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Beeindruckend an diesem Konzertabend war die fulminante Klangpräsenz des Stradivari-Cellos in dem „Klangkasten“ des kleinen Saals der Hamburger Elbphilharmonie. Hier gab es vor einem nahezu vollbesetzten Auditorium in schnörkelloser Atmosphäre nur Klang, Klang und nochmals Klang. Alles akustisch Vorgetragene wurde geradezu anfassbar sichtbar.
Elbphilharmonie, 27. April 2022
Johann Sebastian Bach: Cello-Suiten No. 4 – 6
Jan Vogler, Violoncello
Suite Nr. 4 Es-Dur BWV 1010 für Violoncello solo
Suite Nr. 5 c-Moll BWV 1011 für Violoncello solo
Suite Nr. 6 D-Dur BWV 1012 für Violoncello solo
von Dr. Holger Voigt
Die Musik Johann Sebastian Bachs ist ein Korrektiv für die Seele. In bewegten Zeiten wie der jetzigen, geprägt von Zukunftsängsten durch Pandemie und Krieg, wächst das Bedürfnis nach Ordnung, Übersicht und Stabilität. Ausrichten zum Aufrichten ist das Ziel, um ein Gleichgewicht der Lebensperspektive wieder herstellen zu können. Johann Sebastian Bach, so bemerkte Jan Vogler einführend, habe bei seinen Kompositionen immer wieder Bezug genommem auf die Dreifaltigkeit in der christlichen Glaubenslehre, die Stabilität zu verdeutlichen vermag. So wie ein Tripod (Dreibeinstativ) fester und aufrechter zu stehen vermag, als man ihm zutrauen würde.
Cellist Jan Vogler, der auch gern und oft zusammen mit seiner Ehefrau Mira Wang (Violine) und seinem Freund Bill Murray, US-Schauspieler („Und ewig grüsst das Murmeltier“), auftritt und dabei Musik und Textrezitationen mit durchaus hintergründiger Note auf die Bühne zu bringen vermag, gehört mittlerweile zu den weltbesten Cello-Virtuosen unserer Zeit. Nachdem er bereits die Bachschen Cello-Suiten 1 – 3 im Februar 2020 in der Elbphilharmonie vorgetragen hatte, unterbrach das Corona-Virus jäh die weitere Konzertplanung, so dass das Folgekonzert erst jetzt stattfinden konnte. Nehmen wir dieses also als ein gutes Omen.
Beeindruckend an diesem Konzertabend war die fulminante Klangpräsenz des Stradivari-Cellos in dem „Klangkasten“ des kleinen Saals der Hamburger Elbphilharmonie. Hier gab es vor einem nahezu vollbesetzten Auditorium in schnörkelloser Atmosphäre nur Klang, Klang und nochmals Klang. Alles akustisch Vorgetragene wurde geradezu anfassbar sichtbar.
Der Solist überzeugte mit einer atemberaubenden, hochvirtuosen Technik, wobei er sich in den Satzpausen auf den Punkt sammelte und neu konzentrierte, dabei eine kurze Blickbewegung nach oben machte, nach der er sofort auf den Punkt geordnet weiterspielte. Das war allein optisch ein durchgehend formaler strukturgebender Ansatz, der mit der kompositorischen Struktur perfekt korrespondierte. Diese ist – dem Bachschen Ordnungsprinzip entsprechend – aus (sechs) nahezu identischen Satzfolgen verbunden, die jede einzelne Suite strukturell definiert. Dabei greift Bach auf höfische Tanzmuster – Allemande, Courante, Sarabande, Bourrée, Gavotte und Gigue – zurück, deren Eigenstruktur auch bei ausgeführten Themenverarbeitungen erkennbar bleibt.
Faszinierend die Flutung eines ganzen Konzertsaals durch ein einzelnes Instrument, das alle Zuhörer zu atemloser Stille bannte. Großer Beifall, Bravo-Rufe und Fussgetrampel erzwangen Zugaben, darunter die Lieblingssarabande des Solisten (C-Dur) sowie das Preludium in G-Dur. Ein begeisternder Abend.
Dr. Holger Voigt, 29. April 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Giuseppe Verdi, Luisa Miller, Staatsoper Hamburg, 27. März 2022