Ein zweifaches Fest in der Musikhauptstadt der Welt

Johann Strauß, Die Fledermaus,  Wiener Staatsoper, 31. Dezember 2019

Foto: © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wiener Staatsoper, 31. Dezember 2019
Johann Strauß, Die Fledermaus

von Lothar und Sylvia Schweitzer

An diesem beginnenden Abend um 17 Uhr trafen sich „die Merker“ im Teesalon der Wiener Staatsoper, um den 80. Geburtstag von Frau Dr. Sieglinde Pfabigan, der Chefin und Mutter der Zeitschrift „Der neue Merker“, würdig zu feiern. Das Fachblatt bringt elfmal jährlich Interessantes aus der Welt der Oper, aber auch des Balletts und der Konzerte, wobei es ein besonderes Anliegen von Frau Dr. Pfabigan ist, dass in der Wiener Staatsoper allabendlich eine Mitarbeiterin / ein Mitarbeiter  zugegen ist, damit bei den Folgevorstellungen Zweitbesetzungen die Chance einer Beachtung finden.

Die Tradition „Die Fledermaus“ am Silvesterabend zu spielen wird geradezu zelebriert. Wir haben Bekannte, die jedes Jahr dabei sind. Die österreichische  Opernlegende Marcel Prawy hat zwar einmal gemeint, in den Zwanzigerjahren (des vorigen Jahrhunderts) war man fantasievoller, doch fällt uns als möglichen  vollwertigen Ersatz im ersten Moment auch nur „Così fan tutte“ ein. Beiden Stücken ist gemeinsam, dass an der heiteren Oberfläche Abgründiges mehr oder weniger überspielt wird.

© Raum Mannheim, Büro für visuelle Gestaltung

Die Wiener Staatsoper hat schon zu viel Mut an einem solchen Abend einen wenig bekannten Dirigenten debütieren zu lassen, auch wenn er bei der typisch österreichischen Operette/Oper mit einem ziemlich autarken Orchester gestärkt durch eine Reihe Wiener Philharmoniker arbeitet.  Nach der Aufführung verbrachten wir den Jahreswechsel im „Salon Olga“ im Wiener Vorortbezirk Döbling, wo sich alle paar Wochen Opernliebhaber treffen. Hier wurde der gebürtige Australier Nicholas Carter von den „Fledermaus“-Besuchern arg „zerzaust“. Zu langweilig und schleppend wie noch nie habe er „ihre Fledermaus“ dirigiert.

Wir waren seine einzigen Advokaten. Mag sein, dass die Hervorhebung des Melos etwas auf Kosten der rhythmischen Brisanz  ging, wir meinen jedoch, dass hier eine Täuschung vorliegt. Einerseits wirken einige Nummern bereits reichlich abgespielt, andrerseits ist der unharmonische dritte Akt, dem viel an Musik fehlt, anstrengend und ermüdend, was den Gesamteindruck verfälscht. Selbst die aktuellen Pointen, die der Gefängniswärter Peter Simonischek  bringt, waren schon in den Medien zu lesen.

Von der Helena in Manfred Trojahns „Orest“ zur Rosalinde. War Laura Aikin in der hohen Tessitura der Helena gleichsam unabkömmlich, war sie für den  Csárdás nicht die ideale Besetzung, ansonsten versetzten ihre Spitzentöne in Hochstimmung. Die Adele der Daniela Fally war die ausgewogenste, ausgereifteste und geschlossenste Leistung des Abends. Mit der gewitzten, leider auch verlogenen Untergebenen der Rosalinde sollten zur Entstehungszeit weite Bevölkerungskreise angesprochen werden. Ihre Schwester Ida verkörperte diesmal die Preisträgerin des Hans-Gabor-Belvedere-Gesangswettbewerbs 2019, die Russin Valeriia Savinskaia. Schauspielerisch hervorstechend war ihre Stimme in den Ensembleszenen nicht so präsent, wie wir es zu Silvester 2015 bei Lydia Rathkolb erlebten.

Adrian Eröd (Eisenstein), Clemens Unterreiner (Dr. Falke), Jochen Schmeckenbecher (Frank) und Peter Jelosits (Dr. Blind) sind in den vier Jahren perfekter geworden. Hatten wir damals noch Zweifel, ob der Eisenstein für Eröd eine Partie ist, in der er reüssieren kann, zählen wir jetzt den Eisenstein zu seinen Toprollen. Eine Meisterleistung seine Verstellung als Dr. Blind und seine sichere Höhe. Clemens Unterreiners „Brüderlein, Brüderlein und Schwesterlein“ klingt jetzt wärmer. Der Iwan, den Csaba Markovits mimen muss, kommt über eine billige Klischeerolle nicht hinaus.

© Gregor Hohenberg Sony Classical

So überraschend ist der Überraschungsgast leider nicht. Spätestens auf dem Besetzungszettel ist er zu lesen. Jonas Kaufmann ist in dem oben erwähnten „Salon Olga“ nicht sehr beliebt. Auch hier müssen wir immer wieder sein außergewöhnliches Timbre verteidigen. Was uns gefallen hat: Er wählte zwei Juwele aus der Operettenwelt aus, bei dem zweiten lud er Rosalinde als Duettpartnerin ein. Zum Abschluss wagte er sich sympathisch an ein Wiener Lied. Keine erratischen Blöcke aus dem italienischen Opernrepertoire. Vorschusslorbeeren gaben wir Margarita Gritskova für ihren Prinzen Orlofsky – und wurden enttäuscht. Was ist aus der volltönenden Maddalena, der Schwester Sparafuciles geworden! Die Partie muss ihre Tücken haben, denn auch Zoryana Kushpler strahlte vor vier Jahren keine Dominanz aus. Aber ein derartig piepsiger Orlofsky ist uns nicht in Erinnerung.

Das berühmte historische Regie- und Bühnen-Zweigespann Otto Schenk – Günther Schneider-Siemssen findet mit seiner Produktion vom Silvester 1979 in seiner 172. Aufführung merklich Beifall beim Publikum. Die Atmosphäre findet im 2. Akt beim Ball des  Fürsten Orlofsky seinen Höhepunkt, an dem der Chor der Wiener Staatsoper  und das Wiener Staatsballett einen großen Anteil haben. Einziger Wermutstropfen gerade für eine Wienerin, für einen Wiener, es wird kein Linkswalzer getanzt.

Lothar und Sylvia Schweitzer, 1. Jänner 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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