Der Konzertabend „Sinfonische Fantasie“ in Der Glocke Bremen endet mit frenetischem Applaus

Martin Helmchen Klavier, Anja Bihlmaier Dirigentin, Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen  Konzerthaus Die Glocke Bremen, 24. Februar 2024

Foto: Anja Bihlmaier © Nikolai Lund

Martin Helmchen überzeugt mit grandiosem Beethoven, die Deutsche Kammerphilharmonie präsentiert einen enthusiastischen Schumann

Programm:

Igor Strawinsky: Concerto in Es-Dur „Dumbarton Oaks“

Ludwig van Beethoven: Konzert für Klavier und Orchester Nr.2 B-Dur op. 19

Robert Schumann: Sinfonie Nr. 4 d-Moll op. 120

Martin Helmchen   Klavier
Anja Bihlmaier   Dirigentin
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

Konzerthaus Die Glocke Bremen, Großer Saal, 24. Februar 2024

von Gerd Klingeberg

Mit „Strawinsky goes Baroque“ ließe sich dessen Concerto in Es-Dur „Dumbarton Oaks“ in etwas flapsiger Weise gut charakterisieren. Tatsächlich hat sich der russisch-französisch-amerikanische Komponist verschiedener struktureller Anleihen – etwa bei Händels Concerti grossi und bei Bachs 3. Brandenburgischem Konzert – bedient, sie jedoch in seiner ganz eigenen Stilistik eingesetzt.
Beim Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen in der Bremer Glocke spielten derlei musikwissenschaftliche Hintergründe indes eine allenfalls marginale Rolle. Denn das, was das Ensemble in kleiner Besetzung ablieferte, war einfach nur spritzig frisch, unterhaltsam und leicht. Und wenn Anja Bihlmaier ihr ambitioniertes Dirigat mitunter durch manch elastischen Hüft- und Beinschwung zusätzlich verdeutlichte, dann wirkte dies keinesfalls aufgesetzt. So geht ein rundum gelungener Aufwärmer!

Den so vorhandenen Schwung nimmt das Orchester, jetzt in größerer Formation, mit in Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 2. Auch hier überzeugt die Leichtigkeit, vor allem auch die technische Brillanz, mit der das Ensemble zu Werke geht. Dem „con brio“ wird nicht so sehr durch übermäßiges Ungestüm Rechnung getragen, sondern weit mehr durch eine pointierte Akzentuierung, die dem Werk mozartische Munterkeit verleiht.

Solist Martin Helmchen klinkt sich mit ausgeprägt bestimmtem Anschlag nahtlos ein. Seine Ausführungen geraten äußerst präzise, gefallen aber durch eine sanfte Wärme und fließende Eleganz; keine einzelne Note wird als nebensächlich abgetan. Bei der subtil angegangenen Kadenz vermittelt der Pianist durch dynamische Wechsel eine Art Dialog zweier Instrumente.
Das Adagio kommt erwartet ruhig; es atmet Melancholie und Weite, geht aber nicht allzu sehr ins Lyrische. Der Orchesterpart gerät mitunter etwas zu füllig gegenüber der einfühlsam angegangenen Klavierstimme. Erst ganz zum Satzende, als Helmchen die Tasten mit äußerster Behutsamkeit wie sinnlich streichelt, wird auch das große Orchester ganz zahm und zurückhaltend.

Höchste Virtuosität ist schließlich im Rondo gefordert. Kein Problem für Helmchen: Mit ungemein agilen Fingern präsentiert er jede seiner unzähligen Figurationen und ausgedehnten Läufe in Perfektion, dieweil die Kammerphilharmoniker dazu einen flotten Galopp quer durchs Gelände absolvieren.

Zu zwei Zugaben lässt sich der sympathische Pianist bewegen. Ganz besonders beeindruckt das Choralprélude BWV 639 „Ich ruf zu dir…“ von Johann Sebastian Bach: Helmchen spielt es ganz schlicht, aber mit derart ergreifender Innigkeit, dass für einige Augenblicke absolute Stille im Saal herrscht.

Und wie würden Bihlmaier und die Kammerphilharmonie mit Robert Schumanns Sinfonie Nr. 4 umgehen? Majestätisch und klangdicht kommt die Einleitung. Dann legt sich das Orchester gehörig ins Zeug, lässt es in unaufhörlichem Vorwärtsdrängen fließen. Die vier Sätze macht Bihlmaier zu einem Gesamtkunstwerk derart, dass sie bei allen Satzübergängen auf eine Zäsur verzichtet. Allerdings mit dem Nachteil, dass Kontraste weniger ausgeprägt und die ruhigen Partien eine Spur zu agil anmuten.

Martin Helmchen © Giorgia Bertazzi

Das eigentlich erwartete Romantische des 2. Satzes kommt daher leider nur ansatzweise zum Ausdruck; das „Ziemlich langsam“ tendiert eher zu einem „Ziemlich schnell“. Deutlich besser dagegen der so geheimnisvoll, leicht düster ausgelegte Beginn des letzten Satzes, der – einem sich allmählich zu gleißendem Licht entwickelnden Sonnenaufgang gleich – zu opulenter Klangfülle kumuliert. Das geht unter die Haut. Ebenso auch das mehr und mehr in Fahrt kommende Presto, das die unter Bihlmaiers energischem Dirigat mit enthusiastischer Vehemenz agierenden Kammerphilharmoniker wie ein perfekt rundlaufender Motor gänzlich stotterfrei und  geradezu soghaft einem fulminanten Endpunkt zustreben lässt.

Noch zwei Generalpausen, dann die donnernden Schlussakkorde. Erst jetzt ist endlich Zeit zum Atemholen, besser noch: für ausgedehnten frenetischen Beifall des begeisterten Auditoriums.

Gerd Klingeberg, 25. Februar 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

„Intensive Begegnungen“ der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen Die Glocke Bremen, 9. Februar 2024

7. Philharmonisches Konzert der Bremer Philharmoniker: „Glanz“ Die Glocke Bremen, 4. Februar 2024

4. Philharmonisches Kammerkonzert, Vision String Quartet Die Glocke, Das Bremer Konzerthaus, 13. Januar 2024

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert