Fotos © Monika Rittershaus
Macbeth
Oper in vier Akten von Giuseppe Verdi (1813-1901)
Libretto: Francesco Maria Piave mit Ergänzungen von Andrea Maffei nach „The Tragedy of Macbeth“ von William Shakespeare
Musikalische Leitung: Daniele Squeo
Inszenierung: Barrie Kosky
Bühnenbild: Klaus Grünberg
Bühnenbildmitarbeit: Anne Kuhn
Kostüme: Klaus Bruns
Choreinstudierung: Ernst Raffelsberger
Dramaturgie: Claus Spahn
Besetzung:
Macbeth: George Petean
Lady Macbeth: Ewa Plonka
Banco: Vitalij Kowaljow
Kammerfrau: Ann-Kathrin Niemczyk
Macduff: Omer Kobiljak
Malcolm: Maximilian Lawrie
Arzt: Amin Ahangaran
Diener Macbeths, Mörder: Gregory Feldmann
Philharmonie Zürich
Chor der Oper Zürich
Statistenverein am Opernhaus Zürich
Opernhaus Zürich, 25. November 2023
von Kathrin Beyer
Wussten Sie, dass sich Nervosität unter Theaterschaffenden breit macht, wenn „Macbeth“ zur Aufführung kommt?
Gilt doch das Stück als Unglücksbote und schon allein den Namen „Macbeth“ auszusprechen, gilt als ungünstiges Omen. Es sei, liest man in verschiedenen Quellen, seit der Uraufführung zu vielfältigen Vorkommnissen gekommen. Die durchaus beträchtliche Liste liest sich wie ein Krimi.
Schaurig ist die Überlieferung, dass Shakespeare seinen Hexen „echte“ Beschwörungsformeln in den Mund gelegt haben soll. Diese können dann beim Rezitieren ihr Unheil entfalten.
So kam es, dass hinter den Kulissen ehrfürchtig nur vom „Schottischen Stück“ gesprochen wird.
Dieser „Macbeth“ lässt mich fast daran glauben, dass dem so sein könnte. Er ist düster, dicht, abgründig und, dank des Bühnenbildes und der Inszenierung, ganz auf die Musik und menschlichen Abgründe fokussiert. Außerdem sind es gleich fünfzehn Hexen, deren Beschwörungsformeln Unheil anrichten könnten…
Aber von vorn… Noch unter dem Eindruck des eben Gesehenen und Gehörten bemühe ich mich, mein Inneres in Worte zu fassen. Spontan fällt mir gerade eigentlich nur „Wow“ ein.
Die Oper startet mit Stille! Der Vorhang öffnet sich, auf der Bühne liegt Macbeth, mit Krähen übersät und es ist totenstill. Keine Ouvertüre, keine Musik, nur Ruhe, die sich ausdehnt und eine Spannung hervor ruft, die fast schon greifbar ist. Von hinten schleichen sich die Hexen an, fünfzehn an der Zahl, allesamt unbekleidet, einige männlich, andere weiblich, der Rest zwittrig.
Und dann endlich setzt die Ouvertüre ein, und wie! Mit einer Wucht, die das kommende Unheil erahnen lässt.
Das Bühnenbild ist so grandios wie einfach, statisch und nimmt mich sofort gefangen.Die Bühne ist schwarz, nach vorn geneigt und durch Lichter so gestaltet, dass insgesamt der Eindruck eines sich nach hinten verengenden endlosen Tunnels entsteht. Requisiten gibt es kaum. Stühle, Raben, Luftschlangen, einen Ball… mehr braucht es nicht. Ach so, und die Dolche natürlich!
Von der Decke hängen ovale Lichtquellen, unter die das Paar immer flieht, als gäbe es nur dort die Sicherheit, die sie brauchen; sie sind gefangen in ihrem verkorksten Leben.
Diese Oper mit ihren Gräueltaten und dem daraus erwachsenden Wahnsinn des Macbeth und seiner Lady, ist eine Ausgeburt der Dunkelheit, der Nacht. Und hier wird das Geschehen bleiben, das wird schnell klar. Hier geht es nicht um Liebe, sondern um Macht.
Durch eine Hexenprophezeiung wurde Macbeth vorhergesagt, dass er König von Schottland werde. Da aber der derzeitige König noch bei guter Gesundheit ist, ist etwas Nachhilfe nötig. Lady Macbeth nötigt ihren Mann dazu, den König umzubringen. Macbeth ist zögerlich, kann sich aber dem verführerischen Gedanken an die Macht zu gelangen, nicht entziehen.
Die Lady ist durchaus sehr überzeugend. So ersticht Macbeth den König.
Der Mord wird entdeckt und Entsetzen macht sich bei Hofe breit. Gott wird (von einem wunderbaren Chor) angefleht, die Menschen zu beschützen.
Macbeth ist König, aber nicht am Ziel seiner Wünsche, da es eine zweite Weissagung gab. Vorausgesagt wurde noch, dass Bancos Kinder Könige sein werden. So sollten auch diese getötet werden. Hier geht der Impuls von Macbeth aus, nicht von der Lady, die aber sehr einverstanden ist. Banco ahnt das Unheil, warnt seinen Sohn, dieser kann fliehen. Banco gelingt dies nicht mehr und muss sterben.
Der König von Schottland gibt ein Fest, ein Trinklied wird gesungen.
Zwei Stühle, die Lichter, ein paar Luftschlangen, die geworfen werden, mehr braucht es hier nicht, um die Heiterkeit zu transportieren. Diese stellt sich allerdings nicht wirklich ein, weil Macbeth mitten in den Feierlichkeiten Bancos Geist sieht.
Lady Macbeth verhöhnt ihren Mann als Feigling. Dieser beschließt, noch einmal die Hexen zu befragen.
Diese suchen Macbeth heim, dieses Mal beschwören sie sehr finstere Mächte herauf, die in ihn eindringen, ihn sozusagen als Medium benutzen, so dass er selbst die Beschwörungen singt. Das war eine glänzende Idee der Regie und eine beeindruckende Szene.
Macbeth wird vor Macduff gewarnt, gleichzeitig wird ihm versichert, dass kein von einer Frau geborener Mensch ihm gefährlich werden könne. Außerdem werde er siegreich sein, bis sich der Wald von Birnam auf ihn zu bewegt.
Es kommt, wie es kommen muss, die Eheleute steigern sich in ihren Hass auf Macduff hinein und beschließen, ihn und seine Nachkommen umzubringen.
Macduff überlebt als einziger seiner Familie und betrauert sein Schicksal und den Tod seiner Kinder.
Zusammen mit des Königs Sohn, beschließt er, den unterdessen schon stark dem Wahn verfallenen Macbeth zu besiegen. Auch die Lady kann mit den begangenen Untaten nicht weiter leben. Beide halluzinieren und sinken immer tiefer in ihren Realitätsverlust.
Am Ende werden beide nicht mehr sein, die Lady stirbt, Macbeth wird von Macduff gerichtet.
Die Inszenierung konzentriert sich ganz auf die düsteren und machtbesessenen Gedanken des Paares. Die Szenen, in denen die Hexen ihre unheilvollen Beschwörungen los werden, sind grandios. Das lag u.a. an der tollen Leistung des Opernchores. Dieser sang im Hintergrund, für uns sichtbar waren nur die Hexen, die die unheimlichen Vorhersagen schauspielerisch untermalten. So streckten alle fünfzehn ihre sich ständig bewegenden Hände an Macbeth Kopf, im Hintergrund sang der Chor und ich hatte den Eindruck, dass die Botschaften direkt in das Hirn des Macbeth einfließen. Überhaupt waren die Hexen sehr mystisch, leise, präsent, als würde das Böse überall lauern. Anfangs war ich ob der Nacktheit etwas irritiert, aber es fühlte sich immer stimmiger an. Sie sind Wesen, nur Wesen und Ausgeburten der Phanthasie, Macbeths Phanthasie.
Um die ganze Mysthik noch zu verstärken, spielten Raben und deren Federn eine große Rolle.
Anfänglich liegt Macbeth unter toten Krähen, die die Hexen von ihm weg tragen. Bei jedem vollbrachten Mord regnet es Federn dieser unheilbringende Tiere. Ein Rabe sitzt auch auf den Stühlen, als die Lady sich umbringt. Gleich mehrere dieser Vögel sind beim Tod des Macbeth zugegen. In seinem Wahn redet er mit ihnen, diese Szene ist bei all ihrer Tragik anrührend heiter.
Als Macbeth getötet und ihm das Gewand vom Leib gerissen wird, ist sein Körper mit Federn übersät. Diese blutrünstige Tragödie kommt an diesem Abend ganz ohne Blut aus. Ich finde, die toten und lebenden Krähen und deren schwarze Federn hinterlassen eine sehr subtile Wirkung. Es braucht kein Blut.
Das Sängerensemble war großartig.
George Petean in der Rolle des Macbeth ist erstklassig. Seine schauspielerische Leistung überzeugt mich, er schafft es, seine Machtgier, Zerrissenheit, die Angst, die ihn befällt und den immer stärkeren Wahn berührend darzustellen. Sein Bariton ist stark. Scheinbar mühelos schafft er es mit seiner klangvollen Stimme, das Orchester zu überstrahlen und das Opernhaus zu erfüllen. Die Duette mit der Lady sind zum Niederknien schön, aber auch seine Arien hinterlassen bei mir eine Gänsehaut.
Ewa Plonka als Lady Macbeth agiert schauspielerisch zurückhaltender, arbeitet eher mit ihrer Mimik statt ausladender Gesten. Aber die Strahlkraft ihrer Stimme ist unglaublich. Glockenklar, bis in die höchsten Töne, und mit einer Wucht, die eine neue Eiszeit einläuten könnte. Tatsächlich war ihr Gesang betörend schön und eiskalt. Sie zeigte auch in ihrer Sterbeszene nicht, dass ihr, im wahrsten Sinne des Wortes, gleich die Luft ausgeht. Es befremdet mich immer etwas, wenn der Mensch vom Tode gezeichnet ist, die Stimme aber weiter durch Mark und Bein dringt. Sei es drum, es war eine Freude, sie zu hören.
Als Banco ist Vitalij Kowaljow zu sehen und zu hören. Seine berührende Arie, in der er kommendes Unheil für sich und seinen Sohn vorausahnt, erklingt in einem so schönen Bass, dass es mich erschüttert. Samtig, tief und voller Gefühl. So schön! Überhaupt ist diese Szene sehr dicht. Der Sohn spielt im Hintergrund Ball, scheinbar ohne sich einer Gefahr bewusst zu sein. Der Vater singt seine Ahnung heraus, wird getötet, der Ball rollt über die Bühne. So wenig…so viel!
Omar Kobiljak hatte als Macduff eine Soloszene, aber was für eine! Sein wunderbarer, klarer Tenor, mit dem er seine Trauer um seine Familie besingt, rührt mich zu Tränen. Seinen Kummer, den er darstellerisch nicht ganz so anrührend rüber bringen kann, höre ich aus jedem Ton heraus. Unglaublich!
Und dann war da noch der Chor. Hier fehlen mir die Worte, um auszudrücken, was ich beim Hören empfand. Ergriffenheit, Ehrfurcht, Freude das hören zu dürfen… Fantastisch umschreibt es wohl am besten. Und hoffnungsvoll, in der Szene, als sich das Volk unter der Führung von Macduff und des Königs Sohn gegen Macbeth erhebt. Diese fand ich besonders beeindruckend, da hier der Chor, bis dahin komplett schwarz verhüllt und im Hintergrund, Gesicht zeigt. Sie treten aus dem Dunkel heraus und stellen sich der Herausforderung, das Land zu befrieden.
Der Dirigent war in seinen Gesten sehr forsch, auch das Tempo empfand ich so manches mal recht zügig. Spannend war in diesen Momenten, ob der Chor mithalten kann… konnte er! Ansonsten war das Orchester gut aufgelegt, die Musik erklang oft hart, das macht durchaus Sinn.
Ich habe diese Macbeth Inszenierung in Zürich schon einmal gesehen, im Mai 2022.
Auch damals war ich tief beeindruckt. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob mich nach der langen Covid geschuldeten Abstinenz nicht alles, was sich auf der Bühne bewegt, begeistert hätte.
Jetzt kann ich sagen, dass ich auch ohne Thearterabstinenz fasziniert bin.
Das Zürcher Publikum war genauso begeistert wie ich.
Es gab Szenenapplaus, von dem ich mich allerdings gestört fühlte.
Dennoch brachte er spontan Anerkennung für die erbrachte Leistung zum Ausdruck.
So sei es den Mitwirkenden gegönnt.
Ach ja, ich las irgendwo, wenn man befürchtet, bei Macbeth verflucht worden zu sein, solle man ins Freie gehen und sich drei Mal links herum drehen oder war es rechts herum? Sorry, vergessen, probieren Sie es einfach aus!
Ein wunderbarer Abend, danke dafür!
Kathrin Beyer, 27. November 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Richard Wagner, Götterdämmerung Opernhaus Zürich, 5. November 2023
Giacomo Puccini (1858-1924), Turandot Opernhaus Zürich, 27. Juni 2023
Carl Maria von Weber, Der Freischütz Opernhaus Zürich, 28. Juni 2023
Macbeth, Oper von Giuseppe Verdi Staatsoper Unter den Linden, 17. September 2023
Giuseppe Verdi, Macbeth Wiener Staatsoper, 25. November 2022