Meine Lieblingsoper (41): „Das Gespensterschloss“ von Stanisław Moniuszko

Meine Lieblingsoper (41): „Das Gespensterschloss“ von Stanisław Moniuszko

Foto: Agencja Operowa ARTAGE auf Youtube

Ich sehe den Begriff „Lieblingsoper“ nicht besonders eng, denn innerhalb des vielseitigen Repertoires des Musiktheaters kann man durchaus mehrere Vorlieben haben. Und es kann auch immer gerne mal eine neue Entdeckung hinzukommen!

von Lorenz Kerscher

So geschah es, als ich 2018 den Videostream des Stanisław Moniuszko-Wettbewerbs in Warschau ansah, weil in dessen Finale zwei mir bekannte Nachwuchssänger aus dem Münchner Opernstudio antraten. Hierbei musste jeder Teilnehmer auch eine Arie dieses mir bislang nur vom Namen her bekannten Komponisten darbieten. Insbesondere machten mich zwei Arien aus seinem „Gespensterschloss“ (Straszny dwór) sehr neugierig, diese Oper kennenzulernen.

Eine Produktion dieses Werks an der Warschauer Nationaloper ist nun kürzlich auch in Deutschland im Handel erschienen. Diese bietet die Möglichkeit, ein wirklich herausragendes, bei uns leider kaum bekanntes Werk in einer zauberhaften Inszenierung kennenzulernen, die ich hier besprechen möchte.

Die Handlung beginnt mit der Rückkehr eines Regiments von einem Kriegseinsatz, an dem auch die beiden Brüder Stefan und Zbigniew sowie ihr Diener Maciej teilgenommen haben. Beim Abschied von ihren Kameraden schwören sie, Junggesellen zu bleiben, um jederzeit wieder dem Vaterland dienen zu können, ohne schmerzlichen Abschied von Frau und Kindern nehmen zu müssen. Doch kaum sind sie in ihr Gut zurückgekehrt, um dieses ordentlich zu bewirtschaften, taucht ihre Tante auf und eröffnet ihren, dass sie wunderbare Bräute für sie ausgesucht habe. Dem verweigern sich die Brüder und erklären, dass sie zunächst Schulden eintreiben wollten und zwar zuerst in Kalinowa bei einem ehemals guten Freund ihres Vaters. Die Tante ahnt, dass dessen hübsche Töchter Hanna und Jadwiga die von ihr vorgesehenen Heiratskandidatinnen ausstechen würden, und tischt den jungen Männern die abschreckende Geschichte auf, dass es in diesem Gutshaus beängstigend spuken würde. Doch unbeeindruckt machen sie sich auf den Weg.

Das Herrenhaus von Kalinowa, in das Moniuszko die Handlung der Oper verlegte und das in der hier besprochenen DVD auch als Modell auf die Bühne kommt.

Man ahnt nun schon, dass diese heitere Oper auf ein doppeltes Happy End zusteuert und doch kann die Handlung mit einem großen Reichtum witziger Details überraschen. Diese ergeben sich aus den Meinungsverschiedenheiten der Diener, den Intrigen der Tante und des Mitgiftjägers Damazy (eine wunderbare Tenorbufforolle) und den von den jungen Damen inszenierten Spukgeschichten, mit denen sie die Heiratsverweigerer umstimmen wollen. In Hinblick auf Details sei hier auf die Inhaltsangabe in Wikipedia hingewiesen.

Die Mär, nach der die Großmütter zu Mitternacht aus den Bilderrahmen steigen und ihr Unwesen treiben, wird in der Produktion der Warschauer Nationaloper in Form von lebenden Bildern aufgegriffen. Darin stehen Hanna und Jadwiga im dritten, dem Spukgeschehen gewidmeten Akt, während Stefan (Tadeusz Szlenkier), verzaubert von Hannas schönen Augen, eine schwärmerische Arie singt. Doch als die beiden Brüder ihren Junggesellenschwur erneuern, verschwinden die Mädchen und sind nur noch im Hintergrund zu hören. So bildet ein liebevolles Wechselspiel von Illusion und Wirklichkeit die szenische Ergänzung der musikalischen Vielgestaltigkeit des Werks. Verfügbar in Youtube ist der Ausschnitt, in dem Hanna, dargestellt von der fantastischen Edyta Piasecka, zu Beginn des vierten Akts eine Gestalt aus dem Bilderrahmen als Komparsen für ihre leidenschaftlich patriotische Arie auf die Bühne holt:

Mit liebenswert leichter Hand setzt Moniuszko alle nur erdenklichen Stilmittel der Opernkunst ein. Wirkungsvolle Arien, Duette, teilweise kunstvoll mit Chören verflochtene Ensembles und schwungvolle Tänze verbinden einprägsame Melodien mit vielfältigen Orchesterfarben in nahezu mozartischer Transparenz. Moniuszkos hochentwickelte Tonkunst ist nicht auf der Suche nach Neuerungen, aber immer geistvoll, abwechslungsreich und geeignet, den Zuhörer zu verzaubern. Polens Nationaloper kann hierfür bis in die kleinsten Rollen mit exzellenten Sängern aufwarten. Dieses Land, das durch Stars wie Aleksandra Kurzak, Pjotr Beczala und Tomasz Konieczny auf den großen Bühnen der Welt vertreten ist, kann offensichtlich beim Zusammenstellen von Besetzungen aus den Vollen schöpfen. So sei es den Polen gegönnt, der Weltöffentlichkeit den berechtigten Stolz auf ihr Land mit dieser empfehlenswerten DVD auf charmante Art mitzuteilen!

Lorenz Kerscher, 29. Juli 2020, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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