Eric Laporte © Louise Leblanc
Der Quebecer Tenor Eric Laporte begann seine Karriere im Opernstudio der Opéra de Montréal und ist seitdem an wichtigen Häusern vor allem in Europa und Nordamerika aktiv. Dank seiner wandlungsfähigen Stimme besitzt der preisgekrönte Tenor ein von Wagner bis Weill reichendes, äußerst breit gefächertes Repertoire. Im ersten Teil unseres Interviews sprechen wir über Regietheater, Wagner-Texte und natürlich die aktuelle Neuproduktion von La damnation de Faust am Staatstheater Kassel, in der er die Titelrolle singt.
Johannes Fischer im Gespräch mit Eric Laporte, Tenor, Teil I
klassik-begeistert: Herr Laporte, Sie haben hier am Staatstheater Kassel gestern die Premiere von Hector Berlioz’ „La damnation de Faust“ gesungen. Wie lief die Vorstellung für Sie?
Eric Laporte: Das Publikum war auf jeden Fall sehr angetan und ich habe bei der Premierenfeier viel Lob über meinen Gesang und Schauspiel gekriegt. Wir hatten mit Sebastian Baumgarten einen schon längst sehr bekannten und kompetenten Regisseur, der mit uns fast zwei Monate lang – teilweise auch schon vor Weihnachten – intensiv gearbeitet hat.
Die Inszenierung ist sehr präzise, ein bisschen wie ein Film mit verschiedenen Szenen, die verschiedene Blicke auf Faust und seine soziale Inkompetenz darstellen. Der Faust ist in unserer Inszenierung eher ein normaler Mensch, der sich einfach wünschen würde, zu einer Gruppe zuzugehören. Das versucht er, aber es gelingt ihm nicht. Und bei Berlioz klappt es – anders als bei Goethe – auch mit der Liebe nicht. Es ist insgesamt ein ziemlich düsterer, aber sehr kurzweiliger Abend, die Oper dauert ja nicht mal zwei Stunden und wird ohne Pause gespielt.

klassik-begeistert: In der Beschreibung dieses Stück steht „Musiktheater nach Berlioz“. Was ist da anders als bei einer normalen Inszenierung?
Eric Laporte: Viele Rezitative sind gestrichen, um Tempo in den Bühnenablauf zu bringen. Das Ganze wird von Videoinstallationen (Philipp Haupt) begleitet, welche die Situation, in der sich Faust befindet, sehr aussagekräftig machen. Es gibt auch Monologe von einer Schauspielerin (Annett Kruschke), die diese Situation und Atmosphäre erzählen, und Audio-Installationen (Stefan Schneider), das heißt zwischen den Nummern – manchmal sogar mittendrinn – hört man elektronische Klänge, Soundeffekte . Das wirkt aber überhaupt nicht gegen die Musik, sondern es ergänzt sich alles ein bisschen wie im Kino. Deswegen heißt es auch „Nach Berlioz“. Und es gibt ein paar Arrangements (Felix Linsmeier) der Originalmusik von Berlioz, so zum Beispiel in einer Arie von Marguerite, wo man bei uns ein bisschen Musik aus den 50er Jahren hört.
klassik-begeistert: Das klingt wie eine Überarbeitung der Oper. Wie ist das zustande gekommen, wer war die treibende Kraft hinter dieser Idee?
Eric Laporte: Das wurde in erster Linie zwischen Regie-Team und in diesem Fall auch dem Dirigenten – Kiril Stankow, der an dieser Produktion mitgearbeitet hat – ausgemacht. Wir als Bühnendarsteller haben davon im Voraus nicht alles erfahren. Uns wurde aber gesagt, was gestrichen wurde – das bedeutete für mich, dass ich manchmal ohne die Hilfe des Rezitativs von einem emotionalen Zustand in den anderen kommen soll. Gerade dieser Aspekt war viel Arbeit und Sebastian Baumgartner war immer im Gespräch mit uns. Ich habe auch ein paar Filme, von denen er sich inspirieren hatte lassen, angeguckt, um zu verstehen, welche Art von Charakter er wollte.
klassik-begeistert: War die Probenarbeit von der Atmosphäre her anders?
Eric Laporte: Nicht wirklich. Aber es war das erste Mal in den mittlerweile 20 Jahren meiner Bühnenkarriere, dass ich Soundeffekte auf der Bühne hatte. Die hat Stefan Schneider gemacht, er war auch immer dabei und hat mit uns nach den Emotionen und Beziehungen zwischen den Charakteren gesucht. Dann hat er zusammen mit dem Regisseur die richtige Stimmung gesucht und die uns dann gezeigt. Das war ein Work-in-Progress, alle waren daran beteiligt. Natürlich hatte Sebastian Baumgartner am Ende immer das letzte Wort, aber letztendlich haben wir alle daran zusammengearbeitet.
Mein Faust, den ich jetzt in dieser Inszenierung spüre, der ist jetzt wirklich mein Faust geworden, er ist ein sehr organischer Charakter. Und die Damnation, also die Verdammung, ist bei Berlioz sowieso nicht dieselbe wie bei Goethe. Bei Berlioz ist er am Ende eigentlich gar nicht dabei, während Mephisto sagt „Jaja, ich habe ihn gekriegt.“ Aber in dieser Produktion ist der Faust am Ende präsent und die Hölle wird regietechnisch auch zu einer politischen Botschaft. Ich will nicht zu viel verraten, aber am Ende findet Faust hier sich doch in eine Gruppe hinein, und das ist hier die Hölle.
klassik-begeistert: Bräuchte man solche Ansätze, die Werke eher etwas umzuarbeiten, auch bei anderen Stücken?
Eric Laporte: Ich bin kein Anhänger davon, dazu wirklich eine Position zu beziehen. Vielleicht liegt das auch an meiner Rolle als Sänger. Ich bin kein Intendant und kein Regisseur. Mein Job ist es, zu erzählen, was andere sich überlegt haben. Ich habe natürlich auch meine Ideen. Eine Museumsinszenierung ist eine Attrappe. Man kann einfach nicht wissenschaftlich fundiert behaupten, hier macht man jetzt den Freischütz, wie Weber das wollte. Und auch, wenn man das versuchen würde, die Leute, die denken, dass ihnen sowas gefallen würde, wären sehr enttäuscht, weil sie dann nur noch sehr wenig Zugang zu dem Werk hätten. Um ein Stück wirklich empfinden zu können, braucht man einen gewissen aktuellen Zugang.
Natürlich sollen die Regisseur die Stücke auch neu entwickeln. Sie sind oft Denker im guten Sinne, müssen sich dabei bemühen und das tun sie eigentlich auch alle. Aber ich bin als Darsteller auch dazu da, um meinen Finger hochzuheben und zu fragen „Moment, was erzählen wir hier eigentlich?“ Weil wenn ich selbst keinen Zugang zu einer Rolle habe, kann ich sie nicht selber erzählen, und so ein Puppentheater würde ich nicht mitmachen. Das ist auch die Rolle der Darsteller, um das ganze zugänglich zu machen und Kontakt mit dem Publikum aufzubauen. Das trifft eigentlich auf alle Werke zu, wir müssen die alle aus unseren Augen sehen.

klassik-begeistert: Sie haben 2019 Lohengrin in Nürnberg gesungen. Bei Wagner gibt es ja auch oft Debatten um den Text, gerade bei Lohengrin um das Wort „Führer“. Sollte man diesen Text Ihrer Meinung nach ändern?
Eric Laporte: Deutsch ist nicht meine Muttersprache und einer der ersten Worte, die ich am Anfang gelernt habe, war „Stadtführer.“ Also das Wort an sich gibt es immer noch. Und wenn man alles, was die Nazis benutzt haben, in dem Sinne ihnen überlassen würde, würde man ihnen damit sehr viel Macht geben. Wagner gehört nicht den Nazis. Ich finde, man sollte Wagners Werke heute für sich nehmen und so nutzen, wie man sie heute braucht. Er war ein universeller Künstler, seine Werke sind eben nicht nur für eine Situation geeignet. Seine politischen Briefe und seine Spinnerei, das ist nicht sein künstlerisches Werk. Aber seine Opern sind voller Sinnlichkeit, voller Weltoffenheit und voller nach wie vor sehr aktuellen Debatten.
Den Lohengrin habe ich 2016 in Ulm debütiert. Mein damaliger Regisseur, Matthias Kaiser, wollte das Wort „Führer“ nicht hören. Ich weiß nicht, womit wir dieses Wort dann ersetzt haben…

klassik-begeistert: 2022 lief diese Debatte vor allem in Bayreuth, da wurde dann „Schützer“ gesungen…
Eric Laporte: Ich sage auch nicht, dass man mit dem Wort „Führer“ nie aufpassen muss; ich lebe hier in Deutschland, habe aber trotzdem eine Perspektive von außen. Zu Hause in Kanada werde ich immer wieder gefragt „Wie ist das in Deutschland?“ Die Leute machen zwar Geschäfte mit Deutschland, aber sie kennen die Gesellschaft nicht. Ich höre immer noch manche negative Vorurteile über Deutschland, auch zum Beispiel in Frankreich, da denke ich immer: „Komm mal hierher, nicht nur um das Brandenburger Tor zu sehen, sondern um die Stimmung kennen zu lernen, du wirst positiv überrascht sein.“
klassik-begeistert: Herzlichen Dank für das Gespräch!
Johannes Fischer, 30. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Teil 2 des Interviews lesen Sie Dienstag, 1. April 2025 und Teil 3 Mittwoch, 2. April 2025, hier auf klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at.