DNT Weimar: "Märchen sind zwar Lug und Trug, aber mancher wird draus klug!"

Der goldene Hahn, Nikolai Rimsky-Korsakow  Deutsches Nationaltheater Weimar, 5. November 2022 PREMIERE

DNT Weimar / DER GOLDENE HAHN Oper von Nikolai Rimsky-Korsakow, Foto: Candy Welz

Der goldene Hahn
Oper in drei Akten von Nikolai Rimsky-Korsakow // Libretto von W.I. Bjelski nach einem Märchen von Alexander Puschkin


Staatskapelle Weimar

Andreas Wolf, Dirigent
Stephan Kimmig, Regie

Tadas Girininkas, König Dodon
Ylva Stenberg, Königin von Schemacha
Taejun Sun, Der Asterologe
Sarah Mehnert, Amelfa
Andreas Koch, General Polkan
Alik Abdukayumow, Prinz Afron
Prinz Gwidon, Jörn Eichler,
Heike Porstein, Der goldene Hahn

Opernchor des Deutschen Nationaltheaters

Deutsches Nationaltheater Weimar, 5. November 2022 PREMIERE

von Elisabeth Tänzler

 „Märchen sind zwar Lug und Trug,
aber mancher wird draus klug!“

 so Alexander Puschkin, Verfasser des Märchens Der goldene Hahn, welches Rimsky-Korsakow 1906/07 zu einer russischen Nationaloper vertonte, die am 5. November 2022 Premiere am Deutschen Nationaltheater Weimar feierte.

Zwitschernde Flöten, lauernde Gefahren oder majestätische Fanfaren – sie alle fördern das Erlebnis dieser Klangwelt, die von der Staatskapelle Weimar unter der Leitung von Andreas Wolf so herrlich pointiert ausmusiziert wird. Die mit dieser Exaktheit und Finesse herausgearbeiteten lautmalerischen Leitmotive unterstreichen rein musikalisch die gegensätzlichen Pole zwischen Eleganz und Groteske oder Gut und Böse, die dieses Märchen liefert.

Ylva Stenberg als Königin von Schemacha hüllt das Publikum mit ihren verheißungsvollen Arien nicht weniger ein, als den Zaren. Mit unglaublicher stimmlicher Flexibilität changiert sie zwischen einer Scheherazade und Salome, stellt dabei den ermüdeten sich im Egoismus verlierenden Dodon jedoch keineswegs in den Schatten. Neben der klanglichen und darstellerischen Präsenz Tadas Girininkas’ sticht auch Taejun Sun als Astrologe hervor, der sich im Rahmen seiner Rolle in die gebotene mystische Aura hüllt.

Die Inszenierung reizt durch ihre Ambivalenz, die Offenheit des Bühnenbilds, die Enge des Zeltes im zweiten Akt, das dunkle Schlachtfeld, die strahlende Eleganz Schemachas, das Grau, das Bunt – ambivalent, wie unsere Protagonisten selbst. Durch dieses Spiel erlangen die Kunstfiguren eine grundsätzliche Tiefe und Ernsthaftigkeit, bei der die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen. Das Deutsche Nationaltheater verwandelt sich in eine Welt zwischen Diesseits und Jenseits, wodurch die Inszenierung ab und an etwas plakativ erscheinen mag. Sie bewirkt jedoch aufgrund der Gegensätzlichkeit und des gezielten Einsatzes der Videoprojektionen unterbewusste Wahrnehmungen, die eine unabdingliche Mehrdimensionalität realisieren, um den Protagonisten ihren benötigten Entfaltungsraum zu gewähren.

DNT Weimar / DER GOLDENE HAHN Oper von Nikolai Rimsky-Korsakow, Foto: Candy Welz

Die Korrelation zwischen Politik und Kunst wird an diesem Abend mehr als deutlich und trifft durch die allgemeingültige Grundlage des Märchenstoffs ebenso auf die aktuellen Probleme des Hier und Jetzt zu: die Leid verbreitende autokratische Herrschaftsform.

Vielleicht kann auch uns bald ein goldener Hahn davon erlösen.

Elisabeth Tänzler, 6. November 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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