Concertgebouworkest o.l.v. Klaus Mäkelä Photo: Marco Borggreve
Stimmung und Blumenschmuck im Amsterdamer Concertgebouw am vergangenen Freitag hatten wirklich alles von einem festlichen Antrittskonzert. Dabei wird Klaus Mäkelä erst 2027 zum Chefdirigenten gekürt.
Amsterdam, Concertgebouw, 19. August 2022
Kaija Saariaho (*1952) – Orion (2002)
Gustav Mahler (1860-1911) – Sinfonie Nr. 6 in a-Moll („Tragische“)
von Brian Cooper, Bonn (Text und Fotos)
Was war das nur für ein grandioses Antrittskonzert am vergangenen Freitag in Amsterdam!
Nun, ein Antrittskonzert im strengen Sinne war es nicht, wenn man das Kleingedruckte liest, doch immerhin war es das erste Konzert von Klaus Mäkelä mit dem Concertgebouworkest nach Bekanntgabe der Nachricht, dass er ab 2027 dessen Chefdirigent wird. Wohlgemerkt erst der achte seit der Orchestergründung im Jahre 1888.
Bis dahin bleibt Mäkelä dem Orchester ab dieser Spielzeit als „artistiek partner“ eng verbunden; eine salomonische Lösung, denn schließlich will man nicht die beiden europäischen Spitzenorchester in Paris und Oslo verstimmen, an deren Spitze der erst 26jährige Finne noch steht.
Es könnte der Beginn einer neuen Ära in Amsterdam werden.
Die Stimmung im Amsterdamer Concertgebouw am Freitagabend hatte auch wirklich alles von einem Antrittskonzert. Man spürte bereits beim Betreten des Saals eine besondere Atmosphäre; selbst der Blumenschmuck war beeindruckender als sonst.
Die Amsterdamer Sommerkonzerte sind eine abwechslungsreiche Reihe, die dank eines potenten Sponsors – früher ein Spezialist für Ässet Mänätschment, jetzt eine Lotterie – Karten zu moderateren Preisen als sonst möglich macht. Da kann man sich dann auch als Angestellter im öffentlichen Dienst mal einen Platz auf dem Balkon genehmigen, wo Karten sonst einen dreistelligen Betrag kosten.
Die Karte meiner an Covid erkrankten Lebensgefährtin ging an eine Dame, die mir versicherte, noch Willem Mengelberg live erlebt zu haben. Wahrscheinlich liegt es an meinem mehr als unzureichenden Niederländisch, aber so alt sah sie nun wirklich nicht aus!
Ursprünglich war Schostakowitschs Leningrader vorgesehen, doch Mäkelä dirigierte stattdessen Zeitgenössisches – Kaija Saariahos dreisätziges, groß besetztes und unbedingt hörenswertes Werk Orion – und nach der Pause Mahlers Sechste.
Das sind gleich zwei wichtige Statements: zum Einen die Pflege der neuen und neuesten Musik, und zum Anderen die Weiterführung der bedeutenden Mahler- und Bruckner-Tradition dieses Spitzenorchesters.
Mäkelä wählte für die beiden Binnensätze der Sechsten die etwas seltenere Satzreihenfolge Andante – Scherzo, die auch mir persönlich lieber ist, und zwar aufgrund der Ähnlichkeit des stampfenden Scherzobeginns mit jenem des Kopfsatzes. Und vom langsamen Satz bleiben vor allem die traumwandlerisch sicheren Hornsoli von Katy Woolley in der Erinnerung haften. Was für ein Glück, eine solche Musikerin in den Reihen des Orchesters zu haben!
Der Kalauer, am Konzert gebe es „nix zu mäkelä“, sei hier einmal und nie wieder bemüht. Der Klang des Concertgebouworkest war nämlich wie zu allerbesten Zeiten. Die „samtenen Streicher“, das „goldene Blech“, wie man oft in Programmheften liest, dazu das fabelhaft aufgelegte Holz: All das kam am Freitag zu einer perfekten Symbiose zusammen. Es war ein Abend voller Magie.
Vorweg wurde Kaija Saariahos Orion gespielt, ein (atmo)sphärisches Werk, das durch fabelhafte Orchestrierungskunst und spannende Klänge beeindruckt. Wenn es so gespielt wird wie hier, möchte man es gleich nochmal hören. Mäkelä bewies hier wie auch bei Mahler einen erstaunlich flüssigen und sicheren Dirigierstil, alles sehr fluid, sehr gut nachvollziehbar, sehr stringent, und das Wunderbare dabei war, erleben zu dürfen, wie in Altbekanntem – in diesem Fall Mahler – immer wieder Neues zu entdecken war, was für mich stets ein Indiz für ein großes Konzert ist.
Denn genau das ist ja das Wunderbare an der sogenannten „Klassik“: Lange und komplexe Werke, für deren Entdeckung ein Leben eigentlich nicht ausreicht, kann man an guten Abenden neu hören und entdecken.
Ich freue mich schon auf Köln. Dasselbe Programm Ende des Monats. Am Abend zuvor gehe ich zum Psychiater: Philippe Herreweghe dirigiert dasselbe Orchester in Haydns Schöpfung. Eine hervorragende Idee der KölnMusik, beide Konzerte ins in diesem Jahr besonders herausragende Abo „Internationale Orchester“ zu packen.
Zwei Abende mit dem Concertgebouworkest: Was für ein Saisonbeginn! Erstaunlicherweise sind beide Kölner Konzerte bislang nicht besonders gut verkauft. Kinder, Kölner, kauft Karten!
Dr. Brian Cooper, 23. August 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Oslo Philharmonic, Klaus Mäkelä,Jean Sibelius Sinfonien Nr.3 und 5 Elbphilharmonie, 1. Juni 2022
Oslo Philharmonic, Klaus Mäkelä, Jean Sibelius: Sinfonien Nr. 2 & 4 Elbphilharmonie, 31. Mai 2022
Oslo Philharmonic Klaus Mäkelä,Jean Sibelius Elbphilharmonie, 30. Mai 2022
Bravo! Da ich nicht im Konzert war, kann ich nur die Rolle des Zeitungslesers einnehmen und hab mir beim Lesen sofort gedacht, mein Gott, und ich hab geglaubt, die Zeiten in denen solche Artikel im Feuilleton erscheinen, sind lange vorbei! Vor einigen Monaten dirigierte Mäkelä in München Mahler 1. Unvergesslich! Da waren sich Orchester, Publikum und Presse einig! „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“-Artikel werden Mäkeläs Zukunft und seiner Karriere nichts anhaben können! Die Zukunft der Printmedien mit Beiträgen wie diesem sehe ich da weniger rosig!
Thomas Klein
Lieber Herr Klein,
ein verspäteter Dank für Ihren freundlichen Kommentar. Es gibt da noch einen jüngeren Finnen, Tarmo Peltokoski, wie Klaus Mäkelä Panula-Schüler und gerade in Bremen und Rotterdam als Gastdirigent verpflichtet.
Mal sehen, was in den kommenden Monaten und Jahren über ihn geschrieben werden wird. „Weil nicht sein kann, was nicht sein darf“-Artikel, wie Sie das schön formuliert haben, sind wohl unumgänglich.
Ich freue mich darauf, ihn im kommenden Jahr mit den Bremern zu erleben.
Beste Grüße,
Brian Cooper