Philharmonie Berlin, Noah Bendix-Balgley (Foto: Sebastian Hänel)
Andrew Norman
Unstuck
Wolfgang Amadeus Mozart
Konzert für Violine und Orchester Nr.1 KV 207
Noah Bendix-Balgley Violine
Erich Wolfgang Korngold
Symphonie Fis-Dur op.40
Kirill Petrenko Dirigent
Berliner Philharmoniker
Philharmonie Berlin, 3. November 2022
von Peter Sommeregger
Die Programmgestaltung dieses Konzertes war ausgesprochen ungewöhnlich, fügte sich dann aber letztlich doch zu einem sinnvollen Ablauf.
Das 2008 entstandene, nur 10-minütige Werk „Unstuck“ des 1979 geborenen Komponisten Andrew Norman bildet den temperamentvollen Auftakt. In kurzen, markanten Passagen können sich die Musiker der großen Orchesterbesetzung solistisch beweisen. Normans Musik ist von großem Einfallsreichtum, originell in der Verarbeitung der einzelnen Segmente und wird vom Publikum mehr als nur freundlich aufgenommen.
Einen starken Kontrast bildet Mozarts erstes Violinkonzert, das eher selten zu hören ist. Es ist Mozarts erste Auseinandersetzung mit dieser Gattung und längst nicht so eingängig wie die am häufigsten gespielten Konzerte 3 und 5. Noah Bendix-Balgley, der charismatische junge Konzertmeister des Orchesters, fungiert diesmal als Solist. Seine Interpretation ist eine eher altmodische, nicht historisch informierte, kann aber trotzdem gefallen. Der Geiger vermeidet das zu intensive Auskosten der Kantilenen und liefert einen schlanken, schlackenlosen Mozart. Man würde sich den Konzertmeister durchaus öfter in der Rolle des Solisten wünschen.
Hauptwerk des Abends ist Erich Wolfgang Korngolds große Symphonie in Fis-Dur. Dieses späte Werk des einstigen Wunderkindes war zum Zeitpunkt ihrer Uraufführung 1954 in Wien bereits ein krasser stilistischer Anachronismus. Die musikalische Nachkriegszeit war geprägt von Komponisten und Werken, die ganz andere Töne anschlugen. Korngold hatte große Hoffnungen auf das Stück gesetzt, mit dem er seine Rückkehr ins heimatliche Österreich nach den Jahren des amerikanischen Exils einleiten wollte. Eine lieblos vorbereitete Uraufführung führte zu einer reservierten Aufnahme des Werkes bei Publikum und Kritik. Enttäuscht kehrte Korngold nach Kalifornien zurück und schrieb bis zu seinem frühen Tod 1957 nur noch Filmmusik, mit der er sehr erfolgreich war.
Man warf dem Komponisten vor, Themen früherer Kompositionen verwendet zu haben, teilweise sogar aus seinen Film-Musiken. Das ist ein durchaus legitimes Vorgehen, in der Summe wirkt die umfangreiche Symphonie aber stilistisch ein wenig unentschlossen, streckenweise will Korngold einfach zu viel und scheitert am eigenen Anspruch.
Dem Orchester unter Kirill Petrenko gelingt die Aufführung aber vorzüglich, die Schönheiten wie die Brüche der Partitur werden authentisch abgebildet und ausgekostet. Am Ende zeigt sich das Publikum durchaus angetan von dem selten zu hörenden Werk.
Korngolds Musik erlebt in den letzten Jahrzehnten eine erstaunliche Renaissance, in Opernhäusern und Konzertsälen kann man ihr häufig begegnen. Diese Symphonie ist sicher nicht sein stärkstes Werk, aber es verdient durchaus, wahrgenommen und aufgeführt zu werden.
Peter Sommeregger, 6. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at