Staatsoper Hamburg © Westermann
Wie die Pressestelle der Hamburger Behörde für Kultur und Medien heute mitteilte, läuft Demis Volpis Vertrag zum Saisonende aus, außerdem ist er ab sofort von seinen Aufgaben frei gestellt. Der Senator bedauert, und auch Demis Volpi bedauert. Man trennt sich, ohne weitere interne Details zu kommunizieren und damit erneut Porzellan zu zerschlagen.
Ein Meinungsbeitrag von Dr. Ralf Wegner
Das ist gut für beide Seiten. Demis Volpi wird nicht mehr Schaden zugefügt, und das Hamburg Ballett kann beruhigt zum Alltag zurückkehren. Zum Beispiel morgen bei der Wiederaufnahme von John Neumeiers ikonographischem Meisterwerk Nijinsky, welches sich mit den Auswirkungen von Kriegshandlungen auf den Menschen Vaslav Nijinsky befasst.
Für Florian Zinnecker von der ZEIT ist diese Thematik vielleicht zu museal. Denn noch in seinem Dienstag-Kommentar zur Causa Volpi weist er auf dessen Erfolg des vor vier Tagen bei den „Ersten Schritten“ aufgeführten Kinderballetts „Karneval der Tiere“ hin: Man hatte das Gefühl, dieses Ballett hier war kein Museum, es war lebendig. Und lebendig war es auch, wie eine mir bekannte Lehrerin über die Aufführung vor zahlreichen Schulklassen berichtete.
Aber warum wird immer wieder von einem Ballettmuseum gesprochen, wenn es um John Neumeiers tiefenspannendes Werk geht? Handelt es sich gar um Altersdiskriminierung? Wird Älteren gar das Recht abgesprochen, Zukünftiges zu schaffen? Hat nicht John Neumeier vielmehr mit Uraufführungen noch in den letzten Jahren gezeigt, dass er mit Balletten wie Liliom, Glasmenagerie, Anna Karenina oder Beethovens 7. Sinfonie modern wie kaum ein anderer choreographiert? Und was ist museal an Romeo und Julia oder Neumeiers Matthäuspassion?
Wer so redet wie die jetzigen Verteidiger von Demis Volpi wie Florian Zinnecker in der ZEIT oder Manuel Brug in der WELT kennen das von John Neumeier geschaffene Werk offenbar nur unvollständig, sonst würde letzterer nicht von einem Neumeier-Katafalk sprechen und einen harten Schnitt mit vielen Entlassungen im Sinne der Zukunft des Tanzes fordern. Welche Zukunft stellt sich Herr Brug denn vor? Vermutlich eine, die das Hamburger Ballett weniger hell leuchten lässt. Er kaut offenbar immer noch am Erfolg der Elbphilharmonie.
Die Zukunft des Tanzes mag woanders geschrieben werden, zum Beispiel auf Kampnagel. Die Zukunft des Balletts liegt unverändert beim Neumeier-Repertoire, zumindest für Hamburg und für die nächsten Jahre. Zumal alle großen Ballett-Zentren ihr spezifisches Repertoire und ihre jeweilige Ballettästhetik pflegen, erwähnt sei nur Stuttgart mit seinem Cranko-Oeuvre. Warum sollen wir in Hamburg unsere Ballett-Perlen in der Elbe versenken, nur weil einige Kritiker bodentänzerische Selbstverwirklichung auf der Bühne zu sehen wünschen?
Jedenfalls ist diese Gefahr zunächst gebannt. Lloyd Riggins, der großartige frühere Erste Solist, spätere Ballettmeister und jetzige Stellvertretende Ballettdirektor wird vorerst bis zum Ende der Saison 2025/26 die künstlerische Leitung übernehmen. Eingebunden in die Führungsebene werden auch noch Nicolas Hartmann, der jetzige Ballettbetriebsdirektor, sowie die Stellvertretende Leiterin der Ballettschule Gigi Hyatt. Ihre dringendste Aufgabe wird es wohl sein, die anstehenden Ballett-Tage neu zu strukturieren und Ersatz für Demis Volpis vorgesehenen Stücke Demian und Surrogate Cities zu finden sowie begnadete Tänzer wie Madoka Sugai und Alexandr Trusch im Ensemble zu halten.
Dr. Ralf Wegner, 10. Juni 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Kommentar: Ist Demis Volpi das Opfer einer Intrige? Hamburgische Staatsoper, 9. Juni 2025
Kommentar: Demis Volpi Hamburgische Staatsoper, 6. Juni 2025
Kommentar: Demis Volpi – wie soll es weitergehen? Hamburgische Staatsoper, 15. Mai 2025
Lieber Dr. Wegner,
ich möchte mich auf diesem Weg einmal kurz für Ihre kompetente Berichterstattung bedanken! Ich lese Ihre Kommentare über das Hamburger Opernhaus immer sehr interessiert. Besonders liegt mir das Hamburg Ballett am Herzen und ich habe wie alle Fans in den letzten Wochen sehr gelitten.
Sie haben mir mit Ihren sachkundigen Beiträgen stets aus dem Herzen gesprochen!
Herzlichen Dank hierfür,
C. Janssen