Foto: Kirill Petrenko (c) Monika Rittershaus
Philharmonie Berlin, 27. Januar 2022
Bernd Alois Zimmermann
Photoptosis, Prélude für großes Orchester
Witold Lutosławski
Symphonie Nr. 1
Johannes Brahms
Symphonie Nr. 2 D-Dur op. 73
Berliner Philharmoniker
Kirill Petrenko Dirigent
von Peter Sommeregger
Erneut muss man die Kreativität Kirill Petrenkos bewundern, der immer wieder die Pfade der konventionellen Programmgestaltung verlässt, und sich selbst, seinem Orchester und auch seinem Publikum Überraschendes, zum Teil noch nie Gehörtes bietet.
An den Anfang des Konzerts setzt er ein kurzes Stück Bernd Alois Zimmermanns, jenes tragisch Geendeten , den man guten Gewissens als einen der bedeutendsten Komponisten seiner Generation bezeichnen kann. Photoptosis ist der Titel einer Komposition die versucht, farbliche Brechungen in musikalische Formen zu übertragen. Leichte Kost ist das nicht, aber das groß besetzte Orchester verleiht dem Werk doch eine Transparenz der Struktur, die das Verständnis erleichtert.
Es folgt die erste Symphonie Witold Lutosławskis, deren Komposition bereits im Jahr 1941 begonnen wurde, also in einer für einen Polen schrecklichen Zeit. In der ebenfalls schwierigen Nachkriegszeit wurde sie vollendet und hat erstaunlicher Weise trotzdem einen positiven, fast heiteren Charakter. Lutosławskis Komponierstil ist im weiteren Sinne traditionell, der Komponist hat es stets vermieden, sich modischen Trends anzuschließen. Das viersätzige Werk ist reich an Emotionalität und Farben, stellt das Orchester vor nicht geringe Herausforderungen. Trotz einer gewissen Sprödigkeit kann es aber doch gefallen. Erstaunlich, dass es bei den Berliner Philharmonikern erst ein einziges Mal auf dem Programm stand, 1981 unter der Leitung des Komponisten.
Mit Johannes Brahms‘ zweiter Symphonie steht ein zum Kernrepertoire gehörendes Werk am Ende des Konzertes. Hier überrascht von Beginn an der sehr persönliche Ansatz Petrenkos. Mit nachdrücklicher Wucht setzt er einen markanten Beginn, um anschließend Lautstärke und Tempi stark zurückzunehmen. Der Komponist sah sein Werk als etwas Trauriges an, aber allein schon das freundliche D-Dur will nicht recht zu dieser Aussage passen. Der oft zitierte „Sommerwind vom Wörthersee“, der Brahms während dreier Sommer zu mehreren Werken inspirierte, schlägt sich in einer markanten Streicherpassage nieder, die den ersten Satz dominiert.
Immer wieder entdeckt man in dem Werk dann aber doch die grundsätzlich melancholische Natur des Komponisten, die unvermittelt die Idylle stört. So muss man den hymnischen Schluss auch durchaus hinterfragen. Petrenko jedenfalls setzt sich hörbar intensiv mit diesen Brüchen auseinander und macht sie zur Basis seiner Interpretation. Auf seine weitere Beschäftigung mit diesem Komponisten darf man gespannt sein.
Peter Sommeregger, 28. Januar 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at