"Gottes Wege kreuzen einen überall": Bach-Kantaten im Mozart-Saal

Johann Sebastian Bach, Kantaten,  Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal, 25. Februar 2022

Foto: Rudolf Lutz © Tibor Nad, Visual Moment

Wiener Konzerthaus, Mozart-Saal, 25. Februar 2022
Johann Sebastian Bach, Kantaten

Orchester der J. S. Bach-Stiftung
Miriam Feuersinger, Sopran
Margot Oitzinger, Alt
Daniel Johannsen, Tenor
Manuel Walser, Bariton
Rudolf Lutz, Leitung

von Jürgen Pathy

„A Wahnsinn“. Das sei es, was da im Augenblick auf der Welt passiere – die Anspielung bezog sich natürlich auf den Ukraine-Konflikt. Obwohl man sich eigentlich auf einen reinen Musikabend eingestellt hatte, wurde es mehr: Mit Rudolf Lutz, dem Gründer des Orchesters der J. S. Bach-Stiftung, ging nämlich ein Entertainer verloren. Ob ein großer oder kleiner, das sollen andere beurteilen. Zumindest zündeten die meisten seiner Pointen, die der gebürtige Schweizer Freitagabend im Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses abgefeuert hatte, beim Großteil des Publikums.

Mit dabei, bei dieser Mischung aus Gottesdienst, Entertainment und Musikunterricht – einige Jünger Gottes. Neben zahlreichen Erdenbürgern, die sich garderobetechnisch deutlich vom sonst so typischen Klassik-Publikum unterschieden, wohnten der Zeremonie auch drei Mönche der Zisterzienser aus dem Stift Heiligenkreuz bei. „Besuchen Sie uns doch mal“, kam prompt die Einladung, nachdem ein Besucher die Herren Gottes im Anschluss des Konzerts in ein Gespräch verwickelt hatte. Immerhin sei das Stift bekannt für seinen außergewöhnlichen Chor. Den suchte man an diesem Abend aber vergebens.

Herrlich, göttlich, Daniel Johannsen

Reduziert auf gerade mal nicht viel mehr als eine Handvoll Instrumentalisten und vier Solisten, feierte die kleine, aber feine Gemeinschaft ihren musikalischen Gottesdienst. Hervorragend, wie so oft, Tenor Daniel Johannsen, der schon als Evangelist in Bachs Matthäuspassion vor zwei Jahren einen göttlichen Eindruck hinterlassen hatte. Ebenso der junge Manuel Walser, der als ehemaliges Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper aus einem reichhaltigen Fundus seines schwarzen Basses schöpfen konnte. Die Ladies Miriam Feuersinger und Margot Oitzinger komplettierten das Solisten-Quartett, das harmonisch aus den Kantaten zitierte.

Diese, so erfuhr man, seien zu Bachs Lebzeiten zur Einstimmung der bis zu dreistündigen Gottesdienste ausgiebig zelebriert worden. Ganz so lang hat es dann nicht gedauert im hinreißenden Mozart-Saal des Wiener Konzerthauses. Obwohl die Ansprachen und teils skurrilen Gesangseinlagen, die Dirigent Rudolf Lutz im Stile eines Dieter Hallervordens zu den drei Kantaten dazupackte, den Abend enorm dehnten. Aus 60 Minuten Netto-Spielzeit wurden rund 90 Minuten kurzweilige Brutto-Show.

Jürgen Pathy (klassikpunk.de), 27. Februar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

PROGRAMM

Johann Sebastian Bach
Ich ruf’ zu dir, Herr Jesu Christ BWV 177 (1732)
Barmherziges Herze der ewigen Liebe BWV 185 (1715)
Ein ungefärbt Gemüte BWV 24 (1723)
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Zugabe:
Johann Sebastian Bach
Ich ruf’ zu dir, Herr Jesu Christ BWV 177 (Versus I (Coro): Ich ruf’ zu dir, Herr Jesu Christ) (1732)

Meine Lieblingsmusik, Teil 14: Johann Sebastian Bach, Kantaten klassik-begeistert.de

CD Rezension: Daniil Trifonov, Johann Sebastian Bach und Söhne, The Art of Life, klassik-begeistert.de

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