Florian Pohl (Graf Capulet), Ida Praetorius (Gräfin Capulet), Louis Haslach (Tybalt), Ana Torrequebrada (Julia), Jacopo Bellussi (Romeo), Matias Oberlin (Mercutio) (Foto: RW)
John Neumeiers Ballett Romeo und Julia hat nichts von seiner Zeitlosigkeit verloren – Teil II.
Matias Oberlin, am Vortag noch als Graf Capulet besetzt, tanzte Mercutio, und das mit der notwendigen Raffinesse, darstellerisch schillernd zwischen Pausenclown und draufgängerischem Haudegen wechselnd, aber auch die notwendige, ironisch verbrämte Freundschaftsbeziehung zu Romeo zeigend.
Romeo und Julia, Ballett von John Neumeier nach Shakespeares Tragödie
Musik: Sergej Prokofjew
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Leitung: Markus Lehtinen
Bühnenbild und Kostüme: Jürgen Rose
Hamburgische Staatsoper, 17. Mai 2025
Aufführung mit der zweiten Besetzung
von Dr. Ralf Wegner
Rauschender Beifall, Bravorufe und zahlreiche Blumenwürfe beendeten am Samstag eine eindrucksvolle Aufführung von John Neumeiers Romeo und Julia-Version. Es wurde auch hervorragend getanzt und alles klappte wie am Schnürchen. Und doch, wenn der vorhergehende Abend zu Tränen rührte, blieb der heutige eher tränenlos. Trotz der ausufernden Begeisterung des Publikums fiel auf, dass nach dem von Ana Torrequebrada (Julia) überzeugend getanzten Scheintod Beifall aufbrandete, so als ob hier schon der Schluss vermutet wurde.
Das mag aber weniger an Unkenntnis des Shakespeare-Dramas bei einem Teil des Publikums gelegen haben, sondern, anders als am Freitag, möglicherweise an fehlender, unmittelbar emotional berührender Übertragung auf das Publikums.
Ana Torrequebrada und Jacopo Bellussi (Romeo) tanzten professionell und auch gefühlvoll, aber ohne die Unabdingbarkeit der ersten tiefen Liebe so zum Ausdruck zu bringen wie das Vorgängerpaar. Tanztechnisch blieb Bellussi zudem eher sparsam, partnerte aber überzeugend. Trotzdem war es eine großartige Leistung der beiden Protagonisten. Am Vortag erlebten wir aber eine Sternstunde des Balletts, wie man sie nicht oft zu sehen bekommt, um ehrlich zu sein, kein Romeo und Julia-Paar liebte und litt jemals so überzeugend wie Azul Ardizzone und Louis Musin (unter 24 bisher erlebten Paarungen).

Dabei profitierte der zweite Abend von dem Wechsel mancher Partien. So lag die Rolle des Grafen Capulet dem andere Tänzer und Tänzerinnen um mindestens eine Kopfeslänge überragenden Florian Pohl besonders gut. Wie er die Gräfin (Ida Praetorius mit hohen Beinwürfen) im ersten und seine Tochter Julia im dritten Teil bis auf fast drei Meter Höhe hob und trug, war beeindruckend. Schon von seiner Statur her sowie seiner ausdrucksvollen Beziehung zur Tochter war er eher Vater als der Brautbewerber Paris bei der vorhergehenden Vorstellung. Letzterer, dem ein freudiges Lächeln über die Wangen glitt, als die zum Scheintod entschlossene Julia ihm die Zusage zur Vermählung gab, wurde von Illia Zakrevsky überzeugend getanzt.
Matias Oberlin, am Vortag noch als Graf Capulet besetzt, tanzte Mercutio, und das mit der erforderlichen Raffinesse, darstellerisch schillernd zwischen Pausenclown und draufgängerischem Haudegen wechselnd, aber auch die notwendige, ironisch verbrämte, Freundschaftsbeziehung zu Romeo zeigend. Javier Monreal wirkte als Benvolio bei seinen Sprüngen teilweise noch etwas unsicher, Louis Haslach beeindruckte als Tybalt.
Als Escalus, Herzog von Verona, stand der von Demis Volpi vom Ballett am Rhein mitgebrachte und beim Hamburg Ballett jetzt als Erster Ballettmeister eingesetzte Damiano Pettenella auf dem Programmzettel. Wenn ich es aus der Ferne richtig gesehen habe, trat aber nicht Pettenella, sondern wie gestern Lloyd Riggins als Escalus auf. Die Rollen der Amme und von Bianca, der Hure von Mantua, waren wie bei der vorhergehenden Aufführung unverändert eindrucksvoll mit Niurka Moredo und Ida Stempelmann besetzt.

Emilie Mazon, die vor 10 Jahren eine bezaubernde Julia tanzte (mit Jacopo Bellussi als Romeo) war in beiden Aufführungen als zur Theatertruppe gehörende Luciana besetzt. Wenn man genau hinschaut, hat sie viel zu tanzen, bleibt allerdings meist im Hintergrund der Handlung. Zum ersten Mal fiel mir auf, wie schön sie sich auf der Spitze drehte. Das zeichnete sie als Julia oder auch als Dornröschen aus, ihre herausragende Fähigkeit, auf der Spitze die Balance zu halten. Als Bühnenliebhaber Antonio hatte sie den vom Ballett am Rhein nach Hamburg gewechselten Jack Bruce an ihrer Seite. Auch von ihm würde man gern mehr sehen.
Dr. Ralf Wegner, 19. Mai 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Teil III lesen Sie Dienstag, 20. Mai 2025, hier auf klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at.
John Neumeiers Ballett Romeo und Julia Teil I Hamburgische Staatsoper, 16. Mai 2025
Kommentar: Demis Volpi – wie soll es weitergehen? Hamburgische Staatsoper, 15. Mai 2025