Jan Vogler über Bach-Pairing, Rampensäue und „Der Herr der Ringe“

Interview: Jan Vogler, Cellist – Teil 1  klassik-begeistert.de, 16. Februar 2025

Jan Vogler 2023 © Marco Grob

Jan Vogler gibt am 8. März 2025 in der Elbphilharmonie alle sechs Solosuiten für Violoncello von Johann Sebastian Bach. Seine Interpretationen dieses komplexen Zyklus sind legendär. Zunächst aber sprechen wir über Hollywood. Geht es da wirklich oberflächlich zu? Taugt sein Cello gar zum Hollywood-Star? 

Jörn Schmidt im Gespräch mit Jan Vogler – Teil 1

klassik-begeistert: Hollywood is the most superficial thing you could possibly be a part of and if I weren’t attractive I wouldn’t be working at all, hat sich die US-amerikanische Schauspielerin Megan Denise Fox mal zitieren lassen.  Stimmt das?

Jan Vogler: Schauspieler sind uns Musikern im Herzen sehr ähnlich. Wir sind für das Publikum da, und wir können nicht ohne unser Publikum. Außerdem streben wir danach, ein Werk so perfekt wie möglich zu vermitteln. Bill Murray bringt das gerne mit einem deutschen Wort auf dem Punkt. Wir sind Rampensäue, pflegt er zu sagen. Und Rampensäue sind alles andere als oberflächlich.

klassik-begeistert: Ist Ihre Freundschaft zu Hollywood-Star Bill Murray der einzige Berührungspunkt zur amerikanischen Filmindustrie?

Jan Vogler: Über Bill Murray habe ich Jim Jarmusch kennengelernt, und Wes Anderson. Beide wunderbare Menschen, ebenfalls mit viel Tiefgang und immer auf der Suche nach künstlerischer Wahrheit.

klassik-begeistert: Müssen Solisten wie Sie ein Stück weit Schauspieler sein, ein Hollywood-Star? Weil Sie im Konzert immer auch eine Geschichte erzählen?

Jan Vogler: Ja, ich erzähle eine Geschichte. Nein, zum Schauspieler werde ich dadurch nicht. Eher zu einer Art Medium. Denn die Musik von Bach, eine Cello-Suite zum Beispiel, die spricht für sich. Meine Aufgabe ist nicht, Bach wie ein Schauspieler präsentieren. Ich muss Bach dem Publikum vermitteln. Das ist ein großer Unterschied.

klassik-begeistert: Mit Ihrer CD NEW WORLDS – Bill Murray, Jan Vogler & Friends haben Sie Musik-Pairing auf eine neue Ebene gehoben. Sie haben Texte von Hemingway, Miller, Whitman, Twain und anderen amerikanischen Literaturgrößen auf Musik von Bernstein, Gershwin, Bach, Beethoven und Schostakowitsch treffen lassen. Wie kam es zu diesem Projekt?

Jan Vogler: Bill Murray würde Ihnen das so erklären, dass eine Männerfreundschaft es irgendwann erfordert, etwas von Bedeutung zusammen zu tun. Etwa gemeinsam einen Berg besteigen.  Oder zusammen an etwas zu arbeiten, das bleibt. Die Idee entstand dann eher zufällig, anlässlich des jährlichen Poetry Walk Across the Brooklyn Bridge.

klassik-begeistert: Eine wunderbare Idee ist das. Aber wenn man so will, dient die Musik auf dem Album zuweilen der Untermalung der Texte. Da hört der Spaß auf, hätte ich Ihnen anlässlich der Aufnahme zugerufen – Finger weg von meinem Bach!  Wie rücken Sie mir den Kopf gerade?

Jan Vogler: Mit unserem Wort-Musik-Mix verhält es sich wie mit dem Regietheater. Manche mögen das, weil es ihnen neue Horizonte eröffnet. Die Begegnung zwischen Sprachrhythmus und dem Rhythmus der Musik, das kann sehr inspirierend sein. Andere, so wie Sie, mögen es nicht.

klassik-begeistert: Wie stehen Sie zum Regietheater?

Jan Vogler: Die goldene Zeit des Regietheaters scheint mir vorbei. Die Werke von Harry Kupfer hatten eine hohe Qualität. Ich habe seine Inszenierungen als Junge regelrecht in mich aufgesogen. Heute sehe ich das ein wenig anders. Es ist die Musik, die Richard Wagner unsterblich macht. Nebenher gibt es viele weitere gute Gründe, sich Wagner von der Musik her zu nähern. Und nicht über die Handlung. Möglicherweise zeichnet sich ein solcher Trend gerade an den Opernhäusern ab.

klassik-begeistert: Konkret, kann Regietheater die Musik zerstören?

Jan Vogler: In extremen Fällen stimme ich Ihnen zu. Regietheater sollte nicht so dominant sein, dass die Musik in den Hintergrund tritt.

klassik-begeistert: Auf dem Album paaren Sie Bachs Cello Suite in G-Dur mit Auszügen aus den Werken „Song Of Myself“ und „Song Of The Open Road“ des amerikanischen Literaten Walt Whitman. Warum?

Jan Vogler 2023 © Marco Grob

Jan Vogler: Bachs Cello-Suiten kann man ohne Weiteres als esoterisch bezeichnen. Oder, wenn man dieses Modewort vermeiden möchte: Die Suiten sind eine philosophische Erzählung. Die von Suite zu Suite immer komplizierter wird.  Wie bei einem Gedicht spricht Bach die Dinge dabei nicht konkret an, vielmehr triggert seine Musik Ihre Fantasie. Wegen dieser Parallele zwischen Musik und Poesie haben wir den größten amerikanischen Poeten mit dem vielleicht größten europäischen Komponisten kombiniert.

klassik-begeistert: Bach und Poesie als Perfect Match?

Jan Vogler: Ja, gerade die Cello-Suiten eignen sich perfekt. Letztes Jahr habe ich zusammen mit der jungen amerikanischen Poetin Amanda Gorman einen Bach-Abend in der Carnegie Hall gegeben. Frau Gorman hat drei Cello-Suiten mit ihren Gedichten begleitet. Das war ein wunderbarer Abend, für Künstler und Publikum.

klassik-begeistert: Ich möchte das gerne fortsetzen. Welche Geschichte passt zur 2. Solo-Suite?

 Jan Vogler: La Divina Commedia (Anm. Jörn Schmidt: Die Göttliche Komödie, das Hauptwerk des italienischen Dichters Dante Alighieri). Weil bei Dante das, was schlimm anfängt, gut endet.

klassik-begeistert: Was sehen Sie vor sich, wenn Sie die 3. Suite spielen?

Jan Vogler: Ein prächtiges Gemälde von Vermeer (Anm. Jörn Schmidt: Jan Vermeer van Delft, holländischer Maler des Barock). Eben weil diese Suite sehr prächtig ist und die Dreifaltigkeit feiert.

klassik-begeistert: Suite Nr. 4?

Jan Vogler: Hier kann man sich ein Tasteninstrument vorstellen, vielleicht ein Clavichord. Weil Bach den Cellisten mit der Komposition regelrecht zwingen wollte, sein Instrument wie ein Klavier klingen zu lassen. Allein schon die Tonart, Es-Dur…

klassik-begeistert: Suite Nr. 5?

Jan Vogler: The Lord of the Rings. Man taucht mit dieser Suite in eine dunkle, geheimnisvolle Märchenwelt ein. Hier klingt das Cello dunkler, verhangener. Vielleicht sogar wie eine Sage.

klassik-begeistert: Suite Nr. 6?

Jan Vogler: Die 6. Suite ist noch prächtiger als die 3. Suite… Ein religiöses Bild würde gut passen. Man sieht vor sich, wie der Himmel aufgeschlossen wird. So wie in Bachs Choral Herr Gott, nun schleuß den Himmel auf.

klassik-begeistert: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Jörn Schmidt, 16. Februar 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Teil 2 unseres Interviews mit Jan Vogler lesen Sie am Montag, 17. Februar 2025, und Teil 3 am Dienstag, 18. Februar 2025, hier auf klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at.

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