Geigerischer Schmelz, rasante Akkordeonmusik und ein enthusiastisch aufspielendes Streicherensemble sorgen in Bremen für Standing Ovations

Meisterkonzerte – Klassik für Bremen  Konzerthaus Die Glocke Bremen, 10. April 2024

Bomsori © Kyutai Shim

Meisterkonzerte – Klassik für Bremen

Bomsori: Violine
Martynas Levickis: Akkordeon

Festival Strings Lucerne, Daniel Dodds: Leitung und Violine

Konzerthaus Die Glocke Bremen, 10. April 2024

von Gerd Klingeberg

Zum Auftakt Béla Bartóks Rumänische Volkstänze, allerdings in reichlich weichgespülter Version: das  schien auf einen eher unaufgeregten, gemütvollen Konzertabend hinzudeuten. Am perfekten Zusammenspiel des Festival Strings Lucerne gab es dabei nichts auszusetzen; das renommierte Streichensemble punktete durchweg mit einem Höchstmaß an Homogenität und kompakter Klangdichte. Nach dem vorwiegend bedächtigen Einstieg ging es beim letzten Tanz aber doch auch deutlich zupackender zur Sache.
Die südkoreanische Violinistin Bomsori Kim setzte bei Pjotr Tschaikowskys „Méditation Nr.1“ indes weiterhin auf Schönklang von gefälliger lyrischer Zartheit, dass die begleitende Streicherformation sich maximal zurücknehmen musste, um die feinfühlig gestrichenen solistischen Partien nicht zu übertönen. Einige Anfangstakte lang mochten Bomsoris Ausführungen dabei noch ziemlich zaghaft anmuten, zwar schmuseweich und blitzsauber, aber kaum ausdrucksintensiv. Doch spätestens beim nachfolgenden Valse-Scherzo (Tschaikowsky) bewies sie, dass sich ihre violinistischen Qualitäten keineswegs in ohrenschmeichelndem Sound erschöpfen. Griff- und bogentechnisch routiniert, brachte sie gleichermaßen virtuos wie volltönig ihre Guarneri del Gesù über den gesamten Tonumfang zum Klingen.

Bomsori © Kyutai Shim 

Dann endlich kam auch Martynas Levickis auf die Bühne. Als Dreijähriger hat sich der Litauer, dem dereinst leider kein Klavier zur Verfügung stand, erstmalig an einem Akkordeon versucht. Inzwischen ist er mit seinem bestens ausgestatteten Konzertakkordeon als Solist weltweit gefragt. Zwei berührende Eigenkompositionen hatte er mitgebracht. Flirrend schnelle Dreiklangreihungen im Pianissimo ließen eine aquarellfarbig atmosphärische Morgenstimmung entstehen, kumulierten als gleißend lichte Klangballungen. Der leicht schnarrende Akkordeonklang mischte sich bei gefühlvoll dargebotener Melodik optimal mit der sorgfältig abgestimmten Grundierung des Streicherensembles, bevor es in einem tänzerischen Teil stakkato-stampfend immer energischer zuging.

Martynas Levickis © Sebastian Madej

Bei „Ruta žalioj“ entwickelte sich indes aus einer simplen kleinen Tonfolge eine zunehmend komplexe, von heftig pulsierendem Rhythmus durchdrungene Struktur. Levickis spielte stehend; so konnte er sein temperamentvolles Spiel auch mit adäquater Körpersprache unterstreichen.

Beim folgenden Balkan Dance trieben sich die Luzerner und der Akkordeonist zunehmend gegenseitig an zu noch mehr Verve, noch mehr Feuer und Vehemenz. Aufgedreht und fast wie in Trance wiederholte das Ensemble immer wieder ein furioses Akkordmotiv, das von presto-schnellen, mitreißend leidenschaftlich präsentierten Akkordeonfigurationen überstrahlt wurde, um schließlich mit einem gebrüllten Hej! aller Musiker abrupt zu enden.

Nach der Pause schwelgten die Schweizer Streicher erst einmal wieder in schmachtend süßlichen Harmonien. Herzzerreißend emotional und so geheimnisvoll und sanft wie das Mondlicht über andalusischen Gefilden intonierten sie Rodrigos „Preludio“, die rhythmischen Raffinessen beim „Danza“ wurden pointiert akzentuiert.

Festival Strings Lucerne © Felix Broede

Weit mehr an Rasanz, Dynamik und Schmiss bot das original für Akkordeon und Streichorchester geschriebene „Opale Concerto“ von Richard Galliano. Der französische Komponist und Jazzmusiker hat lange mit Piazzolla zusammengearbeitet; in seinem dreisätzigen Werk verbindet er in eindrucksvoller Weise Elemente des Musette-Neuve-Stils mit denen des Tango Nuevo. Die Ecksätze imponierten mit hart attackierenden, zackig scharf konturierten Rhythmen. Levickis’ ungemein schnellfingerig gespielte Akkordeonpartien sorgten einen unnachahmlichen Drive.

Dagegen vermittelten die walzertaktig schmachtenden Pianissimo-Harmonien des Mittelsatzes zwischenzeitlich eine Verloren-im-Nirgendwo-Tristesse voller Weltschmerz und Wehmut.

Dem exzellentem Akkordeonspiel setzte Bomsori ein gleichwertiges geigerisches Pendant entgegen. Für Wieniawskis „Fantasie brillante“, ein mit allen geigerischen Raffinessen und Kompliziertheiten gespicktes Schaustück, hatte sie den Leidenschafts-Turbo angeschmissen und brillierte mit spektakulärer Instrumentenbeherrschung rauf und runter über das gesamte Griffbrett. Sie hatte aber – vor dem dann fulminanten Finalpart – auch für ausgeprägte Romantiker reizvoll Rührseliges zu bieten.

Als erste Zugabe spielten die beiden Solisten im Duett eine ebenso schwungvolle wie witzige Schostakowitsch-Polka. Schließlich riss auch noch Astor Piazzollas im Tutti furios angegangenen „Libertango“ das Auditorium am Ende dieses abwechslungsreichen und unterhaltsamen Konzerts zu enthusiastischen Standing Ovations von den Sitzen.

Dr. Gerd Klingeberg, 11. April 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Programm:

Béla Bartók: Rumänische Volkstänze Sz 68 (Arr. Heinrich Wollheim)

Pjotr Iljitsch Taschaikowky: Méditation op. 42 Nr.1 (Arr. David Walter)

                                                Valse-Scherzo op. 34 (Arr. David Walter)

Martynas Levickis: Beauštanti aušrelė (Der Morgen bricht an)
Ruta žalioj (Die grüne Raute)

Janusz Wojtarowicz: Balkan Dance (Arr. Tomas Petrikis)

Joaquín Rodrigo: Dos miniaturas andaluzas

Richard Galliano: Opale Concerto

Henryk Wieniawski: Fantasie brillante sur des motifs de l’Opéra „Faust“ de Gounod op. 20 (Arr. Wolfgang Birtel)

6. Philharmonisches Kammerkonzert der Philharmonischen Gesellschaft Bremen Bremer Konzerthaus Die Glocke, 2. März 2024

Karen Vourc’h Sopran, Marko Letonja Dirigent, Bremer Philharmoniker Bremen, Die Glocke, 26. Februar 2024

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