Am heutigen Freitag, dem 11. Februar 2022 feiert Kirill Petrenko, seit 2019 Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, seinen 50. Geburtstag. Das lädt zu einem Rückblick auf die ersten fünfzig Jahre dieses außergewöhnlichen Musikerlebens ein.
Foto: Kirill Petrenko, © Stephan Rabold
von Peter Sommeregger
Der Weg vom sibirischen Omsk bis zum Chefposten des Berliner Weltorchesters war ein weiter und sicher nicht leichter, zeigt anhand seiner Stationen aber bereits die Ernsthaftigkei der Lebensplanung und zusätzlich den sicheren Kompass dieses Ausnahme-Musikers.
Als Petrenkos Eltern mit dem Sohn Russland verließen, ließen sie sich in Österreichs westlichstem Bundesland Vorarlberg nieder, wo der junge Kirill, dessen Entscheidung für eine Dirigentenlaufbahn längst gefallen war, seine Studien am Landeskonservatorium Feldkirch fortsetzte und sein Klavierstudium mit Diplom abschloss. Es lässt sich kaum ermessen, wie viel Kraft dieser Umzug in ein neues Land und eine neue Sprache kostete.
Der nächste logische Schritt war an die Musikuniversität Wien, wo er sein Dirigentenstudium absolvierte. Für Petrenko bedeuteten diese ersten Jahre außerhalb Russlands ein Eintauchen in musikalische Welten, die ihm davor unbekannt waren. Allen Menschen, die ihn in dieser Zeit kannten war klar, dass sein Weg wohl steil nach oben führen würde.
Seine erste Station auf diesem Weg war die Stelle als Korrepetitor und Kapellmeister an der Wiener Volksoper, wo er sich auch im Genre der Operette behaupten musste. Aus dieser Zeit datiert seine Bekanntschaft mit dem Opern- und Schauspieldirektor Nikolaus Bachler, der sofort das große Potential Petrenkos erkannte und ihn förderte.
Ein großer, bedeutender Schritt war 1999 seine Berufung zum Generalmusikdirektor der traditionsreichen Meininger Hofkapelle, die noch in der Tradition Hans von Bülows steht, mit gerade einmal 27 Jahren. In Meiningen erlebte er seinen Durchbruch mit einer Einstudierung von Wagners „Ring des Nibelungen“, die weit über Meiningen hinaus für Furore sorgte. Parallel zu seinem dortigen Engagement debütierte er noch vor seinem 30.Geburtstag an den großen Opernhäusern von Wien, Paris, Barcelona und der New Yorker Met.
Vom Theater Meiningen führte sein Weg zum ersten Mal nach Berlin. An der Komischen Oper, die er musikalisch von 2002 bis 2007 leitete, konnte er sein Repertoire erheblich erweitern. Spätestens dort erwarb er sich den Ruf eines unnachgiebigen Probierers, der seine Musiker, zuallererst aber sich selbst forderte. Nach zwei äußerst fordernden Tätigkeiten als Generalmusikdirektor ging Petrenko zwischen 2007 und 2012 nur noch Gastverträge ein, mehrere Opernproduktionen leitete er in Frankfurt am Main, auch die Wiener Staatsoper und die New Yorker Met konnten ihn für Dirigate gewinnen.
Im Jahr 2013 erreichte ihn der Ruf Nikolaus Bachlers, der inzwischen Intendant in München war, an die Bayerische Staatsoper. Dort eroberte er Kritik und Publikum im Sturm. Als die Berliner Philharmoniker ihn 2015, für Insider nicht völlig unerwartet, zu ihrem neuen Chefdirigenten wählten, wollte ihn München nicht ziehen lassen, und trotzte ihm seinen Verbleib bis zur Spielzeit 2018/19 ab. Erst am 19. August 2019 konnte Petrenko schließlich mit einer bejubelten Aufführung von Beethovens 9. Symphonie sein Eröffnungskonzert in Berlin bestreiten.
Wie vorausschauend die Entscheidung des Orchesters für Petrenko in mehr als einer Hinsicht war, wird seither immer deutlicher. Da muss man zuerst sein selbstbewusstes, aber bescheidenes Naturell nennen, mit dem er offenkundig schnell einen herzlichen menschlichen Kontakt zu den Orchestermitgliedern aufbauen konnte, der durch gegenseitigen Respekt geprägt ist. Wenn man der Körpersprache trauen darf, besteht da eine Freude am gemeinsamen Musizieren, wie sie „Pultlöwen“ früherer Generationen nur mit Druck und Einschüchterung erreichen konnten. Aus der Kälte Sibiriens gekommen, strahlt er aber empathische Wärme und Herzlichkeit aus.
Da Petrenko lange Jahre intensiv mit der Oper beschäftigt war, erobert er sich erst nach und nach die Säulen des klassischen Konzertrepertoires. In welcher Weise er dabei sein Orchester und auch sein Publikum mitnimmt, ist auch für Letzteres eine spannende Erfahrung. Seine Neugier gilt auch dem lange vernachlässigten Repertoire der Komponisten der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts, bei dem es viel Interessantes zu entdecken gibt. Dass Petrenko Russe geblieben ist, demonstriert er gerade aktuell mit konzertanten Aufführungen von drei Opern Tschaikowskis, die er zu umjubelten Highlights dieser Saison machte, und noch machen wird. Petrenkos temperamentvoller Dirigierstil, inklusive spontanen Sprüngen, die an Leonard Bernstein erinnern ist zu einem Markenzeichen geworden.
Schon nach weniger als zwei Spielzeiten, die noch dazu durch das Corona-Virus stark beeinträchtigt waren, hat Kirill Petrenko sich als würdiger Nachfolger seiner großen Vorgänger in diesem Amt etabliert. Kaum zu glauben, dass der drahtige, agile Mann heute seinen 50. Geburtstag feiert.
Herzliche Glückwünsche möchte man mit dem Wunsch verbinden, er möchte uns in Berlin noch fünfzig weitere Jahre erhalten bleiben, was vielleicht unbescheiden ist, aber eine zweistellige Jahreszahl soll es bitte doch werden!
Peter Sommeregger, 11. Februar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Kirill Petrenko dirigiert Zimmermann, Lutosławski und Brahms, Philharmonie Berlin, 27. Januar 2022