Klein beleuchtet kurz 66: Bass-Bariton Oliver Zwarg verleiht Liedern aus dem 19. und 20. Jahrhundert neuen Glanz

Klein beleuchtet kurz 66: Bass-Bariton Oliver Zwarg  Konzertsaal der Kreissparkasse in Syke, 21. November 2025

Oliver Zwarg und Joseph Breinl in Syke; Foto Patrik Klein

Gemeinsam mit dem Pianisten und Professor für Liedgestaltung Joseph Breinl interpretiert er in dem beschaulichen Städtchen Syke nahe bei Bremen Loewe Balladen, Schubert Lieder und Ralph Vaughn Williams Zyklus „Songs of Travel“ unter dem Motto „Männer und Mythen“

Konzertsaal der Kreissparkasse in Syke, 21. November 2025

von Patrik Klein

Man kennt ihn als singenden Charakterschauspieler dramatischer Figuren aus der Welt der Oper, der an fast allen wichtigen europäischen Opernhäusern, wie den Festspielen von Salzburg, Edinburgh und den Wiener Festwochen gastierte.

Der Bass-Bariton Oliver Zwarg glänzte zuletzt als Kasper im Freischütz auf der Bregenzer Seebühne oder reüssierte als Titelheld in Alban Bergs Wozzeck am Staatstheater Darmstadt. Für diese Rolle wurde er sogar als Sänger des Jahres von der Zeitschrift „Opernwelt“ nominiert. Zudem bekleidet er seit drei Semestern eine Professur als Gesangslehrer an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz.

Sein Kalender ist übervoll mit Engagements an weiteren großen Bühnen und mit jeder Menge Tätigkeiten um und mit seinen Studenten in der Steiermark. Dass er zusammen mit dem ebenfalls in Graz lehrenden Professor für Liedgestaltung Joseph Breinl ausgerechnet für einen Liederabend nach Syke kommt, ist der Tatsache geschuldet, dass er zu seiner Heimatstadt, in der er 1991 Abitur machte, nach wie vor Kontakte pflegt und hier viele Freunde und Verwandte hat.

Männer und Mythen“ klingt nach einer Entmystifizierung von Klischees über die männliche Rolle in traditionellen Erzählungen, klingt nach Machtstrukturen, wie auch die Darstellung von Göttern in antiken Mythen. An diesem Abend in Syke manifestierte sich das ausgewählte Programm als spannende Auswahl prägender Werke dreier Komponisten des 18. bis 20. Jahrhunderts, von Carl Loewe über Franz Schubertbis hin zu Ralph Vaughan Williams.

Vom „pommerschen Baladenkönig“ Carl Loewe, obwohl im Herzogtum Magdeburg geboren und eigentlich ein Norddeutscher, ein „norddeutscher Schubert“ gar, dessen Herz in einer Orgelpfeife in Stettin aufbewahrt wird, der die Ballade als besondere erweiterte Form des Sololiedes im 19. Jahrhundert bekannt gemacht hatte, kamen dann die ersten drei Werke zu Gehör. Auch er vertonte Goethes berühmtes Gedicht über denErlkönig, bei dem seine Fähigkeit der anschaulichen Schilderung, der bildhaften Tonmalerei und eindringlichen Charakterisierung von Gestalten, Schauplätzen und Vorgängen am besten zum Ausdruck kam.

Neben den bevorzugten Bereichen der Historie, der Sage und dem Märchen hatte er Alltags- und Genrebilder geschaffen sowie Idyllen und moralische Fabeln in den Fokus gerückt.  Großes stand neben Kleinem, Schlichtes neben Phantastischem, Unheimliches neben Verspielt-Humoristischem.

Franz Schubert befasste sich ebenfalls mit dem Thema antike Mythen und ihre Wirkung auf die damalige Gegenwart, auch um die Zensur sozialkritischer Themen zu dieser Zeit zu „überlisten“. Er maß ihr zeitgenössisches Umfeld an diesen dort beschriebenen Werten und setzte sich mit der Gesellschaft leidenschaftlich auseinander.

Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Heinrich Heine, Friedrich Gerstenberg, Johann Mayrhofer, August Lafontaine u.v.a. beschrieben in ihren Gedichten Geschichten von Titanen, Göttern und Helden, waren aber eigentlich damit immer auf der Suche nach Freiheit, Selbsterkenntnis und der Verbundenheit mit der aktuellen Welt.

Ganz besonders waren die Lieder Schuberts von seinem Freund und Dichter Johann Mayrhofer geprägt. Besonders bei Heliopolis behandelt Schubert die Sehnsucht nach einer idealisierten Welt, nach einem mystischen Ort der Ruhe, beschreibt den starken Kontrast zwischen einer rauen Realität und spiritueller Erfüllung. Der Gegensatz zwischen dem kalten, rauen Norden und dem erträumten, sonnigen Heliopolis könnte kaum deutlicher sein.

Oliver Zwarg, Bass-Bariton; Foto Patrik Klein

Schließlich wurde das Syker Publikum mit auf die Reise genommen zu Ralph Vaughan Williams Zyklus „Songs of Travel“.

Der Liederzyklus basiert auf dem gleichnamigen Gedichtband von Robert Louis Stevenson. Er entstand zwischen 1901 und 1904, und gilt als eine britische Entsprechung von Franz Schuberts „Winterreise“. Es wird die Geschichte eines reisenden Vagabunden erzählt, der sich auf die Straße begibt, die Liebe findet und bereit ist, sein Leben zu teilen. Geprägt ist das Werk von einer reichen und komplexen Mischung aus Fernweh, Naturverbundenheit, Nostalgie, Liebe und schließlich der Resignation.

Bei Aufbruch und Abenteuerlust mit stampfenden Rhythmen durch eine raue Landschaft beginnend, Zärtlichkeit und Romantik verspielt in Liebe und Kameradschaft auflodern lassend, Nachdenklichkeit und Verlust melancholisch einstreuend, Trost in der Natur findend und schließlich zurück auf des Wanderers Leben zurückblickend mit der Botschaft von dauerhafter Schönheit des Lebensweges.

Die ausgewählten Lieder des Abends waren Oliver Zwargs dunkel gefärbten und fein phrasierenden Stimme wie auf den Leib geschrieben. Textverständlichkeit gepaart mit innerer Verbundenheit mit dem Gesungenen wirkten wie eine ideale Einheit auf die konzentrierte Zuhörerschaft im ausverkauften Konzertsaal.

In der Pause und nach der beeindruckenden Präsentation der Werke vernahm man beim mit fiebernden Publikum Worte wie „So eine große Stimme und so viel Textverständlichkeit, man braucht ja gar kein Programmheft“

Der in Hamburg lebende Bass-Bariton gestaltete mit klugem Feingefühl, aber auch prachtvoller Wucht, raffinierten Zwischentönen, ideenunterstützenden Gesten und  mit einer klanglichen Souveränität voller Autorität, Verführungskunst, Hingabe und abgrundtiefer Schwärze, mit der er mitten ins Herz der Zuhörer stieß.

Das Zusammenspiel von Sänger und dem begleitendem Pianisten Joseph Breinl, der beiden Unterrichtenden an der Kunstuniversität Graz,  geriet dann auch zu einem ganz besonderen Klangerlebnis voller Spontanität und Überraschungen, denn sie entzogen den Gedichten, Balladen und Liedern die museale Betrachtung und formten sie zu einer inneren Notwendigkeit voller Farben und frischer Blickwinkel.

Das begeisterte Syker Publikum feierte die beiden Künstler frenetisch und entlockte ihnen noch zwei Zugaben von Carl Loewe.

Oliver Zwarg, Ilka Zwarg, Joseph Breinl beim Schlussapplaus in Syke; Foto Patrik Klein

Patrik Klein, 21. November 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

(Joseph Breinl: Geboren 1974 in München, studierte er Klavier und Liedgestaltung bei Karl-Hermann Mrongovius, Gitti Pirner, Willem Brons, Rudolph Jansen und Graham Johnson.

Vielbeachtete Auftritte auf beinahe allen großen Bühnen haben Joseph Breinl zu einem  gefragten Pianisten, Liedpianisten und Kammermusiker seiner Generation gemacht. Konzerte in weltweit renommierten Konzertsälen, Auftritte bei bedeutenden Festivals sowie zahlreiche CD-Aufnahmen fanden ein begeistertes Echo in der Fachpresse.

Joseph Breinl ist mehrfacher Preisträger internationaler Wettbewerbe und begleitete als Liedpianist u.a. Samuel Hasselhorn, Miah Persson, Christianne Stotijn und Waltraud Meier.

„Mir ist es wichtiger, dass ich auf der Bühne zusammen mit den Sängern frei musizieren kann, dass keine einstudierten Versionen abgerufen werden, sondern vielmehr Raum besteht für Spontanität und Überraschungen. Diese Lebendigkeit ist mir wichtig“. Zitat aus einer Reportage bei klassik-begeistert.de in Graz 12/24 Report: KB besucht die KUG Teil 1 – Liedgestaltung  klassik-begeistert.de, 12. Dezember 2024 – Klassik begeistert )

(c) Patrik Klein

Der klassik-begeistert-Autor Patrik Klein ist ein leidenschaftlicher Konzert- und Opernfreak, der bereits über 300 Konzerte (Eröffnungskonzert inklusive) in der Elbphilharmonie Hamburg verbrachte, hunderte Male in Opern- und Konzerthäusern in Europa verweilte und ein großes Kommunikationsnetz zu vielen Künstlern pflegt. Meist lauscht und schaut er privat, zwanglos und mit offenen Augen und Ohren. Die daraus entstehenden meist emotional noch hoch aufgeladenen Posts in den Sozialen Medien folgen hier nun auch regelmäßig bei klassik-begeistert – voller Leidenschaft, ohne Anspruch auf Vollständigkeit… aber immer mit großem Herzen!

Programm:

Carl Loewe (1796-1869)
– Odins Meeresritt
– Erlkönig
– Edward

Franz Schubert (1797-1828)

– Dithyrambe
– Gruppe aus dem Tartarus
– Aus Heliopolis
– Heliopolis
– Fahrt zum Hades
– Ganymed
– Prometheus

Ralph Vaughan Williams (1872-1958): Songs of Travel

– The Vagabund
– Let Beauty Awake
– The Roadside Fire
– Youth and Love
– In dreams
– The infinite shining heavens
– Whither must I wander
– Bright is the Ring of Words
– I have trod the upward and the Downward slope

Zugaben von Carl Loewe:

– Herr Oluf
– Tom der Reimer

Interview: klassik-begeistert im Gespräch mit dem Bassbariton Oliver Zwarg, Teil 1 klassik-begeistert.de, 7. Oktober 2024

Interview: klassik-begeistert im Gespräch mit dem Bassbariton Oliver Zwarg, Teil 2 klassik-begeistert.de, 9. Oktober 2024

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