Foto: Guido Müller
Neues Theater, Großer Saal, Halle (Saale), 27. November 2021
von Dr. Guido Müller
Der Schauspieler, Sänger und Conferencier Martin Reik lädt zu zwei Cole-Porter-Konzerten mit einem instrumentalen Nonett ins Neue Theater Halle ein, an der er schon lange zu den festen Stützen des Ensembles gehört. Die Bühne wurde durch den nicht nur durch den Fernseh-„Polizeiruf“ berühmten Schauspieler und Politiker Peter Sodann zum Ende der DDR ins Leben gerufen und befindet sich als „Kulturinsel“ mitten in der Altstadt von Halle mit belebtem Café und einer beliebten Kneipe.
Begleitet wird Martin Reik vom „mondëna quartet“, das sich 2019 in Leipzig zusammenfand. Die vier Künstlerinnen aus Leipzig zeigen sich in klassischer Streichquartettbesetzung vielseitig und wandelbar zwischen diversen Genres wie Klassik, Jazz, Rock und Metall in Eigenkompositionen und in ausgefallenen Arrangements. Es vereint auf beeindruckende Weise Gegensätze zu einem neuen Ganzen. Das Quartett arbeitet mit spannenden Künstlern zusammen wie den Ensemble-Shows von Felix Räuber (Polarkreis 18).
Die erste Violine, Komposition und die atemberaubend guten, sehr abwechslungsreichen und in den Klangfarben fantasievollen instrumentalen Arrangements der Porter-Songs für Nonett hat Shir-Ran Yinon in der Hand. Weiterhin spielen die zweite Violine Sofia Beno, Viola Marie Schutrak und Violoncello Julia Panzer. An der Gitarre wirkt häufig auch solistisch Frank Venske mit. Den Bass hat virtuos Peter Häseler übernommen. Die beiden Parts am Schlagzeug bedienen der wunderbar vielseitige und immer mit Augenzwinkern perfekte Ivo Nitschke (von der Staatskapelle Halle!) und Alexander Glatz.
Für Martin Reik ist Cole Porter als DER Klassiker des amerikanischen Musicals und der Hochzeit des US-amerikanischen Jazz – alle Stars von Ella Fitzgerald bis Frank Sinatra hatten seine Songs im Repertoire – seit vielen Jahren ein brennendes Herzensanliegen. Er huldigt ihm immer wieder in Konzerten und hat jetzt auch eine CD mit Porter-Songs eingespielt, die in etwa zwei Wochen vorliegen soll. Corona-bedingter Papiermangel verzögerte den Druck des Booklets und damit das zum Konzert geplante Erscheinen.
Der Sänger und Entertainer Martin Reik startet sein vor allem aus den berühmten Evergreens bestehendes Programm mit „Paris“ von 1928. In Paris lebte Porter u.a. seit 1917 und studierte auch klassische Komposition. Danach folgt „Begin the beguine“ aus dem Musical „Jubilee“ von 1935. Nach einer nicht lange zurück liegenden Hüftoperation swingt Martin Reik dazu wieder im Stehen die Hüften im schwarzen Glitzer-Dinnerjackett zu schwarzer Dachdecker-Jeans. Diese stylische Kombi ist typisch für den Künstler mit schwäbischen Wurzeln, der sich seit Jahrzehnten im Osten so wohl fühlt.
Dann der Ohrwurm „What is this thing called love“ aus „Wake up and dream“ 1929. Und spätestens mit „Anything goes“ von 1934 swingt auch das Publikum mit. Aus „Gay Divorce“ von 1932 singt Reik dann „Night and day“ und verrät dem Publikum, dass der Musical-Titel nicht „schwule Trennung“ sondern „fröhliche Trennung“ bedeute, und für ihn sei aber Schwulsein keineswegs immer mit Fröhlichkeit verbunden.
Noch politischer ist für Reik der Hintergrund des Songs „Miss Otis regrets“ von 1934, der als Hintergrund auch die rassistischen Lynchjustizmorde in den USA habe.
Im Wechselbad der musikalischen Gefühle geht es dann weiter mit „I love Paris in the springtime“ von 1953. Und zum Aufwärmen in Anbetracht der winterlichen Außentemperaturen folgt „It’s too darn hot“, einer der ersten Hits im Programm aus Porters wohl berühmtesten Musical „Kiss me Kate“ von 1948.
Nach „It’s alright with me“ („Can Can 1953“) widmet er den folgenden Song „My heart belongs to Daddy“ aus „Leave it to me“ von 1938 seinem Mann, dem langjährigen Intendanten des Schauspiels in Dresden und in Leipzig Wolfgang Engel, der auch anwesend ist.
Und was passt darauf besser als „Soul and love“ aus „Kiss me Kate“ (1948) und auch das lässt sich als Liebeserklärung noch steigern mit „I got you under my skin“ (1937).
Mit „It’s De-lovely“ (1936) und mit dem Song „Wunderbar“ („Kiss me Kate“ 1948) beschließt Martin Reik sein Konzert. Doch das begeisterte Publikum lässt ihn und seine virtuosen musikalischen Mitstreiter und Mitstreiterinnen nicht gehen ohne die Zugabe „I get a kick out of you“ („Anything goes“ 1934).
Auch dies wieder eine heimliche Liebeserklärung an seinen Mann wie an das Publikum – ohne das ein sichtlich unter den Corona-Beschränkungen leidendes vollmusikalisches Theatertier wie Martin Reik nicht existieren kann. Und er lädt uns ein noch so lange und so oft wie möglich in Konzerte und ins Theater zu gehen. Dieser Botschaft schließen wir uns sicher gerne alle an!
Dr. Guido Müller, 29. November 2021, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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