Foto: Christian Tetzlaff © Giorgia Bertazzi
Elbphilharmonie, 1. April 2022
NDR Elbphilharmonie Orchester
Christian Tetzlaff Violine
Sakari Oramo Dirigent
Edward Elgar
Konzert für Violine und Orchester h-Moll op. 61
Robert Schumann
Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38 »Frühlingssinfonie«
von Harald Nicolas Stazol
So wie Edwin Lutyens alle Prachtbauten vom Kanadischen Parlament bis zum Gouverneurspalast von Delhi erbaute, als eine Art imperialer Baumeister, ja, da ist die Welt noch in Ordnung, – so ist Edward Elgar mit der musikalischen Glorifizierung des British Empire betraut: Als er König Georg V. sein „Pomp and Circumstance“ vorträgt, meinen Majestät: „Elgar, dazu einen Reim, und sie werden unsterblich, und so entsteht „Land of Hope and Glory“, das den Brexit-Briten in der Royal Albert Hall bei den „Last Night of the Proms“ gleich nach „Rule Britannia“ die Tränen in die Augen treibt. Ja, Elgar hat auch den „Imperial March“ geschrieben, er erhöht die Monarchie, betört Adel und Bourgeoisie und röhrt für das Imperium. Immer „au point“, auf den Punkt, und seine Märsche sind ja wirklich patriotisch geradezu erhebend…Doch es gibt eben sein Violinkonzert. Geschlagene 50 Minuten lang. Hier wünscht Elgar als grosser, eigenständiger Komponist zu wirken, aber ganz lassen kann er den Pomp nicht, in einem Werk, das dem Solisten alles abverlangt jetzt schon, und drei lange Sätze lang abverlangen wird.
Mit Superlativen verhält es sich wie mit Liebeserklärungen – nur eine einzige Wiederholung ermüdet. Aber dieser Christian Tetzlaff als Solist ist sogar über Superlative erhaben. Was Elgar ihm da vorsetzt und was Tetzlaff dann umsetzt – man bleibt vor Staunen stumm.
Die vom Publikum geradezu geforderte Zugabe, eine Bach Partita, hebt ihn auf die Höhe eines Oistrach.
Nun, nach des Elgars nie geahnten Spannungsbogens von 1910 – wer mag dies wohl gehört haben? Virginia Woolf? D.H. Lawrence? E.M. Foster? – die dringend benötigte Pause, aber irgendwie flirrt da noch etwas nach, eine gewisse Nervosität, die ich entschieden dem Briten anlaste.
Aber dann hebt eben Sakari Oramo den Taktstock über das Elbphilharmonie Orchester, zu Schumanns „Frühlingssymphonie“, von einer Qualität, wie sie mir besser nicht erinnerlich – alles atmet auf, alles grünt und strebt hinauf, kein Schnee, nirgends – für uns Hanseaten gerade der einzige Lichtblick, gestern hätte man noch „Jingle Bells“ singen können – was für eine Erlösung das ganze, was für gute Laune, man schämt sich
Erlöst von wem? Edward Elgar!
Harald Nicolas Stazol, 2. April 2022, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
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