Foto: © Pawel Sosnowski
Lausitz-Festival
Dorfkirche Cunewalde, 10. Oktober 2020
Martha Argerich, Klavier
Carolina Eyck, Theremin
Neue Lausitzer Philharmonie
Charles Dutoit, Dirigent
Samuel Barber, »Adagio for Strings«
Wolfgang Amadeus Mozart, Sinfonie Nr. 29 A-Dur
Ludwig van Beethoven, Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur
Carolina Eyck: Interludien für Theremin
von Pauline Lehmann
Das Lausitz-Festival lädt sich die Weltklassepianistin Martha Argerich in das Oberlausitzer Bergland ein. Fernab der großen Konzertsäle dieser Welt eröffnet sich in gewisser Weise auch eine persönlichere Sphäre um die Künstlerin, so ist sie doch gemeinsam mit ihrem Ex-Ehemann, dem Dirigenten Charles Dutoit, zu Gast.
Blicke in die schöne Natur und beruhige dein Gemüt über das Müssende!
Diese Worte Ludwig van Beethovens, die dem Konzertabend zum Motto gereichen, könnten kaum passender sein, denn er ist nicht nur künstlerisch superb und von inniger Musikalität, sondern auch seelenwärmend und herzerfreuend. Dennoch mischt sich zwischen den strahlenden Mozart und den galant-virtuosen Beethoven wieder dieser dunkle Glanz, der auch schon dem ersten Konzertabend in der Dorfkirche Cunewalde zu eigen war. Von einem philosophischen Grundtenor getragen und poetisch gerahmt, ist es nicht so sehr eine leuchtende und freudige Auftakt-Stimmung, sondern vielmehr ein nachdenklicher und reflexiver Gestus, den der Künstlerische Leiter, Daniel Kühnel, dem neuen Kunst- und Kulturfestival in der Lausitz auferlegt.
Das Farbenspiel an der Kirchendecke taucht den Raum in ein rötliches Licht, während sich unter den flirrenden Bögen der Streicher Samuel Barbers tief elegisches und emotionales »Adagio for Strings« entfaltet. Charles Dutoit betont mehr das Flächige – die großen, wogenden Crescendi, die anschließend verharren und wieder absinken.
Der 18-jährige Mozart strahlt durch die Klänge der Neuen Lausitzer Philharmonie. In Salzburg entstanden und auf den 6. April 1774 datiert, steht die 29. Sinfonie des Komponisten im Wiener Stil und unter italienischem Einfluss. Mit Oboen, Hörnern und Streichern belässt es Mozart bei einer schlichten Orchesterbesetzung. Charles Dutoit und der Neuen Lausitzer Philharmonie gelingt eine lebendige und frische Interpretation. Einfach schön sind die lyrischen Streicher con sordino im Andante und das virtuose Allegro con spirito im 6/8-Takt mit seinen »Raketen« kommt schwungvoll daher.
Zwischen die Orchesterwerke mischen sich Interludien für Theremin, komponiert und interpretiert von der deutsch-sorbischen Musikerin und Echo Klassik-Preisträgerin Carolina Eyck. Sie holt die Klänge quasi aus der Luft, auf dem um 1920 von dem russischen Physiker Lew Termen (später: Leon Theremin) entwickelten Elektrophon entstehen die Töne berührungslos, wobei zwei Antennen elektromagnetische Felder aussenden, die mit den Händen beeinflusst werden. Von der Orgelempore aus wird die Kirche von den sphärischen Klängen dieser »elektronischen Orgel«, die zwischen klassischer Orgel und modernen DJ-Sounds changieren, eingenommen.
Im ersten Satz von Ludwig van Beethovens zweitem Klavierkonzert, einem Allegro con brio, folgt auf eine emphatische, rhythmisch akzentuierte Tutti-Fanfare ein sanglicher Nachsatz der ersten Violinen. Der Solopart beginnt spiegelbildlich lyrisch-grazil und mündet dann in das Fanfarenthema, bevor er sich in virtuosen Passagen verfängt. Martha Argerich brilliert mit diesem Werk Beethovens, dessen klangliche Nähe zu Mozart allgegenwärtig ist und besticht mit ihrem perlenden Klavierspiel.
Auf der ersten Empore und seitlich direkt über den ersten Violinen ist der musikalische Dialog auf der Bühne intensiv erlebbar und so bleiben auch die kleinen ‚Ticks‘ des Dirigenten, ein leises, aber doch oft gegenwärtiges Räuspern im Rhythmus der Musik, dem Ohr nicht verborgen.
Pauline Lehmann, 13. Oktober 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Lausitz Festival, Symphoniker Hamburg, Sylvain Cambreling, Dorfkirche Cunewalde, 28. September 2020