Foto: Daniel Dittus (c)
Elbphilharmonie Hamburg, 27. April 2018
Ludwig van Beethoven
Missa solemnis D-Dur op. 123 für Soli, Chor und Orchester
NDR Elbphilharmonie Orchester
NDR Chor
Chor des Bayerischen Rundfunks
Genia Kühmeier Sopran
Stefanie Irányi Alt
Andrew Staples Tenor
Georg Zeppenfeld Bass
Dirigent Thomas Hengelbrock
von Sebastian Koik
Das Konzert – oder die Messe – beginnt überraschend mit einem Orgelsolo, an dessen Ende der Bass durch den Saal vibriert und wabert. Kurz darauf sind dann auch die beiden wunderbaren Chöre aus Bayern und Hamburg zu hören und bestätigen ihren exzellenten Ruf mit erhaben schönem Gesang. Mit ihren vielen, hervorragend geschulten Stimmen tun sie das, was für Beethoven mit dieser Missa Solemnis höchste Priorität hatte: „religiöse Gefühle erwecken“. Sie machen den Großen Saal der Elbphilharmonie zur Kirche.
Besonders die Höhen des Chores sind wunderschön: dicht, strahlend, präzise und rein. Sie preisen Gott … und bezaubern und berühren auch die weltlichsten Zuhörer im Saal. Wie die beiden Top-Chöre gemeinsam das „Kyrie Eleison“ am Ende des ersten Satzes ätherisch nicht nur ausklingen, sondern regelrecht in andere Dimensionen davonschweben lassen, ist ein Erlebnis.
Das NDR Elbphilharmonie Orchester unter Thomas Hengelbrock spielt die komplette lange Messe mit großer Spannung und mit Drive, könnte aber gelegentlich spritziger klingen. Die Einsätze kommen nicht immer ideal und es fehlt ein klein wenig an rhythmischer Präzision.
Besonders im fünften Satz begeistert die Streicher-Fraktion unter Hengelbrock mit perfektem Timing, herrlichster Zartheit und Tiefe. Die Balance zwischen Orchester und Chor gelingt dem Dirigenten den ganzen Abend wunderbar.
Im Sanctus im vierten Satz können die Konzertbesucher die mächtige Orgel der Elbphilharmonie körperlich fühlen, ihren tiefen Bass nicht nur hören, sondern erleben, auf der Haut spüren.
Vom grandios Großen zum ganz, ganz Feinen: Der Konzertmeister Stefan Wagner spielt ein himmlisch schönes Violin-Solo im Sanctus in sehr hoher Tonlage. Überaus zart lässt er sein Instrument singen und beweist wieder einmal große künstlerische Klasse. Es klingt hoch und geht tief.
Alle vier gesanglichen Solisten des Abends treten regelmäßig auf den renommiertesten Bühnen der Welt auf und machen ihre Sache alle sehr gut. Besonders die beiden Herren begeistern:
Georg Zeppenfeld hat zu Beginn des 5. Satzes, im Agnus Dei ein überaus überzeugendes Solo. Seine Stimme ist dicht, die Tiefen wunderbar souverän und schön. Er singt mit herrlicher natürlicher Autorität und langem Atem. Er legt hier sehr, sehr viel Gefühl in seinen Gesang. Ganz stark!
Und einer versprüht an diesem Abend den ganz, ganz großen Zauber: Der britische Tenor Andrew Staples! Seine Stimme ist intensiv, seine Kondition und sein Atem scheinbar grenzenlos. Während die anderen drei Solisten-Stimmen gelegentlich kurz unter dem Orchester abtauchen, bleibt Staples in jedem Moment, auch bei leiserem Gesang, wunderbar hörbar. Er liefert von Beginn bis Ende nicht nur eine wahrlich perfekte Vorstellung, sondern dazu noch das gewisse Etwas. Seine Darstellung ist extrem glaubwürdig. Jedes Wort, jeder Ton klingen bei ihm authentisch und stark. Man nimmt ihm alles ab. Besser kann man diese Rolle nicht singen, das beeindruckt, und Andrew Staples beweist sich als eine Idealbesetzung.
Sebastian Koik, 28. April 2018,
für klassik-begeistert.de