Spiel’ma mal eben schnell Heldenleben

Lucerne Festival, Wiener Philharmoniker, Christian Thielemann  Kultur- und Kongresszentrum Luzern, 6. September 2024

Rainer Honeck, Christian Thielemann und die Wiener Philharmoniker bringen einen leichtherzig souveränen Richard Strauss an den Vierwaldstättersee.

Kultur- und Kongresszentrum Luzern,
6. September 2024

Lucerne Festival
Wiener Philharmoniker
Christian Thielemann, Dirigent

Copyright © Dieter Nagl

Werke von Felix Mendelssohn-Bartholdy und Richard Strauss

Völlig unbeeindruckt von den Kraftakt-Dimensionen dieser Tondichtung servieren Christian Thielemann und die Wiener Philharmoniker Richard Strauss’ Heldenleben mit Spaß am Vierwaldstättersee. Eine im Uhrwerk vertaktete Schweizer Bahn und ein bisschen Mendelssohn als Vorspeise köstlicher Spätromantik… so muss es sein!

von Johannes Karl Fischer

Dieser Blick! Nein, nicht Christian Thielemann am Dirigentenpult, der heute mit seinem selbst für seine Verhältnisse sehr eifrigen Dirigat die rauschenden Wellen einer schottischen Mendelssohn-Nordsee in den Saal brachte. Das Highlight dieses Konzerts begann mit einem Besuch auf der Dachterrasse: Abendlich strahlte ich auf türmende Schweizer Alpenspitzen über dem spiegelglattblauen Vierwaldstättersee. Auf dem Vorplatz eine Alpensinfonie, im Saal folgte das Heldenleben.

Spaß beiseite. Natürlich ist das Rundherum beim Lucerne Festival auch eine Erfahrung der Extraklasse, nicht zuletzt ein wohlgetaktetes Schweizer Bahn-Uhrwerk macht Luzern doch zu einem recht schmackhaften Sommer-Festival für Wiener-Philharmoniker-Fans. Und die Musik? Mendelssohn und Strauss mit Christian Thielemann, natürlich im spektakulären, wohl fühlenden wie klingenden KKL-Saal.

Wie soll ich sagen… auch Christian Thielemann und die Wiener Philharmoniker sind nicht unschlagbar. Nein, das ist jetzt nicht als Total-Verriss gemeint, eigentlich nicht mal richtig als Kritikpunkt. Die runden, sanften Klänge des süßen Streicherklangs schwebten durch den Saal, das Orchester ließ das Publikum die musikalische Seele mitatmen und mitfühlen. Nur war Herr Thielemanns etwas übereifrig besetzter Mendelssohn mit gleich 14 ersten Geigen gerade zu Beginn der Sinfonie tatsächlich ein bisschen zu viel. Das strahlende Oboensolo hätte ein ganz klein wenig mehr Platz verdient. Egal, sind auch nur Menschen.

Spätestens mit dem zweiten Satz fegten alle Beteiligten jegliche mini-Zweifel spektakulär vom Platz. Ein spaßiges Scherzo brachte den Saal regelrecht zum Tanzen, ehe die Wiener Philharmoniker ihren musikalisch intimen und wunderbaren Streicherklang im lyrischen dritten Satz entfalteten. Auch die spitzen Töne des feurigen Schlusssatzes fegten sie mit Spaß in den Saal.

Zum nun absoluten Highlight des Abends – Korrektur, mindestens der aktuellen Konzertsaison – wurde das Heldenleben. Sorry, aber dieses wohl hammerschwerste Werk der Orchesterliteratur wurde hier mit einer einzigartig eindrucksvollen Leichtigkeit regelrecht auf einem Silbertablett serviert. Völlig selbstsicher schien dieser Held durch die Welt zu spazieren, das weltbeste Strauss-Orchester auch in ihrem was-weiß-ich-wie-viel-hundertsten Heldenleben mit den sich überquerenden Bläserrhythmen oder spektakulären Streicherläufen regelrecht Spaß zu haben. Das Lustige – wie’s bei Ariadne so schön heißt – war auch in dieser monumental klingende Tondichtung in jedem Takt omnipräsent, wie eine musikalische Komödie für großes Tondichtungsorchester!

Auch in dieser einsamen Strauss-Spitzenliga ragten Rainer Honecks Konzertmeister-Soli wie ein Leuchtturm aus dem Orchester raus. Diese wohl gefürchtetste aller Geigen-Probespielstellen hatte gar etwas von Wienerischen Kaffeehaus-Leichtigkeit im Ohr: Weder von den Doppelgriffläufen oder perlenden Arpeggi ließ sich sein Geigen-Kunstwerk beeindrucken. Spiel’ma mal eben schnell Heldenleben, hamma ja scho’ immer g’macht, Heinrich Koll wird’s kennen, nein, auch die Pflichtpension kann den langjährigen Solo-Bratschisten nicht von der Bühne halten. Achso, und zum Heldenleben lieber eine Melange oder doch einen Verlängerten? So muss es sein!

Das Heldenleben wird oft als Kraftakt beschrieben. Scheint dieses Orchester nicht zu beeindrucken. Wie schon bei Thielemanns Mahler 8 in Dresden: Dieses monumentale, teilweise auch sehr intensiv klingende Orchester war hier weder zu laut noch zu groß. Und das Werk erst recht nicht zu lang. Alles einfach zur rechten Zeit am rechten Ort. Ich würd’ sagen: Christian Thielemann und die Wiener Philharmoniker wollten sich halt einen schönen Abend machen. Und zauberten dabei zufällig die wohl spektakulärste Strauss-Tondichtung eben mal aus dem Hut.

Einzig der Applaus war im Vergleich zu einigen Wiener Beifallsfeuerwerken für Thielemann ganz leicht verhalten. Sind die Schweizer also auch in Sachen Heldenleben so verwöhnt wie von ihrer Bahn?

Johannes Karl Fischer, 8. September 2024 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Ein Gedanke zu „Lucerne Festival, Wiener Philharmoniker, Christian Thielemann
Kultur- und Kongresszentrum Luzern, 6. September 2024“

  1. Dieser Abend war ein Feuerwerk für mich, wie jedes Mal, mit den Wiener Philharmonikern und unter Thielemann! Das Werk selbst ist ein Feuerwerk.
    Danke sehr für Ihren Artikel, auch für den Satz beim Applaus über die Schweizer… Willkommen auch…

    Chantal Lansard
    Ex-Vorsitzende vom Verband Richard Wagner Annecy Savoie

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