Salzburger Festspiele: Musik als als einendes Element

Lisa Batiashvili, Daniel Barenboim, West-Eastern Divan Orchestra,  Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus

Foto: © Salzburger Festspiele / Marco Borrelli (c)
Salzburger Festspiele, Großes Festspielhaus, 17. August 2018
West-Eastern Divan Orchestra
PETER I. TSCHAIKOWSKI Polonaise aus dem dritten Akt der Oper Eugen Onegin op. 24
PETER I. TSCHAIKOWSKI Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35
CLAUDE DEBUSSY La Mer – Trois esquisses symphoniques
ALEXANDER SKRJABIN Le Poème de l’extase op. 54
Lisa Batiashvili, Violine
Daniel Barenboim, Dirigent

von Antonia Tremmel-Scheinost

Vor nahezu zwei Jahrzehnten riefen Daniel Barenboim und Edward Said einen einzigartigen, arabische und israelische Jungmusiker vereinenden Klangkörper ins Leben. Einst vom Maestro als für „beinahe unmöglich“ befunden, tönt die gemeinsame Botschaft eines friedlichen Miteinanders seit langer Zeit auf den Bühnen dieser Welt. Von solch einer fleischgewordenen Utopie mit Altmeister Barenboim in der Rolle des interkulturellen Chefbrückenbauers wurde das Salzburger Festspielpublikum durch einen Abend des musikalischen und menschlichen Dialoges geführt. Die klangliche Qualität wiederum changierte zwischen Ebbe und Flut.

Programmatisch breit aufgestellt, wurde ein Bogen von Schlüsselwerken der Spätromantik bis hin zu impressionistischen Gustostückerln gespannt. Die Eröffnung des Reigens nahm Tschaikowskis Polonaise aus dem dritten Akt der Oper „Eugen Onegin“ op. 24. für sich in Anspruch. Klangschön und mit gebührendem Impetus mündete dieses kurze und rasch abflauende Anfangsintermezzo in einem Schlachtross des Konzertrepertoires: Um Peter Tschaikowskis berühmtes Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 35 bewältigen zu können, muss ein Solist über nahezu herkulische Kräfte verfügen.

Dessen ungeachtet erwies sich die georgische Violinistin Lisa Batiashvili diesem Prüfstein mehr als gewachsen. Ihr fantasievoll-virtuoses und technisch einwandfreies Spiel war geprägt von Sanftmut und üppigen Schattierungen ohne an Spannung oder vitaler rhythmischer Gestaltung einzubüßen. Einzig und allein ein Mehr an Dialog mit dem Orchesterkörper wäre wünschenswert gewesen. Als Zugabe stimmte Batiashvili mit Michael Barenboim – seines Zeichens Konzertmeister und Sohn in Personalunion einen fidelen Ausschnitt einer Leclair-Violinsonate an. Prädikat Gelungen.

Der zweite Teil des Abends setzte sich aus Debussys sinfonischer Skizze „La Mer“ und Skrjabins „Le Poème de l’Extase“ op. 54 zusammen. Claude Debussys pittoreskes Triptychon ist von raffinierter Motivistik einer sich konstant aufbauenden und brechenden Welle durchzogen. Daniel Barenboim wusste sein Orchester mit viel Routine und Verständnis durch die komplexen Strukturen der Partitur zu führen. Obwohl der impressionistische Gezeitenstrom einige Male abebbte und es der zweiten Skizze („Jeux de vagues“) stellenweise an Plastizität in mangelte, gelang der Aufbau orchestraler Spannkraft im Hinblick auf die imposante Coda hervorragend.

Abschließend setzte sich das West-Eastern Divan Orchestra mit Alexander Skrjabins großbesetztem „Le Poème de l’Extase“ auseinander. Des Komponisten Idee von Ekstase, sein Kampf mit dem Sein, findet sich in diesem Werk als musikalisches Ritual wieder. Dem Orchester glückte eine exemplarische Verdeutlichung allerlei klanglicher und harmonischer Kühnheiten aufs Beste. Das Publikum dankte es mit Standing Ovations. Als Zugabe flutete schlussendlich Edward Elgars 9. Variation Nimrod aus den Enigma-Variationen op. 36 auf leisen Sohlen den Saal. Welch gebührender Abschluss, um Musik als gemeinsames Erlebnis mit allen Höhen und Tiefen und als einendes Element hervorzuheben.

Antonia Tremmel-Scheinost, 19. August 2018, für klassik-begeistert.de

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