Das Kammerkonzert der StipendiatInnen der NDR Akademie überzeugt begeisterte Zuhörer

Kammerkonzert der StipendiatInnen der Akademie des NDR Elbphilharmonie Orchesters  Rolf Liebermann Studio Hamburg, 29. Mai 2022

Foto: StipendiatInnen der NDR Akademie; Foto Patrik Klein

Rolf Liebermann Studio Hamburg, 29. Mai 2022

Mozart, Anderson und Tschaikowsky erklangen im Rolf Liebermann Studio

von Patrik Klein

Die Akademie des NDR Elbphilharmonie Orchesters Hamburg feierte in diesen Tagen ihr zehnjähriges Jubiläum. Klassik-begeistert berichtete bereits ausführlich und interviewte die Hornistin Lucie Krysatis und den Geschäftsführer der Akademie Jens Plücker.

Den Link zu dem bereits erschienenen Artikel finden sie hier:

Interview NDR Akademie, Lucie Krysatis und Jens Plücker Klassik – Klassik begeistert (klassik-begeistert.de)

Wie man auch diesem Artikel entnehmen kann, gibt es einmal im Jahr ein Kammerkonzert der StipendiatInnen der Akademie. Das Konzert fand nun am 29. Mai 2022 im Rolf Liebermann Studio Hamburg statt.

Auf dem Programm standen Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, Dave Anderson und Peter Tschaikowsky. Diese Werke wurden eigens von den StipendiatInnen ausgesucht und mit einem der Mentoren, Jens Plücker, gemeinsam einstudiert. Die Moderation des live im NDR Kultur Radiosender übertragenen Konzertes übernahmen Petra Rieß und Stephan Sturm mit Leidenschaft und einer Portion Humor. Zwischen den musikalischen Leckerbissen wurden AkademistInnen und Mentoren über ihre Rolle und Zukunftspläne befragt.

Wolfgang Amadeus Mozart Divertimento D-Dur KV 251 für Oboe, 2 Hörner und Streicher „Nannerl-Septett“

(Oboe: Benjamin Völkel; Horn: Lucy Krysatis, Jens Plücker Violine: Oliver Rau, Aaron Biebuyck; Viola: Chaewon Lim; Kontrabass: João Vargas)

Als Konzertmeister der Salzburger Hofkapelle komponierte Mozart 1775 -77 eine ganze Reihe Divertimenti für Bläser und Streicher, teils als Unterhaltungsmusik für den Hof, teils für die regen musikalischen Aktivitäten des Salzburger Bürgertums, in die die Familie Mozart standesgemäß einbezogen war. Das Stück entstand im Juli 1776, wahrscheinlich zum 25. Namenstag seiner Schwester Maria Anna, die nach ihrem Rufnamen in Deutschland und Österreich heute nur als „Nannerl“ bekannt ist. Die kammermusikalische Besetzung für sieben Instrumente trug hier orchestrale Züge.

Formal griff Mozart auf die fünf Sätze des klassischen Divertimento zurück: ein Allegro in Sonatenform, zwei Menuette, die ein Andantino umschlossen, sowie ein Rondo. Am Ende folgte noch ein Marsch, der die Aufzugsmusik für das kleine Ensemble bildete, das damals im Freien musizierte und zu den Klängen des abschließenden Marsches wieder von dannen zog.

Die sieben MusikerInnen spielten mit einer großen Musizierlust und tänzerischen Ironisierung der Marschrhythmen. Damit streiften sie manchmal die Aura eines Faschingsscherzes.

Mozart „Nannerl-Septett“; Foto Patrik Klein

Auch das erste Menuett mit seinen derben Bassepisoden und dem sehr eleganten, höfischen Trio gelang dem Ensemble mit herrlicher Ironie. Das folgende Andantino dagegen ahmte im formalen Aufbau eine der damals modernen Rondo-Arien in der Oper nach. Der wunderbare melodische Fluss des Satzes gipfelte in einem hinreißend instrumentierten Finale.
Das zweite Menuett war im Gegensatz zum derben ersten ein eher galantes.

Das Thema des Rondofinales wirkte wie eine schnelle Variante des Menuett-Themas. Auch dieser Satz enthielt so manchen Zündstoff, der schon den Osmin der „Entführung aus dem Serail“ erahnen ließ. So gut gelaunt hatte selbst Mozart selten geschrieben. Das Orchester griff diesen Umstand perfekt auf und musizierte entsprechend überschwänglich.

Der angehängte Marsch zum Abzug der Musiker war im übertriebenen französischen Stil mit Trillern und punktierten Rhythmen angelegt. Man konnte sich leicht vorstellen, welche Scherze damals die Musiker, darunter der Komponist an der Sologeige, bei der Aufführung ad hoc hinzufügten. Die Mozarts lachten gerne – das Ensemble der AkademistInnen konnte es mit Spielfreude zum besten geben.

 

Dave Anderson Double Bass Duets

(Kontrabass: Miranda Erlich, João Vargas)

David Anderson kam 1996 als Solobassist zum Louisiana Philharmonic in New Orleans. Zuvor trat er regelmäßig mit dem Louisville Orchestra und dem Atlanta Symphony Orchestra auf. Seit 1994 ist er Solobassist im Britt Festival Orchestra in Oregon. Er trat mit vielen verschiedenen Ensembles auf.

Der Musiker begann seine Tätigkeit in der Komposition im Jahr 1984 und erkannte, dass das Solorepertoire für sein Instrument begrenzt war. Dennoch entstanden einige Werke für Solo Bass.

Dave Anderson „Seven Double Bass Duets“; Foto Patrik Klein

In den sieben Teilen des aufregenden Musikstückes (Kibbles & Kibitz, Parade of the Politically, Prudent Pigs, Rush Hour, Schwejk Fahrt, Lament, Blew Cheeze und Gustav’s 11 O’Clock Dance) wurden die traditionellen und modernen Möglichkeiten des Solos auf dem Kontrabass ausgelotet. Das klang mal schräg, mal melodisch, fetzig, jazzig, tempovariantenreich und immer voller Energie und Musizierlust. Da wurde auch mal ordentlich am Instrument gezupft und im Rhythmus der Musik gerufen. Es klang auch mal nach Minimal Music, so dass man den Eindruck bekam, das gesamte Spektrum des musikalisch Möglichen wurde in der Komposition verpackt.

Miranda Erlich und João Vargas entwickelten beim Spiel wie selbstverständlich eine Leidenschaft mit Leichtigkeit und viel Freude.

Zum Ende des Konzerts gaben die StipendiatInnen der NDR Akademie noch das Streichsextett:

Peter I. Tschaikowsky Streichsextett d.moll op.70 „Souvenir de Florence“

(Violine: Yu-Fan Huang, Ludwig Balser; Viola: Harin Kim, Chaewon Lim Cello: Mario Alarcon Cid, Hanna Ruschepau)

Tschaikowsky entwarf das Sextett 1890 während eines mehrmonatigen Aufenthalts in Florenz, wo auch seine Oper „Pique Dame“ entstand. Uraufgeführt wurde es jedoch erst zwei Jahre später. Das Sextett gehört zu Tschaikowskys heiteren, lebensbejahenden Werken, das auf die positive Wirkung seines Erholungsurlaubs in Florenz zurückgeführt wird. In den vier Sätzen Allegro con spirito, Adagio cantabile e con moto, Allegro moderato und Allegro vivace liefen die sechs MusikerInnen zu respektabler Form auf.

Der erste Satz war in Sonatenform gehalten und präsentierte ohne Einleitung ein heftiges, aber melodisches erstes Thema. Das zweite war hingegen viel ruhiger. Es floss fast mühelos vom ersten Thema und ging dann in die Durchführung und Reprise über, die mit einem schnellen Finale endete.

Tschaikowsky „Souvenir de Florence“; Foto Patrik Klein

Der langsame Satz in D-Dur hatte ein sehr unschuldiges, romantisches Thema, das zunächst von der ersten Violine mit Pizzicato- Begleitung vorgetragen, bevor es an das Cello weitergegeben wurde. Nach einer Unterbrechung durch ein Zwischenspiel für alle Instrumente kehrte das Thema zur Wiederholung des ersten Abschnitts zurück. Die beiden Geiger und Cellistinnen tauschten nun sogar ihre jeweilige Streicherposition um ihre Teamfähigkeit noch einmal besonders unter Beweis zu stellen.

Die letzten beiden Sätze mit ihren deutlich russischen und volkstümlichen Melodien und Rhythmen standen im starken Kontrast zu den vorherigen.

Den sechs MusikerInnen gelang es in beeindruckender Weise, den fröhlich ausgelassenen Charakter des Werkes den begeisterten ZuhörerInnen zu präsentieren. Frenetischer Applaus folgte nach dem Ausklang der letzten Note im Rolf Liebermann Studio Hamburg für alle beteiligten StipendiatInnen, die durch dieses Konzert eine für ihre weitere berufliche Entwicklung hilfreiche Visitenkarte abgegeben haben dürften.

Patrik Klein, 29. Mai 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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