Foto: Vasily Petrenko. © Mark McNulty
Grafenegg Wolkenturm, 27. Juli 2019
Ludwig van Beethoven:
„Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“ für Orchester op. 91
Symphonie Nr. 9 in d-moll op. 125
Miah Persson, Sopran
Theresa Kronthaler, Mezzosopran
Norbert Ernst, Tenor
Leon Košavić, Bariton
Tschechischer Philharmonischer Chor Brünn
European Union Youth Orchestra
Dirigent: Vasily Petrenko
von Herbert Hiess
Es ist schon fast ein perfider Zufall, dass gerade im Zeichen des „Brexit“ das Europäische Jugendorchester (früher sogar „European Community Youth Orchestra“ genannt!) nicht nur die für die Europahymne missbrauchte „Ode an die Freude“ spielte; nein, als Entrée zum Konzert hörte man auch noch Beethovens musikalisches Schlachtengemälde über „Wellingtons Sieg“ im spanischen Vittoria (bei der übrigens die Briten als Sieger hervorgingen!).
Viel mehr Symbolik braucht es gar nicht mehr. Beethoven und Schiller konnten sich bekanntermaßen nicht gegen die Okkupation des grandiosen Werkes als Hymnensujet wehren, was die einzigartige „Ode an die Freude“ auch überleben wird. Mit „Wellingtons Sieg“ setzte man diesem Anlass noch die Krone auf – noch dazu, wo gerade eben das Europäische Jugendorchester spielte, dem die EU fast den (Geld-)hahn abdrehte, was man in letzter Sekunde abwenden konnte.
Das Konzert war an diesem Abend recht zwiespältig. Einerseits war das Orchester absolut in Höchstform; da braucht man sich um den musikalischen Nachwuchs echt keine Sorgen machen. Andererseits aber störte fast der plakativ auftrumpfende Maestro Petrenko fast die geniale Symphonie.
Bei „Wellingtons Sieg“ passt fast diese „plakative“ Art. Hier brillierten vor allem die Solotrompeten, Schlagwerk und die Holzbläser. Hier war Petrenko auch der passende Impulsgeber. Weniger fein war sein Einfluss bei der Symphonie. Handwerklich ist sie recht gut gelungen (wenn man von dem absolut misslungenen Beginn absieht, wo sich Petrenko verschlug) aber er hätte weit mehr Einfluss auf die musikalische Gestaltung nehmen können und sollen.
Der erste Satz war absolut in Ordnung, den zweiten peitschte er mit einem fast verrückten Tempo durch. „Molto vivace“ heißt so viel wie „sehr lebendig“ – aber nicht „unspielbar schnell“. Hier musste man die jungen Musiker bewundern, wie sie dieses Tempo mit ihrer Virtuosität durchhielten. So ein Tempo hat auch den Nachteil, dass man als Musiker UND Zuhörer keine Möglichkeit mehr hat, die musikalischen Feinheiten zu verfolgen.
Das Adagio im dritten Satz ist nahezu eine Vorstufe zu einem Mahler-Adagio; hier konnten Petrenko und das superbe Orchester tatsächlich musikalische Glücksmomente bescheren. Der vierte Satz war auch wieder auf Tempo und Lautstärke ausgerichtet. So spielten Celli und Kontrabässe das „Freudenthema“ zu Beginn des Satzes viel zu laut. Das sollte fast mit einem Flüstern beginnen. Ausgezeichnet alle vier Solisten; vor allem Miah Persson bewältigte exzellent die fast unsingbare Sopranpartie und Norbert Ernst konnte das Marschthema in seinem Solo brillant gestalten. Nicht zu vergessen Frau Kronthaler und der exzellente Bariton Leon Košavić.
Das Orchester war in allen Instrumentengruppen durchweg beeindruckend gut. Dem brillanten Paukisten sei geraten, an einem prägnanteren Klang zu arbeiten – was eigentlich der Dirigent hätte machen sollen. Seine Pauken klangen manchmal viel zu dumpf und zu wenig mit dem Orchesterklang abgestimmt; im Scherzo war er noch am allerbesten. Übrigens sollten im ersten Satz bei der Durchführung die Pauken von zwei Spielern gespielt werden. Natürlich nicht wegen der Lautstärke, sondern wegen den wiederkehrenden Einzelschlägen.
Alles in allem ein interessanter und aufschlussreicher Konzertabend. Technisch war das Konzert beeindruckend, musikalisch gibt es sowohl für den Dirigenten als auch für die Musiker noch genug „Luft nach oben“.
Herbert Hiess, 28. Juli 2019, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at