Lang Lang brilliert mit Mendelssohn’scher Gefühlswallungen   

Lang Lang, Barenboim & WEDO  Bremer Konzerthaus, Die Glocke, 9. August 2025

Sonderkonzert WEDO Lang Lang © Patric Leo

Musikfest Bremen Sonderkonzert: West-Eastern Divan Orchestra

Felix Mendelssohn Bartholdy   Klavierkonzert Nr. 1 g-Moll op. 25
Ludwig van Beethoven   Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 „Eroica“

Lang Lang   Klavier
Daniel Barenboim   Dirigent
West-Eastern Divan Orchestra

Bremer Konzerthaus, Die Glocke, 9. August 2025

von Dr. Gerd Klingeberg

Mit seinem charmanten Auftrittslächeln hat Lang Lang unmittelbar die Sympathien der Zuhörer gewonnen. Auf seine brillanten pianistischen Qualitäten muss man nicht lange warten: Nach dem ziemlich knappen, geradezu schon ruppig markanten orchestralen Blitzstart von Mendelssohns Klavierkonzerts Nr. 1 steigt der weltweit gefragte Pianist mit gleichermaßen energisch zupackendem Anschlag ein.
Die nahezu unzähligen Läufe und komplexen Figurationen führt er locker und in dezidierter Pointierung aus. Bereits im ersten kurzen Solopart erlebt man ihn hingegen – jetzt vor zarter orchestraler Kulisse – einschmeichelnd sanft, geradezu liebevoll die Tasten streichelnd. Um kurz darauf wieder ungestüm voranzudrängen, bis satte Blechbläserfanfaren den Übergang zum ruhigen Mittelsatz-Andante markieren. Lang Lang geht ihn überaus verhalten, stark entschleunigend an, eher Adagio als Andante, ein berührendes Tableau der Ruhe; seine Körpersprache, sein tiefes Hinunterbeugen auf die Tastatur unterstreicht sein inniges Spiel.

Das Orchester führt die lyrische Vorgabe nahtlos in warmtönigen Klangfarben fort. Die äußerst einfühlsam dargebotenen, zum Zerfließen schönen Harmonien mit teils großwolkigen Einwürfen werden zu einem wahren Fest für Fans hochromantischer Musik; das hauchfeine Satzende scheint mit leicht melancholischer Färbung wie im Nichts zu entschweben. Umso kontrastierender startet der von erneut heftigen Blechbläserfanfaren eingeleitete Presto-Finalsatz.

Lang Lang © Olaf Heine

Grandios interpretierte Liebeserklärung

Höchst virtuos meistert Lang Lang seinen Part, oft stakkato-präzise und schroff konturiert, mit dennoch reichlich tänzerischem Impetus und agil flirrend. Ein kurzes, aber sehr deutliches Ritardando lässt nur vermeintlich Raum für minimale Momente des Atemholens; dann startet der Pianist bei fesselnd akzelerierendem Spiel zum mitreißenden finalen Sturmlauf. Er wird zum überzeugenden Abschluss einer durchweg grandiosen, vom Publikum sehr begeistert gefeierten Interpretation eines Werkes, welches, wie sich bestens nachempfinden lässt, von Felix Mendelssohn Bartholdy als Anfangs-Zwanziger dereinst komponiert wurde, mutmaßlich im überbordenden Hoch seiner Emotionen, nämlich als eine musikalische Liebeserklärung an die attraktive siebzehnjährige Pianistin Delphine von Schauroth.

Beethovens Eroica in vorwiegend dynamischer Kontrastierung

Für den zweiten Teil des Konzertabends steht für das groß besetzte Orchester, in dem sich seit 1999 profilierte Musiker aus unterschiedlichen Staaten des Nahen Ostens zusammengefunden haben, mit Beethovens Sinfonie Nr. 3 „Eroica“ ein sinfonisches Schwergewicht auf dem Programm.

Mitbegründer und Maestro Daniel Barenboim hat unter dem Beifall der Zuhörer mit weitgehend sicheren Schritten seinen Sitzplatz am Dirigierpult eingenommen. Im Gegensatz zu seinem letztjährigen Auftritt in Bremen wirkt er deutlich stabiler. Die beiden Eingangsakkorde kommen hart wie Donnerschläge. Aber Barenboim setzt von Beginn an auf insgesamt ungewohnt moderate Tempi. Das Allegro des Kopfsatzes wirkt eher bedächtig, sein „con  brio“-Zusatz ist allenfalls andeutungsweise zu erahnen. Metrische Varianten, etwa hier und da Spannung aufbauende accelerando- oder ritenuto-Ausführungen, sind selten und dann auch nur wenig ausgeprägt; stattdessen setzt Barenboim auf intensive dynamische Kontraste.

Sonderkonzert WEDO Lang Lang © Patric Leo

Bei einer orchestralen Grundierung durch immerhin acht Kontrabässe kommt die namensgebende heroische Note des Werkes dabei vor allem in voluminöser Klangfülle zum Ausdruck.

Schwächen dieser Interpretation zeigen sich indes im 2. Satz Marcia funebre: Adagio assai. Überaus breit, schwergewichtig und düster, aber eben trotz imponierend donnernder Fortissimos auch ziemlich spannungslos gerät die Gestaltung. Mag sein, dass Barenboim hier eine Art Requiem für die zahllosen Opfer nahöstlicher Kriegsgräuel angedacht hat; ein politischer Hintergrund lässt sich schließlich aus der ursprünglich für Napoleon vorgesehenen, später jedoch zurückgenommenen Widmung der Eroica durchaus erschließen.

Ob man damit Beethovens kompositorischen Intentionen tatsächlich gerecht wird, erscheint allerdings eher fraglich.
Besser, ansprechender folgt das pianissimo in luftigem Spiccato von den Streichern eingeleitete, melodiös von den Holzbläsern aufgenommene Scherzo mit seinen zwischenzeitlichen Eruptionen. Und auch der Schlusssatz Allegro molto spielt mit markanten dynamischen Wechseln.

Schade, dabei dass die klangvollen Melodieeinwürfe der Holzbläser teils allzu sehr vom opulenten Orchestersound überdeckt werden. Nach dem kurzen Poco Andante-Zwischenspiel geht Barenboim in der Finalphase tatsächlich in ein deutlich strafferes Tempo, so wie man es sich schon viel früher gewünscht hätte: Ende gut, alles gut.

Das Publikum  bedankt sich mit lang anhaltendem Beifall, Bravo-Rufen und Standing Ovations.

Dr. Gerd Klingeberg, 10. August 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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