Bruckner und sein Meister – Riccardo Chailly überzeugt mit dem Lucerne Festival Orchestra

Lucerne Festival Orchestra,  Riccardo Chailly, Wagner, Bruckner,  Lucerne Festival, Kultur- und Kongresszentrum Luzern

Foto: Lucerne Festival Peter Fischli (c)
Lucerne Festival, Kultur- und Kongresszentrum Luzern, Konzertsaal, 
25. August2018
Lucerne Festival Orchestra
Riccardo Chailly Leitung

Richard Wagner
Ouvertüre zur Oper Rienzi
Ouvertüre zur Romantischen Oper Der fliegende Holländer
Anton Bruckner
Sinfonie Nr. 7 E-Dur WAB 107

von Sarah Schnoor

Wenn man das Ravel-Programm am Vortag gehört hat, erwartet man Großartiges für diesen Abend mit dem für das Lucerne Festival Orchestra eher typischen Bruckner. Der Chefdirigent des Festivalorchesters versucht seit 2016 als Nachfolger von Claudio Abbado ein breiteres Programm mit dem Orchester auch über seine Traditionen hinaus zu erschließen. An diesem Abend geht er mit Bruckner jedoch mit der Tradition und bleibt beim Thema Tradition, indem er einleitend Bruckners eigene Inspiration, den von ihm verehrten Meister Richard Wagner, spielen lässt. Und zwar nicht irgendeinen Wagner, sondern den frühen, von den Italienern geprägten Wagner. „Kindheit“ ist das Thema des diesjährigen Festivals, und Einflüsse von anderen sind natürlich besonders in den jungen Jahren sehr stark – so auch auf die Musiker und ihre Kompositionen.

Riccardo Chailly, ganz nach seiner Ausbildung an der Mailänder Scala, dirigiert eine romantisch verliebte und absolut italienische Ouvertüre von Wagners Frühwerk „Rienzi“. Mit einem strahlenden a‘ eröffnet Jeroen Berwaerts (Solo-Tompete) das Konzert. Schicksalhaft getragen bauen die Streicher den Kosmos der Oper auf, bis es schwungvoll italienisch ausufert. Vater und Sohn (Raphael und Wolfram Christ) rahmen auf der Bühne als Konzertmeister und Solo-Bratscher die bis zum letzten Bogen synchron spielenden Streicher ein. Chaillys Leidenschaft, der zum Schmunzeln bringende italienische Wagner und das großartige Orchester entlocken dem Publikum sofort ein Bravo.

Der Applaus ist kaum verklungen, schon beginnt die Ouvertüre des „Fliegenden Holländer“. Mit herrlich großer Spannung, tragisch langsamem Holz und perfekten Übergängen gestaltet Chailly einen Holländer, der so italienisch-romantisch ist, dass von dem Gefährlich-Dämonischen kaum etwas bleibt. Statt Ecken und Kanten, intensiver Chromatik und schnellen Läufen gibt es weiche Übergänge und verschmelzende Klänge. Die Einstimmung auf Bruckner ist nicht ganz gelungen, und so geht es leicht ratlos in die Pause.

Doch bereits der Anfang von Bruckners 7. Symphonie hat mehr Kontur. Die Grundwärme des Konzertsaals der KKL kommt den Bässen sehr entgegen und zu dieser Wärme gesellt sich die Präzision der Streicher. Das Ganze hat mehr Biss, ist aber trotzdem fließend. Das eingespielte Team der Holzbläser beschwört mit großen Phrasen sehnsuchtsvoll träumerische Klangwelten herauf, die bisweilen herrlich düster werden, und auch das Finale des ersten Satzes ist beeindruckend mächtig mit satten Bläserklängen.

Nun hat Bruckner der Erzählung nach von Wagners Tod beim Komponieren des zweiten Satzes erfahren und passend dazu eine Trauermusik mit Wagnertuben geschrieben. Viele Motive, bereits im ersten Satz, erinnern an Wagners Musik, ob „Meistersinger“ oder „Tannhäuser“, Bruckner lebte mit seinem Meister im Kopf. Besonders beeindruckt das Orchester durch unglaublich schöne Pianissimi. Für Bruckner besitzt Chailly Fingerspitzengefühl und kostet auch die Steigerungen und großen Tuba-Horn-Partien voll aus.

Im dritten Satz entscheidet er sich wieder für romantische Flächen statt eines bissigen Scherzos, was bei der abfallender Chromatik in den Streichern etwas fehlt. Trotzdem zeichnet er ansonsten einen schönen Bruckner, bei dem man bis zum Schluss spürt, dass das Orchester eine Einheit bildet. Es besteht zwar aus mehr Konzertmeistern und Solisten als übliche Orchester, da es aber seit Jahren in einer ähnlichen Zusammensetzung spielt, sind nicht nur die Soli, die einen teils nur Staunen lassen, von unglaublich hoher Qualität.

Nach herrlichen Programmen mit Strawinsky und Richard Strauss im letzten Jahr und einem reinen Ravel-Programm in diesem Jahr bildet Chailly langsam ein neues Profil heraus. Dieses neue Profil steht dem Orchester sichtlich gut, und auch die Traditionen, ihre Kindheit, die die Musiker über Abbado hinaus weiter in sich tragen, sollen gepflegt werden. Man darf gespannt sein auf die weiteren Entwicklungen des Lucerne Festival Orchestra mit Riccardo Chailly.

Sarah Schnoor, 26. August 2018, für
klassik-begeistert.de

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