Emilie Mazońs Dornröschen: Standfest und emotional überzeugend

Dornröschen, Ballett, Musik Peter I. Tschaikowsky  Staatsoper Hamburg, 28. Mai 2022

Foto: Madoka Sugai (Prinzessin Florine), Patricia Friza (Königinmutter), Christopher Evans (Haushofmeister Catalabutte), Emilie Mazoń (Aurora) und Jacopo Bellussi (Prinz Désiré) (RW)

Tiefenspannung ging vor allem von Emilie Mazoń aus. Wie sie den Hoftanzmeister oder die Amme neckte, sich wieder in ihr Buch vertiefte, ihre Eltern anstrahlte, sich vor den prinzlichen Bewerbern fürchtete und sich selbst Mut zusprach, wie sie sich in ihr Traumprinzenbild hineinsteigerte, gleichzeitig aber die um sie Werbenden mit einer gewissen Koketterie vom Halse hielt, war überaus reizvoll anzusehen.

Dornröschen, Ballett von John Neumeier
Musik: Peter I. Tschaikowsky

Staatsoper Hamburg, 28. Mai 2022
Hamburg Ballett

von Dr. Ralf Wegner

In der Lokalzeitung wurde heute von nachlassendem Kartenverkauf in Theatern und Konzerten berichtet. Trotz verkaufter Eintrittskarte würden viele ihre Sitzplätze verfallen lassen und nicht erscheinen. In der Coronaphase ausverkaufte, dann aber abgesagte Konzerte seien zum Teil beim Nachholabend nur noch zu einem Drittel gefüllt. Mancherlei wurde über die Ursachen spekuliert.

Beim Hamburger Ballett trat solches nicht ein, die im Juni 2021 geplanten und dann abgesagten Dornröschenaufführungen wurden jetzt nachgeholt. Und alle kamen, heute selbst die Älteren des Sonntagsabonnements. Kein Platz blieb leer, auch nicht an den anderen Aufführungstagen. Neumeier hat offenbar ein treues Publikum, welches alle möglichen Widrigkeiten in Kauf nimmt, um die Vorstellungen zu sehen; für die Oper gilt das nicht in diesem Ausmaß, selbst hochkarätig besetzte Aufführungen finden vor nicht wenigen leeren Plätzen statt.

Das Hamburger Ballettensemble wird dagegen geliebt, und auch technisch nicht immer optimale Leistungen werden verziehen, wenn die seelische Durchdringung der Rolle stimmt.

Karen Azatyan (Der Dorn),  Giorgia Giani (Frohsinn), Matias Oberlin (Reichtum), Yaiza Coll (Mut)

Bereits drei exzellente Tänzerinnen der Aurora standen in dieser Dornröschenserie auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper: Ida Praetorius, Madoka Sugai und Alina Cojocaru. Heute folgte als vierte Emilie Mazoń. Sie beherrschte mit ihrer intensiven Darstellungskunst nicht nur die dritte Szene, genannt Erwachsenwerden, sondern auch das nachfolgende Rosenfest. Tiefenspannung ging vor allem von ihr aus. Wie sie den Hoftanzmeister (erneut Christopher Evans) oder die Amme (Niurka Moredo) neckte, sich wieder in ihr Buch vertiefte, ihre Eltern (Anna Laudere und Edvin Revazov) anstrahlte, sich vor den prinzlichen Bewerbern fürchtete und sich selbst Mut zusprach, wie sie sich in ihr Traumprinzenbild hineinsteigerte, gleichzeitig aber die um sie Werbenden mit einer gewissen Koketterie vom Halse hielt, war überaus reizvoll anzusehen. Zudem bewies sie im Rosenadagio ein  tänzerisches Spitzen-Stehvermögen, wie keine ihrer Vorgängerinnen (die auf der Spitze in Arabesquenpose auf einem Bein stehende Tänzerin wird von den Bewerbern an einer Hand gehalten, um 3600 gedreht und dem nächsten Bewerber übergeben; während dieser Übergabe hebt die Tänzerin die Hand, bleibt kurz freihändig in Spitzenposition stehen und ergreift anschließend die Hand des Nächsten und so fort).

Ihr prinzlicher Partner Jacopo Bellussi hatte es dagegen schwer, gegen das gestrige Vorbild Alexandr Trusch anzutanzen. Weder verfügte er über die innere seelische Spannung, die von Trusch ausging, noch über dessen außerordentliches tanztechnisches Vermögen. Wer Trusch aber nicht erlebt hatte, wird in Bellussi sicher einen sehr guten Prinzen Désiré gesehen haben. Christopher Evans überzeugte wieder als Catalabutte, diesmal mit Madoka Sugai als tänzerisch herausragende Prinzessin Florine; auch Ida Praetorius stand auf der Bühne, als sechste Hofdame im Sternenballett Triumpf der Morgenröte. Das ist auch für Neumeiers Ensemble typisch, selbst die Besten treten immer wieder in Neben- und Ensemblerollen auf und heben damit ganz ungemein den Leistungsdurchschnitt. Als Hofdame Sternschnuppe war gestern Emilie Mazoń besetzt, heute tanzte Yaiza Coll diese Rolle mit einer schönen Ausdeutung dieser Partie.

Xue Lin, gestern noch die sechste Hofdame, hatte heute den Part der guten Fee Die Rose übernommen. Sie beeindruckte mit schönen Port de bras. Ihren Gegenpart, den Dorn, tanzte Karen Azatyan mit starkem Ausdruck. Patricia Friza war erneut die Partie der Königinmutter anvertraut. Das Publikum war am Ende begeistert, für Emilie Mazoń und Jacopo Bellussi flogen zahreiche Blumensträuße.

Dr. Ralf Wegner, 29. Mai 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Dornröschen, Ballett von John Neumeier Staatsoper Hamburg, 27. Mai 2022

Dornröschen, Peter I. Tschaikowsky, Staatsballett Berlin Deutsche Oper, Berlin, 19. Mai 2022

Hamburg Ballett, Madoka Sugai in John Neumeiers Dornröschen, Staatsoper Hamburg, 29. Dezember 2021

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