Garsington Opera inszeniert Rameaus „Platée“ als Reality-TV-Show

Jean-Philippe Rameau, Platée  Garsington Opera, 22. Juni 2024

Foto: Reality Show Requisit © Dr. Charles Ritterband

Das verwöhnte, elegante Publikum im Landsitz der Garsington Opera spendete enthusiastischen Applaus, jubelte gar – der Rezensent und seine Begleiterin litten nur, zumal in der ersten Hälfte dieser so selten aufgeführten Oper. Die herrliche Musik des Barockmeisters Rameau versank in all dem hektischen Klamauk auf der Bühne, der Overkill an optischen Reizen verdrängte die subtile Musik – am Ende blieb Erschöpfung. Doch ein Publikumserfolg, allemal.

Jean-Philippe Rameau
Platée

Dirigent: Paul Agnew

The English Concert
Garsington Opera Chorus

Garsington Opera, 22. Juni 2024

von Dr. Charles E. Ritterband

Dies war der erste Vorstoß der renommierten Garsington Opera in die so reiche musikalische Welt der französischen Barockoper. Rameau schrieb „Platée“ für die prunkvolle Heirat des Königssohns von Louis XV mit der Infantin Maria Theresia von Spanien im Jahr 1745. Doch die Intention lief gründlich daneben, denn welches junge Paar – königlich oder bürgerlich – möchte schon als Hochzeitsgabe eine Braut (die noch dazu von einem Darsteller männlichen Geschlechts verkörperte) Sumpf-Nymphe Platée als clownesque Witzfigur auf der Bühne präsentiert kriegen, die noch dazu am Ende eine Verliererin ist, weil sie von Jupiter als Trickfigur eingesetzt wurde, um die eifersüchtige und daher stinksaure Gattin Juno fürs göttliche Ehebett zurückzugewinnen?

Das Ganze ist ein von Jupiter inszeniertes Theater, moderner ausgedrückt: eine Farce, eine Show – und was lag fast drei Jahrhunderte später, im 21. Jahrhundert für die amerikanische Regisseurin Louisa Muller näher, als die Handlung zeitgemäß in eine TV-Reality-Show (auch dem Garsington-Opernpublikum offenbar bestens vertraut: „Big Brother“ bzw. „Love Island“) zu transponieren.

Das Ganze wurde grell, knallbunt, mit farbigen Neonröhren und (teils mit echtem Wasser gefüllte) Swimming-Pools auf der Bühne und folglich auch aufblasbaren Plastic-Schwimmringen, in Gestalt von rosaroten Flamingos, um die wespenschlanken Hüften der Girls, die Jupiter umschwärmen und vor allem auf ihre Schönheit bedacht sind (und folglich nichts singen), drapiert. Die Bühne ist bevölkert von TV-Personal in schwarzen T-Shirts, die sich drängen und sich mit ihren Clipboards wichtig machen. Welcome to Studio 3, Olympus TV.

© Dr. Charles Ritterband

Bei alledem optischen Gewusel: wo bleibt die herrliche, majestätische, subtile Musik des barocken Meisters Rameau? Bei diesem Überfluss („overkill“ möchte man sagen) an optischen Eindrücken geht die Musik fast völlig vergessen, sie findet irgendwo im akustischen Hintergrund statt und die Überfülle von optischen Eindrücken verunmöglicht schlicht das Hören der wunderbaren Musik. Dabei leistet „The English Concert“ unter der subtilen, souveränen Stabführung von Paul Agnew und der Garsington Opera Chorus, der sichtlich Spaß am Ganzen hat, musikalisch sein Bestes.

Bemerkenswerte Stimmen – vor allem natürlich die der Sumpfnymphe Platée, hervorragend gesungen und mit viel Komik dargestellt vom Tenor Samuel Boden: Schon von Anfang an wurde diese Figur von einem Mann verkörpert, was wohl die groteske Komik der Handlung verstärken sollte.

© Dr. Charles Ritterband

Jupiter als Macho, mit gewaltiger und gleichwohl harmonischer Stimme interpretiert vom englischen Bassbariton Ossian Huskinson – nicht nur als Göttervater, sondern auch als Sänger die Nummer Eins dieser Aufführung – und dessen düpierte, am Ende versöhnte Ehefrau Juno überzeugend gesungen von Annabel Kennedy. Doch die Palme gebührt der kanadisch-amerikanischen Sopranistin Mireille Asselin als „La Folie“ – mit strahlender, kraftvoller Stimme.

Dr. Charles E.  Ritterband, 22. Juni 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Regie: Louisa Muller
Bühne: Christopher Oram
Licht: Malcolm Rippeth
Videos: Illuminos

Jupiter: Ossian Huskinson
Platée: Samuel Boden
Satyr/Chitheron: Henry Waddington
La Folie: Mireille Asselin
Juno: Annabel Kennedy

Gioachino Rossini, Il barbiere di Siviglia o L’inutile precauzione  Garsington Opera, 7. Juli 2023

Antonin Dvořák, Rusalka, in tschechischer Sprache Garsington Opera 30. Juni 2022

Wolfgang Amadeus Mozart, „Così fan tutte“ Garsington Opera, 10. Juni 2022

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