Káťas innere Zerissenheit raubt mir die Sinne

Leoš Janáček,  Káťa Kabanová  Felsenreitschule, Salzburg, 11. August 2022

Corinne Winters (Káťa). Foto: Monika Rittershaus/Salzburger Festspiele

Felsenreitschule, Salzburg, 11. August 2022

Leoš Janáček    Káťa Kabanová

Oper in drei Akten (1921)

Libretto von Leoš Janáček nach dem Schauspiel Das Gewitter (1859) von Alexander Nikolajewitsch Ostrowski in der tschechischen Übersetzung von Vincenc Červinka

von Frank Heublein

In der Felsenreitschule in Salzburg wird heute Káťa Kabanová von Leoš Janáček aufgeführt. Verdienter aufbrandender Schlussapplaus für Sopran Corinne Winters in der titelgebenden Hauptrolle. Sie singt wahrhaftig und inbrünstig die innere Zerrissenheit, die Religiosität, die treue zugeneigte Ehefrau Tichons, aber auch die Boris liebende seitenspringende Frau.

Corinne Winters Sopran hat eine warme Note. In den liebenden leisen Szenen im ersten und zweiten Akt schmeichelt ihre Stimme. Zugleich kann sie ansatzlos umschalten und ich höre eine dramatische energetische Stimme, wenn sie der innere Zweifel, die sündige Versuchung peinigt. Im dritten Akt höre ich dann von ihr eine endgültig zerrissen verzweifelte Stimme. Sie stößt alle durch ihr Geständnis des Seitensprungs mit Boris von sich weg. Erleichterung bringt es ihr nicht. Als Boris in einem ersehnten Zusammentreffen berichtet, von seinem Onkel auf Geschäftsreise nach Sibirien geschickt zu werden, springt sie in die Wolga und nimmt sich das Leben.

Janáčeks Musik setzt die Emotionalität der Figuren fort, vertieft und vergrößert sie. Mein Fokus springt von den Figuren auf der Bühne zum Orchester und wieder zurück. Überraschend und eindrucksvoll sind die wohl gesetzten Generalpausen, die mich in atemlose Spannung versetzen. Jakub Hrůša entlockt den Wiener Philharmonikern abrupt wechselnde Klangfarben, die in einem Moment romantisch melodisch, im darauffolgenden aggressiv gebrochen klingen.

Boris Grigorjevič singt Tenor David Butt Philip, Káťa aufrichtig liebend mit fester Stimme. Er ist Spielball seines Onkels Savjol Prokofjevič Dikoj. Diese Abhängigkeit vermag er für die Liebe zu Káťa nicht zu überwinden. Die Mezzorolle Marfa Ignatěvna Kabanová singt Sopran Evelyn Herlitzius. Klar kalt schneidend klingt sie, bedrohlich, aggressiv und grob. Eine fiese gemeine Rolle, die Evelyn Herlitzius stark und überzeugend ausprägt.

Jarmila Bálažová (Varvara), Corinne Winters (Katja). Foto: Monika Rittershaus /Salzburger Festspiele.

Tenor Benjamin Hulett singt Váňa Kudrjáš als beschwingten nach Varvavas Liebe spechtenden warm temperiert. Varvara wird von Mezzosopran Jarmila Balážová eindrucksvoll interpretiert. Sie als Pflegetochter Marfas und Káťa wohnen im selben Haushalt und sind Vertraute. Varvara geht mit der Liebe und Liebhabern gänzlich anders um als Káťa. Sie kennt keinen inneren Zweifel und lässt sich von der Liebe zu Váňa leiten. Deshalb stiftet sie die Ehefrau Káťa auch noch an, sich mit Boris zu treffen und die Treue zu brechen. Jarmila Balážovás entspannte strahlkräftige Stimme und ihr Spiel bringt mir die Unbeschwertheit der Figur nahe.

Barrie Kosky lässt in seiner Inszenierung Licht und menschliche Körper die Handlung auf der Bühne rahmen. Unterschiedliche Massenformationen mit dem Rücken zum Publikum in unterschiedlicher Ausleuchtung zeugen von der ständigen Beobachtung jeder Handlung in einer Kleinstadt. Zeugen vom stillschweigenden moralischen Druck der Gesellschaft. Die unermessliche Breite der Felsenreitschule gewinnt mit diesen menschlichen Rücken eine beständige bedrohliche düstere Atmosphäre.

Diese Aufführung überzeugt mich in allen Partien, in allen künstlerischen Bereichen. Voller Einsatz. Tolle Performance.

Frank Heublein, 12. August 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Für alle, die keine Tickets bekommen oder nicht so einfach den Weg nach Salzburg finden können: Die Inszenierung können Sie im Fernsehen auf ORF 2 (15.08.2022 11:05) und in 3sat (20.08.2022 20:15) anschauen und -hören.

Besetzung

Musikalische Leitung   Jakub Hrůša
Choreinstudierung   Huw Rhys James
Regie   Barrie Kosky
Bühne   Rufus Didwiszus
Kostüme   Victoria Behr
Licht   Franck Evin
Dramaturgie   Christian Arseni

Besetzung

Savjol Prokofjevič Dikoj   Jens Larsen
Boris Grigorjevič   David Butt Philip
Marfa Ignatěvna Kabanová (Kabanicha)  Evelyn Herlitzius
Tichon Ivanyč Kabanov  Jaroslav Březina
Katěrina (Káťa)   Corinne Winters
Váňa Kudrjáš   Benjamin Hulett
Varvara   Jarmila Balážová
Kuligin   Michael Mofidian
Glaša/Eine Frau   Nicole Chirka
Fekluša   Ann-Kathrin Niemczyk

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker

Leoš Janáček „Katja Kabanova“ Salzburger Festspiele, Felsenreitschule, 7. August 2022 PREMIERE

Leoš Janácek, Katja Kabanova, Hamburgische Staatsoper, 24. September 2019

Leoš Janáček, Kátja Kabanová, Wiener Staatsoper

 

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