Opernhaus Zürich: das Publikum verläßt scharenweise den Saal

Jacques Offenbach, Barkouf  Opernhaus Zürich, 20. Dezember 2023

Barkouf © Monika Rittershaus

Ein farbenprächtiges Spektakel, wunderschöne orientalisierende Kostüme, witzige Details, eine sich fleißig drehende Drehbühne, dazu die wie immer sprühende Musik des deutsch-französisch-jüdischen Meisters Jacques Offenbach, des „Mozart der Champs-Élysées“ und zwei großartige weibliche Stimmen.

Doch das Ganze wirkt am Ende doch eher blöde, vor allem wenn der immer wieder präsente Erzähler (Daniel Hajdu) umständlich-unverständliche Erläuterungen von sich gibt und immer wieder als Hundestimme zu bellen und zu knurren hat und das extrem peinliche Ballett zwischen den Akteuren seine Pirouetten dreht: So doof das Ganze, dass dem renommierten Zürcher Opernhaus nach der großen Pause die Zuschauer scharenweise davonlaufen und gefühlt die Hälfte des Parketts leer lassen.

Barkouf
Jacques Offenbach (1819-1880)
Opéra-comique in drei Akten
Libretto von Eugène Scribe und Henry Boisseau

Musikalische Leitung: Jérémie Rhorer
Philharmonia Zürich
Chor der Oper Zürich

Opernhaus Zürich, 20. Dezember 2023

von Dr. Charles Ritterband

Ein hübscher Flop und ein kühnes Unterfangen, das 160 Jahre lang vergessene Stück aus seinem „Dornröschenschlaf“ (Text Programmheft) zu erwecken. Doch: let sleeping dogs lie – lasst schlafende Hunde schlafen, wie uns das Sprichwort, für diese Hunde-Operette durchaus passend, so richtig ermahnt…

Die Handlung ist schnell erzählt: Barkouf ist nämlich ein Hund, und noch dazu ein ganz großer – und der in köstlicher Maske dargestellte Großmogul (stets auf einem riesigen Kissen und mit einem gigantischen  Schmerbauch) ernennt diesen von der ursprünglichen Besitzerin, der schönen Blumenverkäuferin Maima (Brenda Rae) entführten Riesenhund aus Ärger über sein aufmüpfiges Volk zum Machthaber, dem Wesir, über eine bedeutende Stadt.

© Monika Rittershaus

Die Sache hatte für den stets mit doppelbödigem Humor und brillantem Sinn für Satire (siehe „Orpheus in der Unterwelt“) arbeitenden Offenbach ein Nachspiel: Die Zensoren des Zweiten Kaiserreichs sahen in der skurrilen Geschichte eine „fortwährende Verhöhnung der höchsten Autorität jeder Zeit und in jedem Land“.

Das Stück spielt im indischen, damals pakistanischen Lahore und die französischen Behörden fürchteten bei dieser Persiflage auf den Herrscher offenbar diplomatische Probleme.

© Monika Rittershaus

Möglicherweise stieß sich die Zensurbehörde auch an der Tatsache, dass Maima hier die Zügel in der Hand hält und sich vom Großwesir Bababeck (Marcel Beekman) als Dolmetscherin in Hundesprache anstellen lässt. Sie nutzt die Chance und legt ihrem Vierbeiner allerlei populäre Massnahmen in den Mund (die Schnauze) und lässt ihn eine großmütige Amnestie für die bereits zum Tode verurteilten Verschwörer und eine Halbierung der Steuern proklamieren, was vom Volk natürlich mit großem Jubel quittiert wird.

Das Opernhaus Zürich ist sehr stolz auf seine Trouvaille – Barkouf sei „ein wahres Bijou“, diese „Opéra Bouffe“ zähle zu Offenbachs experimentellsten Werken, zwischen schmissiger Musik und Belcanto-Elementen.

© Monika Rittershaus

Der Offenbach-Experte Jean-Christophe Keck, der dieses Stück ausgegraben hatte und das in der Folge erstmals wieder 2018 in Strassburg aufgeführt wurde, findet „Barkouf“ sogar besser als Offenbachs berühmtestes Werk, „Les Contes d’Hoffmann“. Immerhin: Hector Berlioz, Offenbachs Komponisten-Kollege, war da ganz anderer Meinung (und dieser Rezensent kann diese Kritik durchaus nachvollziehen).

Stimmlich glänzte Brenda Rae als die schöne Maima, mit federleichtem, überaus harmonischem Sopran, der selbst schwierigste Passagen souverän meistert. Ihr ebenbürtig der edle Mezzo der Orangenverkäuferin Balkis, gesungen von Svetlina Stoyanova mit herrlichem Timbre und kunstvollen Phrasierungen. Temperamentvoll die Philharmonia Zürich unter der souveränen Stabführung von Jérémie Rhorer.

Dr. Charles E. Ritterband, 20. Dezember 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Besetzung: 

Bababeck: Marcel Beekman
Grossmogul: Andreas Hörl
Saeb: Oleksiy Palchykov
Kaliboul: Daniel Norman
Xailoum: Andrew Owens
Maima: Brenda Rae
Balkis: Svetlina Stoyanova
Périzade: Siena Licht Miller
Erzähler: Daniel Hajdu

Kostüme: Ursula Kudrna
Bühne: Marie Caroline Rössle

Macbeth, Oper in vier Akten von Giuseppe Verdi Opernhaus Zürich, 25. November 2023

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