SALZBURGER LANDESTHEATER, 10. Oktober 2020
Foto: Sophie Mefan (Bessie), links Franz Supper (Prinz Taro), rechts Marco Dott (Gouverneur) © Anna-Maria Löffelberger
von Lothar und Sylvia Schweitzer
Der Bericht von der 6. Aufführung im Salzburger Landestheater soll mit dem folgenden Absatz und mit dem Schlussteil einen schönen Rahmen erhalten.
Der am heimischen Mozarteum ausgebildete Christian Floeren gestaltete die Bühne einfach, aber mit Raffinesse. Im Mittelteil der Bühne steigen Treppen aufwärts in einen die volle Höhe ausfüllenden kreisförmigen Ausschnitt. Im Hintergrund werden dann Landschaftsprojektionen mit Flora und Fauna sichtbar oder auch nur monochrome Licht- und Farbeffekte (Licht: Richard Schlager). Das Einheitsbühnenbild wird auf diese Weise nicht als solches empfunden.
Wenn Prinz Taro (Kammersänger Franz Supper als schon sehr reifer Rollengestalter, Erinnerungen an den langgedienten Rudolf Christ an der Wiener Volksoper werden wach) im English Waltz-Rhythmus von der traumschönen Perle der Südsee schwärmt, da kommen uns als begeisterte Südsee-Fans einige Bedenken. Der deutschsprachige geografische Begriff „Südsee“ geht vom sogenannten „Polynesischen Dreieck“ aus, das die weitab im Nordpazifik liegenden Hawaii-Inseln als obere Dreieckspitze miteinschließt, waren doch die eingewanderten Ureinwohner polynesischen Ursprungs. Strenggenommen ist die Südsee der südpazifische Ozean jenseits des Äquators oder zumindest der Raum südlich der Breitegrade des Panamakanals.
Als wir von den hawaiianischen Inseln weiter in den Südpazifik flogen und in West-Samoa landeten, hatten wir das Ah-Erlebnis. Hier erlebten wir bei Land und Leuten erst die eigentliche Südsee. Und jetzt sind wir bei der Choreografie und den folkloristischen Einlagen (Josef Vesely und Kate Watson) angekommen. Wir wurden an die Werbung auf Reise-Messen erinnert. Diese Art der Präsentation hat uns nie angezogen. Aber zugegeben auch vor Ort waren die Tanzvorführungen für Gäste auf den Gesellschaftsinseln, in West-Samoa, auf den Fidschi-Inseln und in den Archipelen von Tonga von verschiedenster Qualität. In den guten Fällen lernten wir, wie sich die Schrift aus der Tanzgestik entwickelte. Am Anfang jedes Tanzes steht die Ehrerbietung an das Publikum. Es gibt Gesten des Glücklichseins und des aufmerksamen Zuhörens. Die alltäglichen Arbeiten werden symbolisiert und ebenso Naturlandschaften. Auf Mo´orea sahen wir Tänze, die das Verhältnis von Frau und Mann zum Thema hatten, aber dezent und nicht oberflächlich. Und auf Upolu wurden meine Frau und ich als zufällig Vorbeikommende bei einem sonntäglichen Dorffest zum Mittanzen animiert. Rhythmisches Instrument war kein Banjo, sondern eine blecherne Waschschüssel. Nach der Durchsicht unsrer Fotos können wir Bettina Richter für das Nachempfinden der örtlichen Kostüme ein großes Lob aussprechen.
Natürlich ist das in einem weniger intimen Rahmen, wie es ein Theaterauditorium darstellt, nicht vermittelbar. Als wir in der Saison 2004/2005 die Operette im Badener Stadttheater sahen, hatten wir noch keine Erfahrungen mit der Südsee und keine Vergleichsmöglichkeiten. Auffallend ist, dass der gebürtige Ungar Ábrahám Pál vielleicht unbewusst in die hawaiianischen Szenen hin und wieder Klänge seiner Heimat einfließen ließ. Störend ist das nicht, denn, was wir heute unter „Hawaii-Musik“ verstehen, ist bereits vielen fremden Einflüssen unterworfen worden, nach dem Motto: Musik kennt keine Grenzen. In den amerikanischen Tanzszenen wird leider der Stepptanz in dieser Aufführung auf Sparflamme gehalten.
Was bei einer Revueoperette zu befürchten war, ist eingetreten. Es wurden Mikroports benützt. Deswegen auch unsre Zurückhaltung bei der Beurteilung der SängerInnen. Schon vor Saaleinlass hörten wir durch die Türen eine tenorale Stimme, die viel zu offen klang. Während an der Bühne Baden die hawaiianische Prinzessin Laya nach Paris emigriert, unter dem Namen Suzanne de Provence als Sängerin arbeitet und inkognito in ihre Heimat zurückkehrt, ist Suzanne Provence in der Salzburger Inszenierung ein blonder (!) Hollywoodstar mit hawaiianischen Wurzeln (Laura Incko), die wegen ihrer Ähnlichkeit (?) mit der verschollen bleibenden Prinzessin durch die Heirat mit dem Prinzen Taro für einen „Exit“ Hawaiis aus den USA missbraucht werden soll. Vielleicht verliert die Rolle durch diese dramaturgische Veränderung an Strahlkraft. Hazel McBain als junge Hawaiianerin Raka begeht einen Stilbruch, indem sie bei der typischen Soubrettenpartie zu sehr mit der Stimme auftrumpft. Der Regisseur Marco Dott, der auch den Gouverneur spielt, lässt seine und die männliche Bufforolle (Alexander Hüttner ansonsten sein ausgezeichneter Assistent John Buffy) zu sehr übertreiben. Ein klassischer Tenorbuffo der Operette ist noch lange keine Witzfigur. Andreas Wolfram, der in seinem Repertoire den Crown in „Porgy and Bess“ hat, singt das rührende Lied „Bin nur ein Jonny, zieh durch die Welt“. In Zeiten neuerlicher, nicht ganz durchsichtiger Probleme in den USA ist der Text natürlich nicht aktuell, soll aber gar nicht aktualisiert werden. Samuel Pantcheff versteht es, als graue Eminenz des Prinzen aufzutreten, ein aufstrebender Bariton. Luke Sinclair singt den Captain Stone, leider auch für Tenor vertont und ebenfalls wie alle mit Mikroport.
Unser Liebling Johanna Arrouas gab in Baden eine entzückende Bessy, die Nichte des Gouverneurs. Beim ersten Auftritt der Bessie von Sophie Mefan, dachten wir noch, na ja, Arrouas ist sie keine. Noch dazu hielt man sie auf den ersten Blick wegen ihres dunklen Teints für eine Hawaiianerin und nicht rollengerecht für eine typische Amerikanerin. Doch im Laufe der knappen zwei Stunden hatte Sophie Mefan unsre und die Herzen des Publikums erobert. Sie erhielt den stärksten Beifall.
Der im Finale von Suzanne Provence dramatisch gebrachte Verzicht auf die Ehre einer hawaiianischen Königin wirkte etwas zu politisch kopflastig, der alleingelassene Prinz Taro ließ Erinnerungen an den Zarewitsch aufkommen.
Erst seit sieben Jahren wissen wir, dass La Grande Nation in seinen Überseegebieten drei kleine Königreiche zulässt. Wir haben sie alle besucht.
Zur Zeit der Entstehung der „Blume von Hawaii“ Anfang der Dreißigerjahre war die Kombination von Operetten mit jazzigen Elementen etwas aufregend Neues. Wenn wir in die Runde des Salzburger Publikums schauten, so entstand jetzt der Eindruck von Nostalgie.
Auf das Mozarteumorchester Salzburg können wir alle Österreicher stolz sein. Unter der musikalischen Oberleitung von Gabriel Venzago und dem Nachdirigat von Ines Kaun schenkte das vielseitige Orchester, das auch vor zweieinhalb Jahren die ausgefallene Hindemith-Oper „Cardillac“ exzellent gebracht hatte, zwei Stunden lang Beglückung und knisternde Hochstimmung.
Schweitzers Klassikwelt 15, Heinrich Schlusnus klassik-begeistert.de
Lothar und Sylvia Schweitzer , 13. Oktober 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Lothar Schweitzer ist Apotheker im Ruhestand. Gemeinsam mit seiner Frau Sylvia schreibt er seit 2019 für klassik-begeistert.de: „Wir wohnen im 18. Wiener Gemeindebezirk im ehemaligen Vorort Weinhaus. Sylvia ist am 12. September 1946 und ich am 9. April 1943 geboren. Sylvia hörte schon als Kind mit Freude ihrem sehr musikalischen Vater beim Klavierspiel zu und besuchte mit ihren Eltern die nahe gelegene Volksoper. Im Zuge ihrer Schauspielausbildung statierte sie in der Wiener Staatsoper und erhielt auch Gesangsunterricht (Mezzosopran). Aus familiären Rücksichten konnte sie leider einen ihr angebotenen Fixvertrag am Volkstheater nicht annehmen und übernahm später das Musikinstrumentengeschäft ihres Vaters. Ich war von Beruf Apotheker und wurde durch Crossover zum Opernnarren. Als nur für Schlager Interessierter bekam ich zu Weihnachten 1957 endlich einen Plattenspieler und auch eine Single meines Lieblingsliedes „Granada“ mit einem mir nichts sagenden Interpreten. Die Stimme fesselte mich. Am ersten Werktag nach den Feiertagen besuchte ich schon am Vormittag ein Schallplattengeschäft, um von dem Sänger Mario Lanza mehr zu hören, und kehrte mit einer LP mit Opernarien nach Hause zurück.“