Foto: M. Goerne ©Marco Borggreve – M. Hinterhäuser ©Julia Stix
Liederabend Goerne · Hinterhäuser, Salzburger Festspiele,
Haus für Mozart, 13.08.2018
Mathias Goerne – Bariton
Markus Hinterhäuser – Klavier
Robert Schumann
Sechs Gedichte nach Nikolaus Lenau und Requiem op. 90
Der Einsiedler op. 83/3
Liederkreis nach Gedichten von Joseph von Eichendorff op. 39
Wer nie sein Brot mit Tränen aß op. 98a/4
Wer sich der Einsamkeit ergibt op. 98a/6
An die Türen will ich schleichen op. 98a/8
Die Löwenbraut op. 31/1
Lieder nach Gedichten der Königin Maria Stuart op. 135
von Raphael Eckardt
Mit Matthias Goerne und Markus Hinterhäuser waren im Rahmen der diesjährigen Salzburger Sommerfestspiele am vergangenen Montag zwei absolute Ausnahmekönner zu hören, die bereits seit einigen Jahren regelmäßig für Sternstunden in der Klassikwelt sorgen. Vor einem guten Jahr haben beide Künstler gemeinsam Lieder von Robert Schumann aufgenommen – unter anderem aus den Lenau-Vertonungen op. 90 und aus den Gesängen op. 89. Just jenes Programm, das nun an einem lauen Sommerabend in Salzburg zu hören war. Und dieser Sommerabend sollte es in sich haben! Im Gegensatz zu anderen Baritongrößen der Klassikwelt, wie etwa Christian Gerhaher, seines Zeichens ausgewiesener Spezialist für Interpretationen romantischer Kunstlieder, steht bei Goernes Darbietungen die Sprache, das Deklamatorische nur selten im Vordergrund. Ein Faktor, der sich bei Schumanns feinsinnlichen Kompositionen als goldglänzender Reingewinn entpuppen sollte.
Denn Lieder von Robert Schumann gehören mit zum Komplexesten, was die Klassikwelt je hervorgebracht hat. Lieder über Liebe, Schmerz und Tod, geschrieben von einem manisch-depressiven Komponisten, den man in Musikerkreisen gerne einmal als den genialsten Stern am Komponistenhimmel bezeichnet, als einen Träumer, der vielleicht sogar ein wenig zu viel Kreativität für diese Welt besaß. Schumanns Werke sind selten leichte Kost und erfordern jede Menge Einfühlungsvermögen und künstlerisches Fingerspitzengefühl. Herausfordernde Elemente, die Goerne und Hinterhäuser an diesem Abend nahe an der Perfektion auf die Bühne bringen sollten. Fabelhaft!
Mit sechs Gedichtvertonungen nach Nikolaus Lenau und dem anschließenden Requiem gelang Goerne und Hinterhäuser gleich zu Beginn ein erster musikalischer Höhepunkt. Da sind fein goldene Fäden zu hören, die sich, in dichten Nebel hüllend, unaufhaltbar ihren Weg gen Horizont bahnen. Fein artikulierte, gebrochene Akkordketten am Klavier verschmelzen wunderbar mit heiß brodelnden Stimmfeuern. Goernes Bariton erklingt als wild polterndes Ungeheuer und verliebter Träumer zugleich. Immer wieder werden herrlich dahinfließende Motive zu unaufbrechbaren Einheiten verwoben. Was die Interpretation beider Künstler prägt, ist absolute Dringlichkeit und punktgenaue Prägnanz. Nicht zuletzt deswegen, weil beide jede Note als nuancenreichen Ausdruck tiefer Beseeltheit verstehen und weil Goernes weit tragender Bariton mitunter als Klangteppich für Hinterhäusers dünnes, aber hoch präzises Klavierspiel zu dienen vermag. Vor allem im finalen Requiem schweben düstere, dunkelrote Sphären durch den Raum. Sich langsam zu bedrohlichen Stricken verwebend, legen sie sich immer enger um die Herzens des Publikums. Hier und da blitzen helle Töne wie funkelnde Sterne in der bedrohlich wirkenden Dunkelheit auf („Dem Gerechten leuchten helle Sterne in des Grabes Zelle. Ihm, der selbst als Stern der Nacht wird erscheinen!“). Mein lieber Freund, das ist ganz, ganz große Klasse!
Neben einem wahrlich famos vorgetragenen Block aus Eichendorff-Vertonungen können dann vor allem drei Lieder aus „Wilhelm Meister“ überzeugen. Trotz minimaler stimmlicher Unsicherheiten gelingt es den beiden, in großem Maße musikalische Intimität herzustellen und den Zuhörer selbst in den Bann dieser schillernd tönenden, nächtlich-mystischen Seelenmusik zu ziehen. Hinterhäuser gibt sich als Architekt eines fein verzierten, gotisch anmutenden Klangschlosses, dessen nuancenreicher Bauschmuck bei genauerem Hinsehen immer neu zu überraschen weiß. In der wundervollen Ballade „Wer sich der Einsamkeit ergibt“ (op. 98a/6) werden gebrochen verminderte Akkorde mit intelligenten Ritardandi versehen und Achtelketten durch feines Pedalspiel silbergrau vernebelt. Als dann plötzlich Goernes seidenblau schimmernder Bariton einsetzt, schwingen sich sämtliche musikalische Phasen in nie gewähnte, schwindelerregende Sphären auf. Das Gefühl absoluter Erhabenheit, verbunden mit tiefem Respekt sollte abschließend auch eine phänomenale Interpretation von Schumanns Maria Stuart-Vertonungen (op. 135) wie ein roter Faden durchziehen. Chapeau die Herren, ein Liederabend dieser Klasse ist wahrlich nicht oft zu hören!
Neben der unbestreitbaren interpretatorischen Klasse Markus Hinterhäusers ist es vor allem Goernes Baritonstimme – der zwar vielleicht der letzte Feinschliff an Artikulation fehlt, die dafür aber beachtliches klangliches Nuancenreichtum vorzuweisen hat – , die aus Sinn und Sinnlichkeit in Schumanns Musik keinen Gegensatz, sondern eine eng verschmolzene Einheit zu kreieren weiß. Welch ein herausragender Abend!
Raphael Eckardt, 14. August
für klassik-begeistert.de