Keine CD-Empfehlung: Greller die Glocken nie klingen – Jonas Kaufmanns Weihnachts-Overkill

Jonas Kaufmann,  it’s Christmas!, der Tenor singt 42 Weihnachtslieder  klassik-begeistert.de

„Es geht einem wie bei der Weihnachtsbäckerei: eine zu große Dosis erzeugt Sodbrennen.“

„Niemand kann alles, aber um den Beweis dafür zu erbringen hätte Jonas Kaufmann nicht 42 Weihnachtslieder einspielen müssen. Ein Aufkleber auf dem Album lautet “Jonas Kaufmanns erstes Weihnachtsalbum“. Das klingt ganz nach Plänen für ein weiteres. Bitte nicht!“

Jonas Kaufmann
it’s Christmas!
2 CD
SONY 19439786762

von Peter Sommeregger

Seit der Erfindung der Schallplatte haben viele berühmte Sänger auch Weihnachtslieder aufgenommen, und damit ihre Popularität gesteigert, mit guten Verkaufszahlen als erfreulichem Nebeneffekt. Ich besitze eine etwa 1910 aufgenommene Schellackplatte der legendären Mezzo-Sopranistin Ernestine Schumann-Heinck, auf der sie das traditionelle „Stille Nacht“ mit einer Inbrunst singt, die ihre Interpretation zu einem Ereignis macht.

Es verwundert nicht, dass der gegenwärtig bekannteste Tenor der Welt, Jonas Kaufmann nun ebenfalls dieses lukrative Marktsegment bedient. Das ist sein gutes Recht, und viele, viele Fans werden dieses Doppelalbum zu einem akustischen Blockbuster machen. Die Intervalle zwischen Kaufmanns CD-Produktionen werden allerdings immer kürzer und die Titel nähern sich immer weiter dem Crossover-Bereich. Ganz offensichtlich soll hier die Kuh gemolken werden, solange sie Milch gibt. Dem Tenor, der  aktuell sein Tristan-Debüt vorbereitet, würde man aber vielleicht ein bisschen mehr Besinnung auf Wesentliches wünschen. Der großartige Tenor Rudolf Schock, der seinen guten Ruf durch Dauerpräsenz in seichten Fernsehshows und Operetten ruinierte, sollte Kaufmann ein warnendes Beispiel sein.

Schon beim ersten Durchhören  der insgesamt 42 Titel ist man  irritiert von der Stillosigkeit mit der hier die einzelnen Stücke zusammengetragen wurden, vor allem aber von den ständig wechselnden unterschiedlichen Arrangements der einzelnen Musikstücke. Der Blick ins Booklet zeigt, dass nicht weniger als 12 verschiedene Arrangeure am Werk waren, nicht alle möchte man als Meister ihres Fachs bezeichnen.

Foto: Jonas Kaufmann via Instagram

Auch Kaufmann selbst versucht sich in immer neuen Interpretationsansätzen, einmal auftrumpfend laut, dann wieder weichgespült säuselnd. Verschiedentlich singt er einzelne Töne oder Phrasen im Falsett, was ihm nur bedenklich angestrengt gelingt. „Lasst uns froh und lustig sein“ singt er, unterstützt von St. Florianer Sängerknaben mit einer so grimmigen Fröhlichkeit, dass er fast bedrohlich wirkt. Das mundartliche „Es wird scho glei dumpa“ gelingt ihm authentisch, will aber nicht so recht zu dem Albumtitel „it’s Christmas!“ passen, der doch in Richtung Beliebigkeit zielt. „O Tannenbaum“ gerät ihm so martialisch wuchtig, als wolle er selbigen eigenhändig entwurzeln. „Stille Nacht“ wird dagegen nur gesäuselt, anschließend wird die Reprise (warum?) von „Still, still, still“ von einem Salonorchester verkitscht. Spätestens an diesem Punkt droht ein Zuckerschock, aber das Album hat noch eine zweite CD.

APV_Jonas Kaufmann_1_© Indi Herbst.

Diese ist mehrheitlich internationalen weihnachtlichen Kompositionen vorbehalten. „Adeste, fideles“ singt Kaufmann so heldisch, wie es sich für einen Tenor auf dem Weg zum Tristan anbietet. Der internationale Weihnachtshit von Adolphe Adam „Cantique de Noël“ wird gleich in mehreren Sprachen gesungen, wobei Kaufmann wieder in sein notorisches Quetschen und Pressen verfällt. „Silent night“ gerät ihm anders als im deutschen Original reichlich geknödelt. Das unvermeidliche „White Christmas“ orientiert sich an angelsächsischen Vorbildern, die es aber nicht erreicht. Kaum etwas wird ausgelassen, die Auswahl reicht bis zu Mariah Careys „All I want for Christmas is You“. Da hätte man George Michaels Dauerbrenner „Last Christmas“ auch noch hinzufügen können, hat man aber nicht.

Liest man das Booklet aufmerksam, wird einem die Fülle der an dieser Produktion Beteiligten erst bewusst. Die insgesamt 42 Titel wurden im Dezember 2019, sowie im Juli und August 2020 an drei verschiedenen Orten eingespielt, mindestens drei Produzenten waren dabei federführend. Neben den St. Florianer Sängerknaben ist auch der Bachchor Salzburg, das Mozarteum-Orchester Salzburg unter Jochen Rieder, die Cologne Studio Big Band unter Wieland Reissmann und einige Instrumental-Solisten beteiligt. Das erklärt die Unausgewogenheit des Endproduktes, was wohl als Vielseitigkeit wahrgenommen werden soll, entpuppt sich als etwas schluderiger Gemischtwaren-Laden. Es geht einem wie bei der Weihnachtsbäckerei: eine zu große Dosis erzeugt Sodbrennen.

Foto: © Gregor Hohenberg / Sony Classical

Es wäre Kaufmann und diesem Projekt zu wünschen gewesen, den süßen Brei nicht von so vielen Köchen verderben zu lassen. Ein einzelner, fähiger Produzent und ein einzelnes begleitendes Ensemble hätten mit Sicherheit ein besseres Resultat erzielt.

Niemand kann alles, aber um den Beweis dafür zu erbringen hätte Jonas Kaufmann nicht 42 Weihnachtslieder einspielen müssen. Ein Aufkleber auf dem Album lautet “Jonas Kaufmanns erstes Weihnachtsalbum“. Das klingt ganz nach Plänen für ein weiteres. Bitte nicht!

Peter Sommeregger, 30. Oktober 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

35 Gedanken zu „Jonas Kaufmann, it’s Christmas!, der Tenor singt 42 Weihnachtslieder
klassik-begeistert.de“

  1. An Herrn Peter Sommeregger zu dem Artikel über das Weihnachtsalbum von Jonas Kaufmann…..kann es sein, dass er nicht zu denjenigen gehört, die jemals irgend etwas, was Herr Kaufmann macht, annähernd richtig findet ?
    Es ist zu offensichtlich, ja, man kann fast sagen, dass „Neid“ in den Worten des Verfassers mitschwingt…Neid, weil Herrn Kaufmann alles gelingt was er tut und weil er der gefragteste Tenor unserer Zeit ist. Herr Kaufmann bewegt sich in allen musikalischen Richtungen stilsicher, dies ist anscheinend den Verfechtern der hehren Kunst ein Dorn im Auge. Erinnern Sie sich …er bekam erst kürzlich die Auszeichnung „Klassik ohne Grenzen“.
    Bravo! Herr Kaufmann weiter so !!!!
    Edith Hofmann

    1. Dieser Facebook-Kommentar musste ja von einem eingefleischten Kaufmann–Fan kommen. Peter Sommeregger ist halt anderer Meinung, und das ist sein gutes Recht.

      Magdalena Zweck

      1. Eigentlich ein Kompliment von Herrn Sommeregger, denn nur die Besten rufen den Widerspruch der weniger Guten hervor.

        Waltraud Riegler

    2. Dieser Kommentar musste ja von einem eingefleischten Kaufmann-Fan kommen. Peter Sommeregger ist halt anderer Meinung, und das ist sein gutes Recht.

      Elfriede Schusu

  2. Jonas Kaufmann wird überbewertet. Man höre einmal Fritz Wunderlich, dann weiß man, dass Kaufmann das Lied und den Schlager nicht kann. Seine Stimme ist verbraucht, durch Pressen, Knödeln und Schreien.

    Michael Lehmler

    1. Genauso höre ich es auch, lieber Herr Lehmler.
      Extrem peinlich und unangenehm ist natürlich, dass der Niedergang von Kaufmanns Stimmme
      nun auch deutlich auf dessen unsäglichen CDs sowie durch Fernsehdokumentationen (etwa im ORF zu
      seinem 50. Geburtstag) für die Ewigkeit manifestiert wird.

      Herzlich

      Andreas Schmidt, Herausgeber

  3. Eine wirklich treffende Rezension! Ich muss zugeben, ich hab mir nur wenige anhören „können“ (weil unerträglich). Es tut mir aber wirklich leid, dass Jonas Kaufmann sowas produziert. Ich finde als Opernsänger hat er wirklich Großartiges geleistet und ich habe auch viele Vorstellungen erlebt, die mich fasziniert haben, aber sowas wie diese Christmas Songs mag ich nicht hören.

    Brigitta Helscher

  4. Alles, was Peter Sommeregger schreibt, trifft ohne Einschränkung zu. Der am meisten überbewertete Tenor unserer Zeit leistet sich Kitsch as Kitsch can, unterstützt von seinen gierigen Produzenten. Dabei werden alle Mankos dieser Stimme überdeutlich.
    Man höre einmal die Kultur eines Beczala oder Bernheim. Und richtig: Man erinnere sich an Wunderlich, der für Generationen gezeigt hat, wie man richtig singt. Bei Kaufmann fehlt alles Natürliche. Gedrückt, gepresst, vergewaltigte Töne, Maniriertheit, falsche Piani, dauernde Flucht ins Falsett usw. usw. Getragen von vielen weiblichen fans, die dem Äußerlichen und den Löckchen erlegen sind, mon dieu, wird es Kaufmann noch eine Weile machen. Ein Ende der Karriere wie bei Domingo bleibe uns aber erspart.
    Affreux, sagt man in Frankreich, schrecklich.
    Franco Bastiano

  5. Kaufmann sang Mozart in sehr frühen Jahren ausgezeichnet. Dann verließ er Mozart. Ein großer Fehler. Dann geriet er an „Lehrer“ wie Metternich und Rhodes, die nur Bulldozerstimmen bedienen konnten. Zweiter großer Fehler. Der dritte waren die ständig übervollen Terminkalender und das Alles-singen-können-wollen. Viertens: Nach einer kurzen Phase, in der man hoffen konnte, es gelingt nochmal – Werther –, verließ er das gelungene französische Fach um sich dann vom Verismo à la Chénier, Manrico, Alvaro und am Ende gar, höchst unselig, Otello, die Stimme völlig ruinieren zu lassen
    Und Werther ist weit über zehn Jahre her. Seidem geht es kontunierlich stimmlich bergab. Da nützt auch eine hin und wieder passable Vorstellung nichts.

    Robert Forst

  6. Da tauchen, wenn es um Kaufmann geht, einige Herren regelmäßig wie das Krokodil im Kasperletheater auf und äußern immer dieselben Weisheiten. Eigentlich schon ein wenig erheiternd.

    Simon Mortena

  7. Wahrheit wird auch nicht durch Wiederholung weniger wahr. Ertragen Sie es! Kaufmann wäre, ohne die Damen und das gute Aussehen, an einem großen Stadtdtheater geblieben.

    Jan de Turovski

  8. Wenn es nur an den Löckchen liegt, warum haben dann nicht alle gut aussehenden Sänger so viel Erfolg? Ich kenne diese CD nicht, kann sein, sie ist nicht so gut. Aber ich kenne viele andere, habe Kaufmann ein paar mal auf der (Kino-)Opernbühne und bei zwei Konzerten live erlebt: Es gibt ganz wenige Sänger, die ihren Atem so perfekt beherrschen und so lange Phrasen auf einem Atem singen können. Wenn an der Gesangstechnik etwas nicht in Ordnung oder die Stimme ruiniert ist, kann man das nicht. Alles andere ist Geschmackssache.

    Karin Maack

    1. Ach, Frau Maack, der lange Atem, die langen Phrasen, in den letzten Opern die Kaufmann sang, war man froh, dass er den letzten Akt kräftemäßig noch schaffte, da hören Sie bitte mal Meli, Beczala, Bernheim, Flórez (die perfekteste Atembeherrschung überhaupt, ebenso Intonation Prasierung etc.). Kaufmann hatte den Zenit schon vor zehn Jahren überschritten … Wer soviel falsch macht, muss sich nicht wundern.
      In den Serienkonzerten rettete sich Kaufmann oft gerade noch über die Zeit. Kein Glanz mehr, kein echtes Piano. Nein, Frau Maack, ich empfehle Ihnen einen Hörtest.

      Robert Forst

      1. Ach Herr Forst, Meli wirkt in letzter Zeit ziemlich schwächlich, Beczala wird gegen Ende einer Oper immer müde, obwohl er nur herumsteht auf der Bühne, und Flórez kommt seine Atembeherrschung schnell abhanden, wenn er glaubt, er müsse Verdi oder gar Puccini singen. Dass sich Jonas Kaufmann gerade noch über die Zeit rettet bei Konzerten, ist eine seltsame Bemerkung (höflich gesagt), bedenkt man seine Großzügigkeit bei Zugaben – zuletzt 7. Manchmal dauern die Zugaben genausolang wie das Konzert. Nein Herr Forst, ich empfehle Ihnen konkretere Informationen statt Fakenews.

        Simon Mortena

        1. Meli hat zuletzt mit seinem Riccardo neue Masstäbe gesetzt. Da waren sich die kompetenten Kritiker weltweit einig. Nicht nur mit seinem Riccardo. Beczala für Regiefehler verantwortlich zu machen ist unfair. Er gehört zum Besten und Zuverlässigsten an Tenören weltweit. Diktion und saubere Höhen sind makellos. Sein Lohengrin war außergewöhnlich. Flórez aus dem Keller anzugreifen zeugt nicht davon, dass Sie von Gesang etwas verstehen. Zunächst: Er hat den Rudolfo und den Alfredo gesungen. Und das sensationell. Hier kommen leggero und Jugendlich-Dramatisches bestens zum Tragen. Siehe auch sein beispielhafter Edgardo. Verdi singt er nicht, außer in zwei drei leichteren Arien, die er perfekt beherrscht. Er hat nie bei der Menge seiner Auftritte, bei der Rollenwahl Fehler gemacht. Ein einziges Mal hat er nach drei Vorstellungen den Herzog von Mantua zurückgestellt. Seine Stimme klingt wie die eines Mittdreißigers. Er ist der perfekteste und zu Recht höchstbezahlte Tenor der Gegenwart. Zuverlässig und unangreifbar wie ohne Ausnahme die ernstzunehmenden Kitiker ihm bescheinigen. Absagen wie die eines Kaufmann? So gut wie nie. Organisch hat sich die Stimme entwickelt und hat heute viel Bronze, Körper und Virilität. Und Flórez beherrscht zudem das Leichte der folkloristischen Lieder ohne dass es aufgesetzt wirkt. Hören Sie mal den Kitsch von Kaufmanns Weihnachts-CDs. Schlimm das Ganze und die Arrangements (für die er nichts kann aber sicher abgesegnet hat) sind ein Ausbund an Hollywood-Zuckerguss. Das braucht kein Mensch.

          Robert Forst

          1. Lieber Herr Forst: Meli und Riccardo, nicht neue Maßstäbe aber ausgezeichnet; dafür hat er die nötige Flexibilität und Leichtigkeit in der Stimme, eine ausgefeilte Technik. Leider singt er auch Dramatischeres, Radames, Trovatore oder Puccini, da geht er oft unter, wird extrem langweilig und eintönig, weil ihm die Farben in der Stimme fehlen.
            Seit wann ist das ziemlich linkische Herumstehen und Gestikulieren von Beczala ein Regiefehler? Er ist schlicht nicht bereit, eine Rolle zu interpretieren, sondern möchte immer der positive Tenorheld, Prince Charming auf der Bühne sein. Alte Tenortradition: stand and deliver. Zugegeben eine schöne Stimme, die viele mögen, nicht zu hell nicht zu dunkel, sauber gesungen, leider inzwischen schon etwas gepresste hohe Töne. Alles in allem schöne Noten, keine Gestaltung, kein Konversationston in Duetten, nur Deklamation, und ärgerliche (für mich) Larmoyanz, wenn er Gefühl ausdrücken will. Alles klingt gleich. Übrigens genügend Absagen in den letzten Jahren, nur steht das höchstens in der Lokalpresse und wird nicht weltweit breitgetreten.
            Flórez in seinem ursprünglichen Fach sicher der perfekteste, präziseste Sänger. Aber Edgardo, Alfredo, Rudolfo, nein, da gingen die Meinungen auseinander. Da konzentriert er sich auf die hohen Passagen, holt sich den Jubel und den Rest singt er eben so. Die Stimme ist viel zu schmal, um ein breites emotionales Ausdrucksspektrum zu erzielen, das er für Verdi oder Puccini benötigt. Ästhetischer, disziplinierter Schöngesang, aber das Nessun dorma wird bei ihm eher zur Karikatur. Virilität habe ich da wirklich nicht gehört. Das Folkloristische dagegen klingt wirklich sehr gut.
            Dass Sie bei Kritikern immer „kompetente“, „ernstzunehmende“ betonen, bedeutet wohl, dass Kritiker, die nicht mit Ihnen übereinstimmen, keine kompetenten etc. Kritiker sind.

            Simon Mortena

  9. Nachtrag: La Traviata (natürlich Verdi) singt er (Flórez) und ein paar leichtere (scheinbar leichtere) Arien von Verdi. In Traviata singt er Arie und Rezitativ Lunge da lei … , für die man eigentlich zwei Stimmen braucht, mit der nötigen Helligkeit, Leichtigkeit und Wut. Die anschließende Stretta singt er zweifach mit dem notierten hohen C makellos und mit der nötige Verdi-attacca. Das können nur sehr wenige. Und oft wird die Stretta O mio rimorso weggelassen, weil viele Tenöre sich nicht trauen oder schlicht, wie Kaufmann oder Domingo seinerzeit, kein echtes hohes C besitzen und besaßen. Beide Herren transponierten das H gern und der Laie hört ja nicht alles.
    Und natürlich wird Flórez immer als strahlender Tenor ohne gutturale Einfärbungen und ohne Vokalverfärbungen und Flucht ins Falsett wie bei Kaufmann auf den Bühnen der Welt erscheinen. Kaufmann im Duett mit einem Bariton wie in seinem ihn völlig überfordernden Otello, konnte man dann von Jago kaum unterscheiden. Unsäglich. Gregory Kunde, der in London ebenfalls Otello sang, sang Kaufmann mit 64 Jahren!! glatt an die Wand.

    Robert Forst

  10. Korrektur: Kaufmann sang in der Pariser Inszenierung natürlich die Stretta zweifach und am Ende, wütend von der Bühne stürmend und mit dem Rücken zum Publikum, ein langes strahlendes hohes C, also ohne sich schon 10 Sekunden vorher darauf vorzubereiten. Auf der Weihnachts-CD kommt auch ein hohes C vor und ganz sicher nicht im Falsett. Was soll übrigens ein „echtes“ hohes C sein? Ein C ist ein C und ein H ein H. Nicht alle Laien sind so unmusikalisch und nicht alle Profis haben ein absolutes Gehör bzw. singen immer richtig (leider gibt es davon genug auf der Opernbühne, Sie erwähnen da einen in Ihrem letzten Kommentar). Was aber besonders ärgerlich ist: hier gerieren sich einige ständig als Experten, indem sie immer die gleichen Klischeeschlagworte absondern, aber ganz offensichtlich zum Beispiel nicht zwischen Piano und Falsett unterscheiden können, obwohl es auch für einen Laien nicht allzu schwer sein sollte. Im Übrigen wusste ich nicht, dass „2 Otelli“ gleichzeitig auf der Bühne stehen, von wegen „an die Wand singen“. Das ist außerdem für mich kein Qualitätsbeweis eines Sängers, Schreihälse gibt es genug, differenziert und ausdrucksstark ist mir lieber. Wenn Sie einen Bariton und einen dunkel timbrierten Tenor nicht unterscheiden können, liegt das an Ihren Ohren bzw. am Gehirn, in dem die Höreindrücke verarbeitet werden, und nicht am Sänger.

    Simon Mortena

    1. Lieber Herr Mortena,

      vielleicht mögen Sie uns einmal mitteilen, was Ihnen an den Weihnachts-CDs gefällt? Gefällt Ihnen Kaufmanns Timbre, seine Klangfarbe?
      Können Sie Unsauberkeiten und Fehler hören? Hören Sie sich diese CDs gerne an? Wie geht es Ihren Verwandten, Freunden und Bekannten, wenn sie diese CDs hören? Wie beschreiben diese Menschen die Stimme von Jonas Kaufmann? Fühlen sie sich wohl, wenn sie diese CDs hören?

      Herzlich

      Andreas Schmidt, Herausgeber

      1. Lieber Herr Schmidt,

        was ich antworten kann ist: Eine Weihnachts-CD ist für mich kein Gesangswettbewerb, bei dem ich einen Sängern runtermache oder hochjuble, sondern Begleitmusik an Feiertagen. Fehlerlos gesungene Weihnachtslieder sind ein Graus, genauso wie eine im schönsten Theaterdeutsch deklamierte Weihnachtsgeschichte. Ich habe in den letzten Jahrzehnten genug Weihnachtslieder von Opernsängern wie Opernarien zelebriert gehört, zum Davonlaufen (für Sie wahrscheinlich fehlerlos), völlig unangemessen, insofern fand ich Kaufmann sehr angenehm. Ja, mir gefällt sein dunkles Timbre; ich bin an sich kein Tenorfan, ich liebe Baritone und manchen Bass. Ich habe aber auch nie ein Problem gehabt, seine Stimme von einem Bariton zu unterscheiden, ich kann eine derartige Schwierigkeit überhaupt nicht nachvollziehen. (…) Mit Mehrheiten bei K. zu argumentieren halte ich nicht für sehr geschickt.

        Simon Mortena

  11. Kaufmann besaß noch nie, wie auch Domingo, ein echtes brustgestütztes hohes C. Domingo reiste Sony oft nach, um ein beinahe-C einzufangen, dass man dann ver-edelte und in Aufnahmen einbaute. Das kann man sogar hören.
    Gregory Kunde ist einer deraußerordentlichsten Tenöre, immer noch. In London war er mit 63 in Otello neben Kaufmann besetzt und sang auch einige Vorstellungen. Sein Otello ließ Kaufmann weit zurück. Kunde hat eine außerordentliche Entwicklung genommen. Er ist der einzige Sänger, der die beiden Otellos adäquat sang, den von Rossini (tenore leggero) und den von Verdi.
    Mit 65 sang er immer noch hervorragend den Otello. (Verdi)
    In Parma, wo das gefürchtetste Publikum agiert, ist Kunde gefeiert worden wie selten ein Sänger.

    Jan de Turovski, Paris V

    1. Lieber Herr de Turovski: Es wird immer alberner. Von Domingo war hier nie die Rede. Für das C von K. gibt es genug Belege auf Live-Tonträgern. Allerdings gehöre ich nicht zu den Stimmfetischisten, die in einer Oper nur auf das hohe C warten und alles andere links liegen lassen. Wie traurig ist das für manche, wenn das Vergnügen in einer Oper nur aus ein paar Sekunden besteht. Beide Otellos zu singen ist für mich noch kein Qualitätsmerkmal, wir sind hier nicht bei einem sportlichen Mehrkampf. Entscheidend ist, wie er singt. Schön, wenn Gregory Kunde Ihnen gefällt. Für mich singt er laut, unsauber, anschleifend, undifferenziert, mit einer unangenehmen Stimme. Gut, die Stimme ist subjektiver Geschmack, der Rest ist für mich mangelnde Qualität und zielt im Herausstellen der Höhen nur auf ein bestimmtes Segment im Opernpublikum. Oper ist Musiktheater und nicht Abliefern von lauten, hohen Tönen – und dann noch unsauber. Ihm zuzuhören ist für meine Ohren Folter.

      Simon Mortena

    2. Es tut mir für die eingefleischten Kaufmann-Fans wirklich leid, aber was der gute Jonas am Fließband produziert von CDs über Wien, Bella Italia oder den Weihnachts-Overkill, nicht zu Vergessen die Pseudo-Doku auf Netflix samt Koch-Session und Interview à la Judith Williams, ist an Krampf und Fremdschäm-Charakter (auch sein Gestikulieren in Konzerten) kaum zu toppen… sorry ich schalte ab oder höre weg.

  12. Kaufmann sang wohlgemerkt 2007 die schrecklich inszenierte Traviata in Paris. Da sind 13 jahre her. Er sang die Arie „Lunge da lei …“ durchweg zu tief angelegt. Ebenso die Stretta: „O mio rimorso …“, und die sang er EINFACH und mit einem nur schwachen, angerissenen C, das eher ein hochgedrücktes H war. Und damals war er noch vor den Stimmkrisen. Ich habe die Pariser Aufführung gesehen. Ich lebe da und muss immer wieder Vorstellungen (und nicht nur da) besuchen, die nicht unbedingt nach meinem Gusto sind.
    Also Herr Mortena. Bitte keine Falschmeldungen verbreiten.
    Franco Bastiano
    P.S.: Das Tempo der Arie und der Stretta ist von Verdi schneller notiert als in Paris gegeben. Das ist dann wohl Kaufmanns Möglichkeiten zuliebe so geschehen, denn ansonsten stimmten die schnelleren Tempi.

    1. Lieber Herr Bastiano: Dann haben Sie wohl eine andere Vorstellung als ich gehört. Ihr Gehör scheint auch ein anderes zu sein. Über meines konnte ich mich bisher nie beklagen.

      Simon Mortena

  13. Ich stimme mit dem Stimmendisponenten Franco Bastiano (seit 40 Jahren) völlig überein.
    Zu Gregory Kunde: Er war ein sogenannter Rossini-Tenor von Weltruf.
    Er entwickelte sich zu einem virilen Spinto von Weltruf. In den Jahren 2018 – 2020 sang er allein Otello (Verdi) 32!! mal. Kaufmann kommt in dieser Zeit auf 8 Vorstellungen. Er hat wohl eingesehen und auch die Opernhäuser, dass Otello eine Nummer wenn nicht zwei zu groß ist. In London, mit Kaufmann alternierend, erhielt Kunde die besseren Kritiken. Kunde ist derart geschätzt, dass er, von Konzerten abgesehen, in 18 weiteren (vorwiegend italienischen) Rollen sehr häufig auftrat.
    Kaufmann kam in der gleichen Zeit auf 11 Opern. Dass Kunde heute den Rudolfo und den Manrico oder Otello adäquat innerhalb einer Woche singen kann, macht ihm niemand nach. Sehen Sie sein unglaubliches Dio mi potevi scagliar … aus Otello in einem Parma-Konzert auf Youtube. Das sagt alles. Parma hat das kundigste und gefürchtetste Publikum überhaupt. Kunde ist 65!!

    Robert Forst

  14. Wie lange wollen Sie diese Komödie noch weiterführen? Was Herr Bastiano ist, interessiert mich nicht, ich gehe hier auch nicht mit meinem Beruf hausieren. Mit Behauptungen über Kritiken kann man nichts beweisen, die schlechten werden von Ihnen gezählt, die guten ignoriert. Was soll’s. Seit wann ist das Zählen von Vorstellungen ein Qualitätsbeweis? Üblicherweise dient eine große Anzahl von Auftritten eher dazu, den Sänger zu rügen, weil er nicht pfleglich mit seiner Stimme umgeht! Liederabende vergessen Sie übrigens, wie Sie und die Herren Bastiano und Turovski überhaupt nur bei Kaufmann auftauchen, andere musikalische Interessen scheinen Sie nicht zu haben. Sie wiederholen ständig die gleichen Behauptungen, auf Kritikpunkte gehen Sie gar nicht ein. Kunde singt höchst unsauber, schleift die Töne an, singt undifferenziert laut, interpretiert nicht; für mich ist das kein guter Sänger. Wenn Sie falsche Töne (und wenn sie noch so hoch klingen) und zu tief angesetzte und hochgezogene Töne nicht stören, dann ok, dann habe ich dazu weiter nichts zu sagen.

    Simon Mortena

  15. Jaaa!! Gregory Kunde Dio mi potevi scagliare (con bis) Parma 17/10/2014
    Das ist Verdi, das ist Otello, er musste es wiederholen. In Parma, kommt da so gut wie nie vor … Ein Amerikaner, ein Otello mit Seltenheitswert!
    JdT

    1. Diesen Monolog wiederholen?
      Das ist wohl der Gipfel an Geschmacklosigkeit eines Publikums.
      Wie wäre es mit Applaus nach Amfortas, die Wunde?

      Emil Katz

  16. Man hat leider gemeint, mich mit den Weihnachts-CDs von Jonas Kaufmann beglücken zu müssen. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, sie mir ganz anzuhören. Arger Kitsch. Aber vielleicht war es für Jonas Kaufmann ein Mittel, halbwegs durch die Coronakrise zu kommen. Wäre doch irgendwie verständlich, oder?
    Ich persönlich bin sehr dankbar, Jonas Kaufmann in Paris als Lohengrin und Werther, in Wien als Mario und in München als Don Alvero erlebt zu haben. Seine samtene Stimme (trotz Knödelns) und seine Bühnenpräsenz bleiben mir unvergesslich.

    Ingrid Picchioli

  17. …..tatsächlich habe ich anfangs Stimme und Karriere von Herrn Kaufmann positiv und interessiert verfolgt. Allerdings bin ich mittlerweile mit Stimme, Rollenprofil und Management des Sängers lange nicht mehr einverstanden. Grundübel ist u.a. die nicht sitzende Naturstimme, die auch diese völlig divergierenden Kommentare erst möglich macht. Eine gute und gut geführte Naturstimme, über alle Register, gefällt und ruft nicht diese diametral unterschiedlichen Auffassungen hervor. Timbre, Squillo, Klang, sind durchaus dem persönlichen Geschmack zuzuordnen. Technik und Stimmführung sind und bleiben Ausbildungsinhalte, von deren Erfolg eine möglichst lange Karriere abhängen. Mir scheinen im Fall von Herrn Kaufmann wirtschaftliche Interessen mittlerweile die vokalen Grenzen dieses Sängers außer Kraft setzen zu wollen.
    Das Auge isst man mit, ist man versucht zu sagen. Was wiederum Geschmacksfragen anspricht.
    Was zuletzt zu hören war, u.a. zu Weihnachten, war nicht nur nicht überzeugend, vielmehr ein deutlicher Hinweis auf die Substanzschwächen der Stimme. Im eigenen Interesse müßte Herr Kaufmann sein Rollenprofil ernsthaft überdenken. Stattdessen bezeichnet er selbst(!) seine Stimme als in der Corona-Zeit noch besser geworden. Es gibt hier viele, die ihm das Gegenteil attestieren werden. Sein Versuch mit Schumann und der „Dichterliebe“: Wer hat ihm diesen Rat gegeben?
    Sein letzter Ausflug ins quasi hochdramatische Fach – Die tote Stadt- hat ihn, gleichwohl sehr respektabel, über die Grenzen seiner Stimme gebracht. So meine anwesende Gesangslehrerin. Eine Stimme hat immer Reserven auszustrahlen, so ein Großer seines Fachs. Wo die 100% hörbar werden, singt einer mit dem Kapital, nicht mit den Zinsen seiner/ihrer Stimme. Herr Kaufmann hat weder die Stimme für den Otello, noch den Tristan. Wer diese Rollen erst im fortgeschrittenen Tenor-Alter wagt, zeigt das nur zu deutlich. Die Hopfs und Beirers, die Vickers und all die Großen ihres Fachs hätten ihm geraten, „lassen Sie das“. „ Ei nun, er wagt´s.“ Daraus ein „Versungen und ganz vertan“ zu machen, ein kleiner Schritt. Kein Meistersinger, jedoch ein Meister des Kaschierens.
    Herr Kaufmann hatte mir tatsächlich Hoffnung auf einen wirklich großen Tenor gemacht. Mittlerweile sind diese Hoffnungen vorbei. Der Markt hat übernommen. Björling, Corelli, del Monaco und di Stefano haben keine Nachfolger gefunden.

    Konrad Messerer

  18. Ich habe das alles durchgelesen und finde wieder mal, dass sogenannte Experten sich in einer Art aufregen können, die letztlich der Kunst unangemessen ist. Auffallend, dass man sich fitzelig in stimmtechnische Spezialitäten vertieft, die einen normalen Menschen nicht interessieren. Und für die wird Kunst gemacht, nicht für Gesangslehrer. Menschen sind verschieden und DAS drückt sich auch in Stimmen aus. Und das ist nicht nur die Stimme, es ist immer auch der Ausdruck, die Darstellung, das Erfassen des Wesentlichen. Oft geht das sogar OHNE schöne & richtige Töne. Herrn Simon Maternas Argumenten kann ich oft zustimmen…

  19. Kunst wird für alle gemacht, auch für die, die etwas von Gesang und Gesangstechnik verstehen. Dass Menschen und Stimmen verschieden sind, ist eine Binsenwahrheit. Was bleibt ist die Forderung: Grundlage muss Gesangsvermögen und Stimmtechnik sein, das Handwerkszeug auf dem alles beruht. Das muss man ertragen. Lieschen Müller ist hier nur am Rande gefragt.

    Robert Forst

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