Klein beleuchtet kurz 38: Benjamin Brittens War Requiem gerät als eindringlicher Appell für den Frieden

Klein beleuchtet kurz 38: Benjamin Brittens War Requiem  klassik-begeistert.de, 17. Juni 2024

Benjamin Britten War Requiem; Foto PK

Teodor Currentzis gibt mit diesem umjubelten Konzert in der Elbphilharmonie Hamburg ein beeindruckendes Statement über den Krieg – mit himmlischer Musik und großartigen Solisten.

Teodor Currentzis: Das ist ein Stück, das jeder kennen muss. Ein Stück, das die Wahrheit auf spirituelle Weise sagt. Es geht um verschiedene Arten von Frieden, die miteinander verbunden werden. Lasst uns in diesem Bild der Stille am Ende des Stücks auf unser eigenes Leben schauen. Du willst keine Kriege? Schließe Frieden in Deiner Familie. Du willst keine Unterdrückung, sei nett zu Deinen Mitmenschen. Du willst keine Feinde haben? Vergib den Menschen, die dir etwas angetan haben. Tu etwas! Das ist das Einzige, was Du in dieser Welt tun kannst.“

Bei der Uraufführung dieses wohl bedeutendsten Werkes von Benjamin Britten traten am 30. Mai 1962 in der wiederaufgebauten Kathedrale von Coventry, deren ursprünglicher Bau von deutschen Bomben im Zweiten Weltkrieg bei der Luftschlacht um England fast vollständig vernichtet wurde, ganz bewusst eine russische Sopranistin, ein englischer Tenor und ein deutscher Bariton auf. Das geriet damals zu einem eindeutigen Zeichen für den Frieden inmitten des Kalten Krieges.

Der junge Komponist war im zweiten Weltkrieg aus dem brennenden Europa in die USA geflüchtet und wenige Jahre später nach England zurückgekehrt. Die Katastrophe der Luftschlacht von Coventry, mit Hunderten Toten und einer zerstörten Kathedrale, blieb eingegraben im kollektiven Gedächtnis Großbritanniens.

Benjamin Britten, Jahrgang 1913, Englands wichtigster Komponist seiner Zeit, hat mit dem War Requiem Zeugnis abgelegt für die beide Weltkriege des Zwanzigsten Jahrhunderts. Seiner Partitur hatte er das mahnende Motto des Soldaten und Schützengrabendichters Wilfred Owens, der als 25-jähriger im ersten Weltkrieg fiel vorangestellt:

Mein Thema ist der Krieg und das Leid des Krieges.
Die Poesie liegt im Leid…
Alles, was ein Dichter heute tun kann, ist – warnen.

Die Musik hatte also im ausverkauften, aber nicht voll besetzten großen Saal der Elbphilharmonie Hamburg das Sagen. In riesiger Besetzung waren ein Symphonieorchester, ein Kammerorchester, zwei Chöre, ein Knabenchor und drei herausragende Solisten aufgeboten, die die Musik Brittens in eindrücklicher Weise sprechen ließ.

Benjamin Brittes War Requiem in der Elbphilharmonie Hamburg; Foto PK

Sogar zwei Dirigenten leiteten die Aufführung, der Knabenchor, der hoch von der Ebene 15  sang, wirkte entrückt und himmlisch. Eine tief bewegende musikalische Interpretation, die mit einem beinahe zweiminütigem Innehalten des Dirigenten und einem nicht atmen wollenden Publikum endete, durfte man knapp 90 Minuten voller Emotionen durchleben. Die Mischung aus liturgischem Requiem und Versen des Dichters Wilfred Owen, dazu die hochpräzisen Orchester und Chöre und vor allem die grandiosen Gesänge der drei Solisten, die russischen Sopranistin Irina Lungu, der britische Tenor Allan Clayton und der deutsche Bariton Matthias Goerne machten den Abend zu einem weiteren Highlight in der Reihe mit Dirigaten von Teodor Currentzis.

Wilder, lang anhaltender Applaus am Ende des Abends. Der ein oder andere Besucher dachte sicher schon an die beiden Konzerte mit Mahlers Dritter und Vierter Sinfonie in der kommenden Saison.

SWR Symphonieorchester

London Symphony Chorus
SWR Vokalensemble Stuttgart
Knabenchor Hannover

Irina Lungu, Sopran
Allan Clayton, Tenor
Matthias Goerne, Bariton

Dirigent: Teodor Currentzis

Benjamin Britten
War Requiem op. 66

(c) Patrik Klein

Der klassik-begeistert-Autor Patrik Klein ist ein leidenschaftlicher Konzert- und Opernfreak, der bereits über 300 Konzerte (Eröffnungskonzert inklusive) in der Elbphilharmonie Hamburg verbrachte, hunderte Male in Opern- und Konzerthäusern in Europa verweilte und ein großes Kommunikationsnetz zu vielen Künstlern pflegt. Meist lauscht und schaut er privat, zwanglos und mit offenen Augen und Ohren. Die daraus entstehenden meist emotional noch hoch aufgeladenen Posts in den Sozialen Medien folgen hier nun auch regelmäßig bei klassik-begeistert – voller Leidenschaft, ohne Anspruch auf Vollständigkeit… aber immer mit großem Herzen!

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