Foto. © Alexei Molchanovsky
Kölner Philharmonie
Lucas Debargue Klavier
Russian National Orchestra
Mikhail Pletnev Dirigent
Mieczysław Karłowicz Serenade C-Dur op. 2 (1897) für Streichorchester Maurice Ravel Konzert für Klavier und Orchester G-Dur (1929–31)
Peter Iljitsch Tschaikowsky Sinfonie Nr. 3 D-Dur op. 29 ČS 23 (1875) „Polnische“
Zugabe: Aram Khatchaturian Walzer aus: Suite aus der Bühnenmusik „Maskarad“ (1944)
von Sarah Schindler
Mikhail Pletnev schert sich nicht um Tempovorgaben eines Komponisten. Das konnte man zuletzt in der Kölner Philharmonie erleben, als er sich bei einem Solo-Abend ausgewählten Klavierstücken Sergej Rachmaninovs widmete. Was damals allerdings ganz wunderbar funktionierte, überzeugte an diesem Abend nur bedingt.
Der Abend begann mit der Serenade für Streichorchester in C-Dur von Mieczysław Karłowicz, das einen erfrischenden Auftakt für das Konzert versprach. Man hörte deutlich die Nachromantik mit ihren Übergängen zur Moderne, aber es wäre schön gewesen, wenn hier mehr auf die Agilität des Werks statt auf eine plattgetretene Darstellung geachtet worden wäre. Das Orchester strebte zwar immer wieder eigenwillig nach vorne, Pletnev bremste aber leider zu oft und die Serenade driftete zu häufig in einen mäandernden Fortgang ab, statt schwungvoll den Abend einzuleiten.
Lucas Debargue stand ganz konträr zu Pletnevs Vorstellungen zu Tempi und Akzentuierung. Der junge Pianist gab vor allem dem ersten Satz des Klavierkonzerts von Maurice Ravel in G-Dur seine ganz eigene Note, indem er oftmals eigenwillig das Tempo anzog und mit der Akzentuierung innerhalb der Phrasen spielte. Das Orchester stellte sich zwar oft darauf ein, aber erst im zweiten Satz fanden sie zueinander. Das hörte man vor allem daran, dass Debargue hier seine Eigenwilligkeit deutlich zurückschraubte und dem Orchester mehr Platz für Entfaltung ließ.
Hervorzuheben ist in diesem langsamen Satz aber vor allem sein Umgang mit den Pedalen: Im Gegensatz zu manchem Kollegen benutzte Debargue nur sehr sparsam das rechte Pedal, dafür widmete er sich auch dem linken. Das wiederum ergab einen faszinierenden Klang, der von dem abweicht, was man sonst vom zweiten Satz des Ravelschen Klavierkonzerts erwarten würde. Der dritte Satz war, sowohl vom Pianisten als auch vom Orchester wunderbar treibend und dennoch präzise. Pletnev ließ Debargue das Tempo übernehmen, und dieser nahm die Einladung dankbar an. Selten war bei Ravels Klavierkonzert so viel Spielfreude zu sehen wie bei dem jungen Franzosen. Er bewies dann vor allem in seiner Zugabe (Fauré), dass er so richtig aufdrehen kann, wenn man ihn lässt. Mit seinem leichten und eleganten Spiel macht er Lust auf mehr – zum Beispiel auf einen ganz eigenen Klavierabend.
Nach der Pause wagte sich das Russische Nationalorchester an die recht schwierige Tschaikowsky-Sinfonie Nr. 3. Die „Polnische“ ist vor allem durch ihre doch recht indifferenten Mittelsätze für so manchen Zuhörer schwierig. Negativ auffallend waren, vor allem bei den Ecksätzen, die viel zu prägnante Solotrompete und die erste Posaune. Geradezu in aufdringlicher Manier schiebten sich die Musiker in den Vordergrund. Das täuschte allerdings nur wenig über die Schwächen in den Höhen der Orchesterstimmen hinweg. Pletnev konzentrierte sich zu sehr auf das Offensichtliche, entblößte damit aber Schwächen in den durchaus spannenden Mitten der Binnensätze.
Besonders hervorgehoben müssen dennoch die tiefen Stimmen in den Reihen des Russischen Nationalorchesters. Allen voran die Bässe: Ein Traum! Hätte sich Pletnev mehr auf sie und die Celli konzentriert, hätte Tschaikowskys Sinfonie die Stimmung bekommen, die man zumindest in den Ecksätzen erwarten konnte. Das hätte auch dabei geholfen über die drei mittleren, eher wenig spektakulär angegangenen Sätze hinwegzutrösten. Denn eine dramaturgische Spannung kam so gut wie nie auf, hätte es aber für die 3. Sinfonie gebraucht. Gerade, weil man sie so selten live zu hören bekommt. Zwar war der Applaus nach den finalen Takten überschwänglich, eingefleischte Tschaikowsky-Liebhaber konnten aber leider nicht überzeugt werden.
Die Zugabe, Khatchaturians „Maskerade“, wirkte dann abschließend wie eine Kür – völlig losgelöst zeigt das Orchester wahre Spielfreude. Das wirft natürlich die Frage auf, ob das vorangegangene Programm sich für die Musiker wie eine Pflicht angefühlt hat. So hörte es sich nämlich leider über weite Strecken lang an.
Sarah Schindler, 12. April 2018, für
klassik-begeistert.de