Silke Aichhorn, Harfe – Fotograf Sven-Kristian Wolf rechtefrei
Lantern-Light Melodies
Wolfgang Amadeus Mozart: Serenade Nr. 13 G-Dur KV 525 „Eine kleine Nachtmusik“
Georg Friedrich Händel: Harfenkonzert B-Dur op.4 Nr. 6, HWV 294
Gustav Mahler: Adagietto aus Sinfonie Nr. 5 cis-Moll
Antonín Dvořák: Serenade E-Dur op. 22
Silke Aichhorn Harfe
Ervis Gega Violine und Leitung
Klassische Philharmonie Bonn
Bremer Konzerthaus Die Glocke, 30. März 2025
von Dr. Gerd Klingeberg
Die imposante Konzertharfe steht wie zur Begrüßung mittig auf der Bühne und lässt für diesen Konzertabend Besonderes erahnen. Bei Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ bleibt sie indes noch ungespielt: Das wohl bekannteste Werk des Komponisten ist lediglich für eine Streicherbesetzung gedacht. Vermutlich könnten es viele der Zuhörer problemlos mitpfeifen, so simpel erscheint die Melodielinie.
Was vielleicht der Grund dafür sein mag, dass es nur selten von renommierten Ensembles vorgetragen wird. Doch die luftige Leichtigkeit setzt spieltechnisch hohe Präzision voraus. Und damit kann die Klassische Philharmonie Bonn von Beginn an perfekt punkten. Dezente Hinweise von Ervis Gerga am Konzertmeisterinnenpult reichen aus, um unmittelbar in den schwingenden Drive, in die klangvolle Eleganz eines durchweg beeindruckend homogenen Zusammenspiels einzutauchen. Und siehe da, der ultimative Mozart-Ohrwurm, den man längst bis ins Kleinste zu kennen meint, wirkt so gar nicht abgenudelt, sondern überraschend spannungsvoll frisch und heiter wie ein wolkenloser lauer Sommerabend.
Brillant ausgeführte Harfenfigurationen
Die unterhaltsame, entspannend heimelige Atmosphäre, die zudem durch die Lichter etlicher elektrischer Laternen auf der Bühne betont wird, kommt auch bei Händels Harfenkonzert zum Ausdruck. Silke Aichhorn erweist sich von Beginn an als routinierte, äußerst griffsichere Harfenistin mit ausgeprägtem Gespür für eine gefällige, durchweg nuanciert angelegte Gestaltung. Im ruhigen Mittelsatz „Larghetto“ überwiegen die sehr feinen, einschmeichelnd zart leuchtenden Töne; die kurze Kadenz erklingt perlend lebhaft in mitreißendem Metrum. Bei den Ecksätzen brilliert Aichhorn mit virtuos angeschlagenen, rasanten Figurationen und kunstvollen, von breiten Streicherakkorden unterlegten Arabesken.

Ungeachtet ihrer derzeit arg angeschlagenen Stimme lässt es sich die sympathische Musikerin nicht nehmen, den begeisterten Zuhörern in humorvollen Worten einiges über ihr Instrument zu erzählen, etwa, dass es mit Händen und Füßen gespielt wird und leider mit zunehmendem Alter nicht wie eine Geige teurer, sondern wie ein Auto immer schlechter wird – und das bei einem „Kilopreis von rund 1300 Euro“ ihrer immerhin 40 Kilo schweren, bereits siebten Konzertharfe. Das macht schon eine Menge Eindruck.
Aber mehr noch fasziniert Aichhorn mit ihrer Zugabe: Smetanas „Moldau“ in Bearbeitung für Harfe solo. Atmosphärisch dicht und überaus bildhaft gerät ihre Darbietung. Da plätschert die Quelle in perlenden Arpeggien, da rauscht es als tosende Glissandos bei den Stromschnellen, da imponieren die hohen Mauern der Burgen am Ufer des großen Flusses in dunklen tiefen Akkorden. Unglaubliches hat Aichhorn an wahrhafter Fingerakrobatik zu leisten, aber sie macht es schlichtweg bravourös. Weil der begeisterte Beifall auch jetzt noch nicht enden will, legt sie ein weiteres Schmankerl nach und imitiert kurzerhand, selbstverständlich nicht minder gekonnt, den Klang einer Gitarre bei „Recuerdos de la Alhambra“ von Francisco Tárrega.

Melancholie und stimmungsvoll entspannte Serenadenatmosphäre
Nach der Pause vermittelt Mahlers berühmtes „Adagietto“ – das von manchem als das vielleicht traurigste, zugleich aber auch schönste Musikstück empfunden wird – eine spürbar andere, stark expressiv melancholische Stimmung. Das Zusammenspiel sanfter Streicher- und Harfentimbres wirkt zutiefst ergreifend; der pure Schönklang rührt die Herzen mit seinen hochflorig samtenen, wie aus fernen Sphären herüberwehenden Harmonien, die mit einem Moment völliger Stille im Saal enden.
Antonín Dvořáks Streicherserenade verströmt anschließend eine jetzt wieder wohlig ungezwungene, frohgemute Abendatmosphäre; die so gar nicht „unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ ist zurück. Passioniert gehen die Philharmoniker ans Werk, mit spritzig pointierter Gestaltung, gut durchdachter Phrasierung und stimmigen Akzentsetzungen. Bei den mit Herzblut gestrichenen, hauchzart einhüllenden Harmonien des zum Wegträumen schönen 4. Satzes „Larghetto“ möchte man unwillkürlich die Augen schließen. Die scharf konturierten Aufwärtsquarten des finalen Allegro-Satzes holen indes schnell zurück in die Gegenwart.
Schluss mit sanftem Sinnieren: Das Ensemble kann auch straff und zupackend; es präsentiert die böhmisch folkloristisch gefärbten Partien mit ausgeprägtem Elan bis hin zur Generalpause, dem nur scheinbaren Ende, und setzt nachfolgend mit der kurzen, fetzig dargebotenen Stretta einen großartigen Schlussakzent.
Ein verzauberndes Fest für die Sinne hatten die Ausführenden vorab angekündigt. Und sie haben ihr Versprechen zweifellos eingelöst, wie das entspannte Lächeln vieler Zuhörer beim Hinausgehen beweist.
Dr. Gerd Klingeberg, 31. März 2025, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Harfenistin Silke Aichhorn Bad Breisig, Christuskirche, 28. März 2025
Silke Aichhorn und Lisa Wellisch Elbphilharmonie, Kleiner Saal, 9. November 2024