Foto: Kirill Petrenko © Wilfried Hösl
Johannes Brahms
Variationen über ein Thema von Joseph Haydn B-Dur op. 56a
Arnold Schönberg
Variationen für Orchester op.31
Ludwig van Beethoven
Symphonie Nr.8 op.93
Kirill Petrenko Dirigent
Berliner Philharmoniker
Philharmonie Berlin, 25. Januar 2023
von Peter Sommeregger
Kirill Petrenko versteht es immer wieder, reizvolle Programme für die Konzerte mit „seinen“ Berliner Philharmonikern zusammenzustellen. Auch diesmal gelingt es ihm, eine durchdachte und sinnvolle Dramaturgie für dieses in die Tristesse des grauen Hochwinters fallende Konzert zu finden.
Mit den Variationen über ein Thema von Haydn gelang Johannes Brahms einst eine eindrucksvolle Demonstration seiner Instrumentierungskunst. Vom zeitlichen Zusammenhang her gesehen könnte es eine Art Fingerübung für die zwei Jahre später entstandene erste Symphonie gewesen sein. Petrenko und seine Musiker greifen beherzt auf die virtuos ersonnenen Abwandlungen des ursprünglich eher simplen Themas von Haydn zu. Es entsteht eine eindrucksvolle Demonstration der Spielfreude und ausgewogenen Qualität dieses aus hervorragenden Solisten bestehenden Orchesters.
Eine gänzlich unterschiedliche Herausforderung stellen Schönbergs Variationen für Orchester dar. Auf Anregung Wilhelm Furtwänglers entstanden und 1928 von den Berliner Philharmonikern uraufgeführt, ist dieses Werk eine frühe Demonstration von Schönbergs Zwölfton-Technik und in seiner atonalen Gestalt ein krasser Gegensatz zu den zuvor gehörten Haydn-Variationen. Aber auch hier gibt es dem Klangkörper ausgiebig Gelegenheit, Spielfreude unter Beweis zu stellen, dem Dirigenten gelingt es, den roten Faden dieses Stückes erfahrbar zu machen.
Mehr und mehr dringt man in die komplizierte Struktur der Komposition ein und beginnt dem etwas sperrigen Fluss der Musik zu folgen. Schönberg sah sich ja selbst als Teil einer Traditionskette, sein Werk als eine Fortsetzung traditioneller Musik mit neuen Mitteln. Den Solisten im Orchester wird viel abverlangt, aber gerade dort, wo es nicht um das Schwelgen in Kantilenen geht, ist die Qualität der einzelnen Musiker noch stärker erfahrbar.
Die an den Schluss des Konzertes gesetzte achte Symphonie Beethovens, ist die kürzeste seiner neun Symphonien. Zwischen der „Apotheose des Tanzes“ der siebten und dem Monolith der neunten Symphonie beweist das Stück stilistische Eigenheit und steht für sich. Üppig im Klang und ständig vorwärtsstrebend verfügt das Werk über so etwas wie Leichtfüßigkeit, die in Beethovens Musik nicht so häufig anzutreffen ist. Man erkennt in dem Werk sogar durchaus heitere, humorvolle Elemente. Manchmal blitzt da Mozart’scher Humor auf, Petrenko genießt sichtlich die zahlreichen überraschenden Wendungen in dieser Musik und illustriert sie mit seiner Körpersprache.
Er beginnt auf dem Podium zu tänzeln, strahlt, und schafft mit den Musikern eine höchst pointierte Lesart des Werkes. Warum diese so ungemein eingängige und fröhlich stimmende Symphonie vergleichsweise selten aufgeführt wird, ist schwer verständlich. Petrenko und das Orchester jedenfalls nutzen die Gelegenheit, mit einer straffen und energiegeladenen Realisierung einen Lichtstrahl in den wintergrauen Abend zu werfen. Das Publikum dankt es mit begeistertem Applaus.
Peter Sommeregger, 26. Januar 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Felix Mendelssohn Bartholdy, Elias op.70 Philharmonie Berlin, 12. Januar 2023
Nikolai Rimski-Korsakow, Die Nacht vor Weihnachten Philharmonie Berlin, 23. Dezember 2022
Nur eine kurze Anmerkung zum Titel:
offenbar weichen unsere Definitionen von „selten aufgeführt“ stark voneinander ab. Die „Haydn-Variationen“ von Brahms, Beethovens achte und Schönbergs Orchestervariationen sind wohl alles andere als unbekannt. Letztere werden sogar so viel (zu oft) aufgeführt, dass sie mir einen Beitrag in meiner Anti-Klassiker-Serie wert waren:
https://klassik-begeistert.de/daniels-anti-klassiker-10-arnold-schoenberg-orchestervariation-op-31-1928/
Unter tatsächlich selten aufgeführten Werken, verstehe ich Titel, wie von Fanny Hensel, Lily Boulanger, Amy Beach, Ottorino Respighi, Giovanni Sgambati, Weli Muhadow, den ich kommenden Sonntag behandeln werde, und viele weitere buchstäblich vergessene Namen.
Daniel Janz