Garsington verzaubert das Publikum mit Dvořáks fantastischer Märchenoper „Rusalka“

Antonin Dvořák, Rusalka, in tschechischer Sprache  Garsington Opera 30. Juni 2022

Der Jubel des Publikums dieses wohl inzwischen führenden englischen Sommer-Opernfestivals war dieser Aufführung gewiss: Garsington Opera hat uns mit Dvořáks zauberhafter Märchenoper „Rusalka“ einen neuen Höhepunkt beschert: Diese geradezu epochale Inszenierung (Jack Furness) – das aufwändige Bühnenbild (Tom Piper), die prachtvollen Kostüme – war schlicht hinreißend, das Philharmonia Orchestra unter der souveränen Stabführung von Douglas Boyd produzierte die Feinheiten der Musik Dvořáks mit Subtilität und Einfühlungsvermögen. Die Zweiteilung der Bühne in eine unterirdische Wasserwelt mit einem echten Teich und der von aufgehängter Jagdbeute geprägten Oberwelt des Prinzen war faszinierend – vor allem als sich zugleich mit dem Übergang von der Wasser- auf die irdische Welt die Seitenvorhänge des Theaters öffneten und die Sonne (noch kurz zuvor hatte es geregnet) durch die riesigen Fenster hereinstrahlten: Ein magischer Moment. Unter den Sängerinnen und Sängern ragte die großartige walisische Sopranistin Elin Pritchard hervor, welche für die erkrankte Kollegin Natalya Romaniw einzuspringen hatte. Als kongenialer Partner der österreichisch-australische Tenor Gerard Schneider; hervorragend die drei Wassernymphen Marlena Devoe, Heather Lowe, Stephanie Wake-Edwards mit ihrer weithin leuchtenden, überragender Stimmkraft.


Garsington Opera 30. Juni 2022

Antonin Dvořák (Libretto Jaroslav Kvapil), Rusalka,
in tschechischer Sprache

Philharmonia Orchestra
Musikalische Leitung: Douglas Boyd

Garsington Opera Chorus

von Dr. Charles E. Ritterband (Text und Fotos)

Wohl nur sehr selten konnte man eine derart perfekte, berührende Inszenierung von Dvořáks Märchenoper sehen: Die Zweiteilung der gewaltigen, raumfüllenden Bühne in eine unterirdische Wasser- und eine oberirdische Welt des Prinzen und seiner korrupten, eitlen Höflinge war optisch überwältigend und technisch perfekt gelöst. Wie die Nymphen unter dem riesigen runden Deckel im seichten Teich (geheizt?) spurlos verschwinden konnten, wenn sich dieser senkte und die Bühne für die Oberwelt frei machten ist mir bis jetzt ein Rätsel – aber bei Dingen, die einen in Erstaunen versetzen, sollte man am besten keine Fragen stellen sondern sich einfach faszinieren lassen.

Das ganze Theater spielte mit, als sich die Seitenvorhänge beim Übergang von der düsteren, blaugrünen Wasserwelt der Nymphen öffnete und die plötzlich erstrahlende Sonne in den Zuschauerraum hineinstrahlen ließ – als ob die herrliche Natur dieses Landguts mitgespielt hätte.

Die raumfüllende Grundkonstruktion bestand aus einer aufwändig verschnörkelten, grünen Gusseisenstruktur, wie sie für die Innenräume und Markthallen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts typisch war. Innerhalb dieses Rahmens befanden sie die beiden Welten des Prinzen und, unter einem großen runden Deckel, jene der geheimnisvollen Wasserwesen.

Es war nicht nur eine hervorragende Opern-Vorstellung, sondern gleichzeitig eine Zirkus-Performance, für deren Inszenierung eine Spezialistin (Lina Johansson) mit einem Team ausgezeichneter Artistinnen engagiert wurde: Die Welt der Nymphen wurde für die Zuschauer zu einem eigenen Höhenflug (im wahrsten Sinne des Wortes!), zusätzlich zum erstklassigen musikalischen Erlebnis.

Die Märchenhandlung, die an Hans-Christian Andersen und die „Kleine Meerjungfrau“ angelehnt ist, transportiert den Zuschauer zurück in das Erleben dieser bewegenden Geschichte – zugleich werden hier Szenen vorgeführt, wie sie sich täglich in der Erwachsenenwelt ereignen: Der Prinz ist fasziniert von der wunderschönen Nymphe, die aber aus eigener Wahl zur Sprachlosigkeit verurteilt ist und, als die schöne aber herrisch-selbstsüchtige „fremde Prinzessin“ auf der Bildfläche auftaucht, schiebt er sie beiseite und die Wassernymphe, jetzt ihres Nymphendaseins beraubt und aus der Welt der Menschen ausgestoßen, sieht sich in einem existentiellen Vakuum aus dem es kein Zurück gibt. Als er am Ende zu Rusalka zurückkehren will, ist es zu spät und der Prinz stirbt in den Armen der nunmehr zum Gespenst gewordenen Wassernixe.

Die walisische Sopranistin Elin Pritchard hatte wegen Erkrankung ihrer Kollegin die Rolle der Rusalka kurzfristig übernommen – und glänzte mit einer leuchtenden, variationenreichen Stimme. Ihre hervorragende Leistung wurde mit dem Jubel des Publikums belohnt. Ihr zur Seite stand der österreichisch-australische Tenor Gerard Schneider, der seinen Part mit tenoralem Schmelz und einer geschmeidig-warmen Stimme meisterte.

Großartig die drei Wassernymphen Marlena Devoe, Heather Lowe und Stephanie Wake-Edwards, deren Stimmen überragende Kraft und schillernde farbliche Variationen hervorbrachten. Die drei Wassernixen erinnern wohl nicht zufällig an die Rheintöchter aus Wagners Rheingold. Überragend, inspiriert – schauspielerisch und stimmlich – der Wassergeist Vodnik des außergewöhnlichen südafrikanischen Bassbaritons Musa Ngqungwana.

Dr. Charles E. Ritterband, 1. Juli 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Regie: Jack Furness
Bühnenbild / Kostüme: Tom Piper
Choreographie: Fleur Darkin
Zirkus-Einlagen: Lina Johansson

Rusalka: Elin Pritchard
Vodnik, Wassergeist: Musa Ngqungwana
Jezibaba, Hexe: Christine Rice
Prinz: Gerard Schneider
Ausländische Prinzessin: Sky Ingram
Wassernymphen: Marlena Devoe, Heather Lowe, Stephanie Wake-Edwards
Wildhüter: John Findon
Lovec, Jäger: Mark Nathan
Kochlehrling: Grace Durham

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