Julia Fischer und Jan Lisiecki © Sebastian Madej
Zehn Sonatensätze, zwei Zugaben, zwölf Mal Applaus, so die Bilanz in der Hamburger Elbphilharmonie. Julia Fischer liefert eine mühelose wie brillante Paradeleistung der klassisch-romantischen Geigenkunst, leider setzte ein Teil des Elphi-Publikums drei übereifrige Marken mitten in die Schumannschen Spannungsbögen!
Julia Fischer, Violine
Jan Lisiecki, Klavier
Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und Robert Schumann
Elbphilharmonie, Hamburg, 7. November 2024
von Johannes Karl Fischer
Während das begeisterte Klatschen in Mozarts leichtherziger B-Dur-Sonate noch die gute Laune dieser luftigen Musik verstärkte, schien das Publikum spätestens mit Schumanns intensiven Klängen die energetische Spannung der Melodien fast schon zu durchbrechen.
Die emotional brennende, von Julia Fischer und ihrer Geige in den Saal strahlende Wärme ist kaum verklungen – und es folgt… Applaus? Was kommt denn als nächstes, wird hier etwa in die kaum hörbaren, ewig ersterbenden Mahler-Schlussklänge hineingeklatscht?
Sorry, aber anders kann man das nicht beschreiben: Gerade nach diesem emotionalen Strudel der künstlerischen Romantik verlangt die Musik eigentlich nach einem Moment der magischen Stille… nicht ohne Grund lassen viele Musiker die Schlusssätze oft noch ein paar Atemzüge lang in der Luft liegen. Quasi überall anders funktioniert das auch, selbst in der sehr applausfreudigen Konzertlandschaft der USA einigermaßen. Schade.
Naja, egal, Julia Fischer ließ sich dadurch nicht ablenken und breitete die sanften Flügel ihrer schwebenden Violine weit über den sich durch den Saal webenden Elphi-Rängen aus. Besonders die federleichten, doch warm klingenden Mozart-Melodien wurden zu einer regelrechten Lehrstunde der heiligen Violinkunst. Noch nie hat diese Musik mit so viel Wärme, so viel musikalischer Liebe meine musikalische Seele berührt. Die Melodien flossen mit einem süßen, auf der Zungen zergehenden Klang durch die Luft, wie eine fein schmeckende, kunstvoll verzierte musikalische Praline.
Auch die im nicht weniger sonnigen Es-Dur geschriebene Beethoven-Sonate ließ Frau Fischer mit viel Wärme im Saal strahlen. Die Energie nimmt spürbar zu, doch unmerklich führt sie das Publikum heran in die tieferen Emotionen ihrer fortschreitenden musikalischen Erzählung des Abends. Auch über die langsam aber sicher immer virtuoser vorbeifließenden Noten schwebt sie in mühelos lang gezogenen Bögen, besonders im heiteren Schlusssatz konnte sie ihre Begeisterung für diese Musik voll entfalten.
Nach vierzig viel wohltuenden und viel zu kurzen Minuten war die erste Hälfte auch schon wieder vorbei. Im zweiten Teil stürzte sich Frau Fischer dann mit viel dunkler G-Saite in die ganzen Tiefen der Schumann-Melodien.
Auch hier brillierte ihr strahlender Klang souverän durch den Saal, wie ein musikalischer Sog nahm sie das Publikum in die ganzen Breiten dieser Musik hautnah hinein. Die immer intensiver klingende Musik schien unaufhaltsam ins musikalisch Unendliche zu wachsen, auch an der Spitze dieses Schumann-Gipfels zeigte sich Frau Fischer völlig unbeeindruckt ihres musikalischen Triumphzugs. Das Publikum entbrannte stets in flammende Begeisterung, leider wie angemerkt etwas zu oft.
Bei Julia Fischers überragender Geigenleistung sollte natürlich auch der Pianist des Abends, Jan Lisiecki, nicht außen vor gelassen werden. Seine ebenso mühelosen, durchgehend federleichten Klavierklänge lieferten das perfekte Klangpolster für die Frau Fischers stets umschwärmende Geigenmelodien, sein per se deutlich mächtigeres Instrument ließ er meisterhaft mit den himmlischen, hellen Streicherseiten verschmelzen.
Völlig zu Recht bekamen beide einen ausgewogenen, dennoch begeisterten Applaus!
Zu einem Highlight des Abends wurde das unter den Zugaben fast schon obligatorische FAE-Sonatenrondo. Hier tobten sich Geige und Klavier nochmal so richtig aus und ließen das Publikum in Brillanten Brahms-Klängen regelrecht baden gehen!
Summa summarum, eine überaus souveräne Paradeleistung der klassisch-romantischen Violinkunst wurde leider überschattet von übereifrigem Publikumsapplaus.
Eigentlich könnte man da auf der Bühne ruhig auch mal ein Zeichen oder gerne auch eine Notiz im Programmheft setzen… gerade die Schumann-Sonate ist eindeutig ein vierteiliges Gesamtkunstwerk und nicht eine Sequenz an vier einzelnen Sonatensätzen. Naja, sowas sei jedem selbst überlassen…
Johannes Karl Fischer, 9. November 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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CD-Rezension: Jan Lisiecki Complete Piano Concertos klassik-begeistert.de, 3. März 2024