-Uraufführung „Buddenbrooks“ (23/24).
klassik-begeistert: Ich war ein wenig überrascht, dass Herr Reiners in seiner letzten Kieler Saison die Falstaff-Premiere nicht geleitet hat. Darauf hatte ich Sie bereits im Foyer der Oper angesprochen, ich erinnere, er hatte sehr gute Gründe. Es ging um Work-Life-Balance, eine Diskussion, die der Schweizer Dirigent Lorenzo Viotti unlängst angestoßen hat?
Daniel Karasek: Die Endprobenzeit und die Premiere lagen kurz nach der Geburt seiner Tochter und wir fanden es als Haus selbstverständlich, dass er sich in dieser Zeit mehr um das Kind kümmern wollte und haben einen Gastdirigenten verpflichtet.
klassik-begeistert: Nach Kiel sind Sie sozusagen dank Richard Strauss gekommen, mit einem Till Eulenspiegel-Dirigat. Allerdings erst im zweiten Anlauf?
Gabriel Feltz: Als Probedirigat war „Till Eulenspiegel“ nur ein Teil des Konzertes, was ich zu absolvieren hatte. Natürlich hat „Till Eulenspiegel“, was erwiesenermaßen für den Dirigenten und für das Orchester immer eine Herausforderung ist, eine große Rolle dabei gespielt. Die lustige Anekdote in meiner Beziehung zum Philharmonischen Orchester und damit zu Kiel ist, dass ich 2002 schon einmal in einem Probedirigat genau das gleiche Stück „Till Eulenspiegel“ von Richard Strauss dirigiert hatte.
klassik-begeistert: Warum hat es nicht bereits 2002 gefunkt?
Gabriel Feltz: Ach, wissen Sie, das lässt sich nach so langer Zeit nicht mehr genau nachvollziehen. Vielleicht hielt man mich für zu jung; immerhin hatte ich gerade erst meine erste Chefstelle in Altenburg Gera angetreten. Vielleicht gab es auch andere Gründe. Nach Altenburg Gera habe ich viele schöne Momente in meinem Berufsleben erlebt. Ich habe lange Zeit die Stuttgarter und Dortmunder Philharmoniker geleitet. Die Belgrader Philharmoniker leite ich immer noch, und ich war Erster Gastdirigent am Theater Basel und konnte weltweit gastieren. An Arbeit und Angeboten hat es mir nie gemangelt. Ich sehe das ganz entspannt.
klassik-begeistert: War die Entscheidung für Gabriel Feltz auch eine Entscheidung für mehr romantisches und spätromantisches Repertoire auf dem Spielplan?
Daniel Karasek: Gute Frage, warum nicht? Dieser Bereich ist in der Zeit von Benjamin Reiners nicht so stark fokussiert worden, daher ist es jetzt wieder an der Zeit sich darauf zu konzentrieren.
klassik-begeistert: Bitte korrigieren Sie mich sofort, wenn ich schlecht recherchiert haben sollte… Anders als Stefan Vladar mit seinem Philharmonischen Orchester Lübeck ist das Philharmonische Orchester Kiel nicht beim diesjährigen Schleswig-Holstein Musik Festival vertreten. Es scheint auch keine Festival-Tradition zu geben. Wie kommt das, bestehen diesbezüglich vielleicht Ambitionen?
Daniel Karasek: Ich bin seit 20 Jahren Intendant und wir haben in dieser Zeit sehr gut mit dem SHMF zusammengearbeitet, aber eine Kooperation mit unserem Philharmonischen Orchester war bislang noch nie ein Thema.
klassik-begeistert: Hatten Sie bereits Gelegenheit, Kiel zu erkunden, gibt es einen Lieblingsplatz?
Gabriel Feltz: Ja, ich habe schon mehrere Lieblingsplätze. Der Orchestervorstand hat mich im November 2023 in das Restaurant „Der Alte Mann“ direkt am Kai eingeladen. Das hat mir sofort sehr gefallen. Auch die Gegend rund um den Kai gefällt mir sehr gut, besonders wenn man stadtauswärts joggt, was ich bereits getan habe. Natürlich zählt auch die Innenstadt dazu. Ich habe schon ein Lieblingscafé gefunden, und die Verbindung zwischen Opernhaus und Rathaus finde ich ebenfalls sehr ansprechend.
klassik-begeistert: Herzlichen Dank für das Gespräch!
Jörn Schmidt, 22. Juli 2024, für klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Teil 2/3 unseres Interviews mit Daniel Karasek und Gabriel Feltz lesen Sie Morgen, 23. Juli 2024, hier auf klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at.
Interview: Jörn Schmidt im Gespräch mit Claude Frochaux Vorschau Kammermusikfest, 12. Juli 2024