Ladas Klassikwelt 58: Der große Ruf der "Stillen Nacht"

Ladas Klassikwelt  58: Der große Ruf der „Stillen Nacht“  klassik-begeistert.de

von Jolanta Łada – Zielke 

Elbphilharmonie Weihnachten © Maxim Schulz

„Stille Nacht, heilige Nacht…“ – dieses Lied steht auf dem Programm fast jedes Weihnachtskonzerts. Sein Text wurde in über 300 Sprachen und Dialekte übersetzt. Wir verdanken die „Stille Nacht“ dem bescheidenen Organisten Franz Xaver Gruber aus Hochburg (Österreich). Die  Bewohner dieses Ortes beschlossen, Gruber durch eine Theateraufführung „Auf der Suche nach der ‚Stillen Nacht'“ bekannt zu machen.

Das Weihnachtslied wurde am 24. Dezember 1818 während der Mitternachtsmesse in der Kirche in Oberndorf uraufgeführt. Bald darauf verbreitete es sich auf der ganzen Welt, aber der Name des Komponisten wurde für einige Zeit vergessen. Als das Lied populär wurde, schrieb man seine Urheberschaft entweder Josef Haydn oder Wolfgang Amadé Mozart zu. Das einfache, lyrische Stück mit einer ruhigen, eingängigen Melodie passte jedoch nicht zum Stil der beiden Wiener Klassiker.

Eines Tages wies der Hofkapellmeister der Salzburger Sankt-Peter-Stiftung seinen Sekretär an, herauszufinden, wer das Weihnachtslied „Stille Nacht“ tatsächlich komponiert hatte. Die Suche von diesem Sekretär wurde der Inhalt des Theaterstückes von Martin Winklbauer aus Halsbach in Bayern. Die Aufführung findet jedes Jahr in der Pfarrkirche in Hochburg statt. Die verschiedenen Etappen der Reise des Sekretärs sind mit Szenen aus dem Leben des Komponisten Franz Xaver Gruber verflochten. Die Besetzung besteht aus über fünfzig Personen, und das sind die Einwohner von Hochburg. An der Vorstellung nimmt auch der Franz-Xaver-Gruber-Kinderchor teil.

Franz Xaver Gruber (1787-1863) war eines von sechs Kindern von Josef und Anna Gruber. Sein Vater hatte einen Webstuhl, den er an seinen Sohn weitergeben wollte. Daher arbeitete Franz bis zum Alter von achtzehn Jahren hauptsächlich mit Webstühlen. Andreas Peterlechner, der Lehrer in der örtlichen Schule, bemerkte das musikalische Talent des Jungen und begann ihm Geigen- und Orgelunterricht zu geben. Mit Volljährigkeit begann Gruber seine intensive musikalische Ausbildung beim Organisten Georg Hartdobler in Burghausen. 1816 übernahm er die Organisten-Stelle an der Nikolaikirche in Oberndorf. Dort komponierte er das Weihnachtslied „Stille Nacht“ zu dem Text von Josef Mohr.

Die Autoren des Spektakels zeigen, welch schwierige Kindheit Franz hatte, der Orgelspielen heimlich lernen musste. Er hatte kein eigenes Klavier, deshalb bastelte er eine provisorische Tastatur aus kleinen Holzbrettern, die er zwischen Querbalken der Hauswand steckte, und übte auf diesem „Instrument“. Ertappt, wurde Franz von seinem Vater verprügelt, der Musik zu machen für Zeitverschwendung hielt. Die Altersgenossen des Jungen lachten über seine ungewöhnlichen Interessen. Die Eltern wurden erst dann vom Talent und von der Lebensentscheidung des Sohnes überzeugt, als er den kranken Organisten während eines Sonntagsgottesdienstes mit Erfolg ersetzte. Martin Winklbauer präsentierte seinen Protagonisten als schüchternen Jungen, der in der Welt der Musik lebt, aber wenn es nötig ist, dem Bösen standhalten kann. In einer der Szenen rettet der junge Franz eine Magd, die von ein paar napoleonischen Soldaten belästigt wurde, deren Truppen 1806 Oberösterreich eroberten.

Nach der Aufführung steigen Vertreter verschiedener Nationalitäten auf die Bühne und singen – allein oder im Duett – eine Strophe von „Stille Nacht“ in ihrer Muttersprache vor. Sie kommen nicht nur aus Europa. Im Jahr 2009 hörte man, wie das Lied auf Swahili klang, und ein Jahr später sang es eine der Darstellerinnen auf Thailändisch. Ich war auch dabei  und habe mein Land vertreten – bei der Aufführung von „Stille Nacht“ in polnischer Sprache mit Gitarrenbegleitung. Die damalige Generalkonsulin der Republik Polen in München Elżbieta Sobótka lud mich ein, an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Sie begleitete mich auf der Bühne in einer Tracht von Łowicz gekleidet.

Allen, die im Advent Österreich besuchen, empfehle ich, nach Hochburg zu fahren und etwas von Franz Xaver Gruber, dem Autor des international bekannten Weihnachtsliedes, zu erfahren. Auf der Website www.fxgruber.at kann man sehen, wie die Hochburger Gemeinde die Erinnerung an ihn pflegt.

Jolanta Lada-Zielke, 14. Dezember 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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Jolanta Lada-Zielke, 49, kam in Krakau zur Welt,

hat an der Jagiellonen-Universität Polnische Sprache und Literatur studiert und danach das Journalistik-Studium an der Päpstlichen Universität Krakau abgeschlossen. Gleichzeitig absolvierte sie ein Gesangsdiplom in der Musikoberschule Władysław Żeleński in Krakau. Als Journalistin war Jolanta zehn Jahre beim Akademischen Radiorundfunksender Krakau angestellt, arbeitete auch mit Radio RMF Classic, und Radio ART anlässlich der Bayreuther Festspiele zusammen. 2003 bekam sie ein Stipendium vom Goethe-Institut Krakau. Für ihre  journalistische Arbeit wurde sie 2007 mit der Jubiläumsmedaille von 25 Jahren der Päpstlichen Universität ausgezeichnet. 2009 ist sie der Liebe wegen nach Deutschland gezogen, zunächst nach München, seit 2013 lebt sie in Hamburg, wo sie als freiberufliche Journalistin tätig ist. Ihre Artikel erscheinen in der polnischen Musikfachzeitschrift „Ruch Muzyczny“, in der Theaterzeitung „Didaskalia“, in der kulturellen Zeitschrift für Polen in Bayern und Baden-Württemberg „Moje Miasto“ sowie auf dem Online-Portal „Culture Avenue“ in den USA.  Jolanta ist eine leidenschaftliche Chor-und Solo-Sängerin. Zu ihrem Repertoire gehören vor allem geistliche und künstlerische Lieder sowie Schlager aus den Zwanzigern und Dreißigern. Sie ist seit 2019 Autorin für klassik-beigeistert.de.

 

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