Kann es einen würdigeren Weg geben, das alte Jahr zu verabschieden als mit den hoffnungsvoll emphatischen Klängen der 9. Symphonie Ludwig van Beethovens?

Ludwig van Beethoven, Symphonie Nr. 9, Wiener Symphoniker, Wiener Singakademie,  Wiener Konzerthaus

Foto: Wiener Konzerthaus / L. Beck (c)
Wiener Konzerthaus, Großer Saal
, 31. Dezember 2017
Wiener Symphoniker
Wiener Singakademie
Emily Magee, Sopran
Anke Vondung, Alt
Andreas Schager, Tenor
Dimitry Ivashchenko, Bass
Philippe Jordan, Dirigent
Ludwig van Beethoven Symphonie Nr. 9 d-moll op. 125 (1822-1824)

 Von Bianca Schumann

Kann es einen würdigeren Weg geben, das zurückliegende Jahr zu verabschieden als mit den hoffnungsvoll emphatischen Klängen der 9. Symphonie Ludwig van Beethovens? Die Zuhörerschaft, die am Sonntagabend in den Großen Saal des Wiener Konzerthauses geströmt war, war einer Meinung: Beethoven sollte das letzte symphonische Wort des Jahres 2017 gegeben werden.

Heutzutage ist es kaum mehr in Gänze zu begreifen möglich, dass die Symphonie, die heutzutage ein unangefochtener Erfolgsgarant eines jeden Konzertunternehmens ist und zu einem unverzichtbaren Stück kulturellen Erbes und zeremonieller Tradition geworden ist, kurz nach der Wiener Uraufführung 1824 bei ihren Zeitgenossen großen Zwiespalt ausgelöst hat: Eine Symphonie, die sich im Schlusssatz das gesungene Wort einverleibt? Sowas hat es ja noch nie gegeben! Ist das denn überhaupt rechtens? Wo kommen wir denn dahin? Was hat sich der taube Mann denn jetzt schon wieder zusammengereimt?

Die Zweifel über die gattungsästhetische Grenzüberschreitung, die Beethoven gewagt hat, sind längst verflogen. Gerade der letzte Satz ist es doch, das große Finale, das der Symphonie ihren erbauenden Charakter verleiht.

Philippe Jordan, der die Wiener Symphoniker auswendig dirigierend durch den Abend führte, beschrieb in einem Interview mit Rainer Lepuschitz, der erste Satz sei vor allem Geist, der zweite Rhythmus, der dritte Melodie und im vierten versuchte Beethoven all dies zu kombinieren. Eine interessante Auffassung, die sich anhand der Interpretation am Silvesterabend gut nachvollziehen ließ.

Insbesondere der zweite Satz, mit seinen vielen verschachtelten Stimmeinsätzen des dynamischen Hauptthemas, war rhythmisch stets auf dem Punkt. Neben diesen präzisen Darbietungen der Streicher gelang es Jordan, die in sonstigen Interpretationen zumeist etwas im klanglichen Hintergrund verweilenden Holzbläser wiederholt hervorzuheben. Kaum zu glauben, dass es nach all den unzähligen Einspielungen und Aufführungen dieser Symphonie von Weltrang noch immer möglich ist, andere, noch nicht hervorgeholte Facetten zu zeigen, die in dem Werk im Verborgenen schlummern.

Dass die Pauke nicht nur in diesem, sondern auch in den anderen Sätzen zu energisch, schlichtweg zu laut bedient wurde, soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden. Generell wirkte die Symphonie an einigen Stellen wenig dynamisch ausbalanciert, eine feinere Nuancierung einzelner Satzabschnitte, besonders im Kopfsatz, hätte das „Geistige“ noch besser erfahrbar werden lassen.

Der Finalsatz brach nach Abschluss des langsamen dritten Satzes, über dessen interpretatorische Längen sich das Publikum mit dem Ausblick auf das große Finale hinwegtragen konnte, dann wie ein Donnerwerk ein. Jordan und sein Orchester zeigten hier mit vereinten Kräften, wie ein Orchestertutti einschlagen kann. Dass vor allem die Hörner hier und da den ein oder anderen Kickser hören ließen, störte bei diesem Tohuwabohu nicht übermäßig.

Unter den vier Solisten stellte der Bass Dimitry Ivashchenko, der an diesem Abend sein Debüt im Konzerthaus gab, seine drei Mitstreiter glasklar in den Schatten. Welch eine Seltenheit, dass man die melodischen Phrasen zu dem Text „O Freunde, nicht diese Töne! Sondern lasst uns angenehmere anstimmen und freudenvollere“ nicht nur sprachlich einwandfrei versteht, sondern man einem jeden der zahlreichen Schnörkel, welche die reich verzierte Stimmführung schmücken, folgen konnte. Bravo!

Die Sopranistin Emily Magee konnte mit ihrer zugebenermaßen enorm schwierig zu meisternden Partie leider nicht überzeugen. Die Spitzentöne traf sie selten, ihre Stimmfarbe klang teils gar hysterisch und zudem gelang es ihr nicht das zügige Tempo Jordans aufzunehmen und schleppte hörbar.

Andreas Schager, der Tenor des Abends, sang mit voller Inbrunst, heldenhaft füllte er den Saal über das Orchester hinweg mit seiner durchdringenden Stimme.

Die Altistin Anke Vondung sang maßvoll und hob sich gegen die teils etwas exaltiert wirkende Gesangsmanier ihrer Kollegen angenehm ab.

Der Chor der Wiener Singakademie schlug sich beachtlich durch den stimmliche Kraft zehrenden Chorsatz und übertrug die von Schiller niedergeschriebene Freude, Hoffnung und Vision auf sämtliche Anwesenden.

Das Publikum dankte mit stehenden Ovationen und verließ zufrieden und frohen Gemütes den Saal.

Bianca Schumann, 1. Januar 2018, für
klassik-begeistert.at

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