Simone Young ist zurück auf dem Hamburger Podium!

NDR Elbphilharmonie Orchester, Simone Young  Elbphilharmonie Hamburg, 11. Dezember 2025

Foto: Simone Young (c) Sandra Steh

Bei ihrem ersten Hamburger Auftritt seit dem Ende ihrer Staatsopern-Amtszeit überzeugte Simone Young am Pult des NDR Elbphilharmonie Orchester mit Schostakowitsch und Franz Schmidt. Wichtigste Lektion des Abends: Der laut Mahler musikalischste Mann Wiens gehört dringend ins Standardrepertoire der Konzerthäuser!

Elbphilharmonie Hamburg, 11. Dezember 2025

NDR Elbphilharmonie Orchester
Simone Young, Dirigentin

Gautier Capuçon, Violoncello

Werke von Dmitrij Schostakowitsch und Franz Schmidt

von Johannes Karl Fischer

Zehn Jahre lang war Simone Young Generalmusikdirektorin der Hamburgischen Staatsoper, ebenso lange dirigierte sie seitdem nicht mehr in der Hansestadt. Nun gab sie mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester ihr überfälliges und erfolgreiches Debüt in der Elbphilharmonie. Bis auf ein paar kritische Pausenkommentare im Foyer war der sehr durchwachsene Ruf ihrer Amtszeit ein Relikt der Vergangenheit, im sehr gut verkauften Saal nicht eine einzige Missfallensäußerung zu hören. Buh-Rufe hatten ihr übrigens auch das Mailänder Publikum nicht erspart…

Franz Schmidt mit viel guter Stimmung

Mit Spannung erwartete man aber nicht nur Simone Youngs Rückkehr aufs Hamburger Podium, sondern auch die recht selten gespielte Zweite Sinfonie von Franz Schmidt. Die wurde zum Highlight des Abends und Mahlers Urteil als „der musikalischste Mann Wiens“ bestätigt. Fröhlich segelten die warmen Streicherklänge von der Bühne, schon in den ersten Takten versetzte das hier wunderbar spielende NDR Elbphilharmonie Orchester den Saal in freudige Feiertagslaune. Mit nach wie vor sichtlich sehr bewegtem Dirigat steuerte Simone Young die Musiker durch die Partitur und tanzte schwungvoll wie stimmig durch die Ländler im zweiten Satz!

Auch der in Teilen sehr satte Bläserklang ging wunderbar unter die Haut, der füllende, doch immer positiv gestimmte Orchesterklang holte einen in den musikalischen Himmel der Wiener Spätromantik. Das war so eine Musik, egal, in welcher Stimmung man sich um 20 Uhr in den Saal setzte, man ging nach Hause und fühlte sich wie der glücklichste Mensch der Welt. Die Musiker hatten wohl auch Spaß auf der Bühne, sichtbar freudig legten sie sich mit Eifer in die schwebenden Melodien hinein. Jetzt sind alle meine Weihnachtswünsche erfüllt…und das schon 13 Tage vor Heiligabend!

Gautier Capuçon beeindruckt mit Schostakowitsch

Nicht weniger spektakulär spielte in der ersten Hälfte Gautier Capuçon das zweite Schostakowitsch-Cellokonzert. Uraufführung dieses Werks: Moskau, 1966, ein größerer Kontrast zu Schmidts äußerst gut gelaunter Sinfonie wäre kaum vorstellbar. Herr Capuçons satter Ton drückte alle noch so intensiven Emotionen dieser Musik aus und führte einen mitten in die extrem turbulenten und tragischen Lebensumstände Schostakowitschs. Von dem technischen Cello-Himalaya ließ sich der Solist nicht beeindrucken, so spielte er die Dezimenläufe und quer über das Griffbrett springende Terzen stets mit astreiner Intonation und ausdrucksvollem Klang. Fast schon mühelos stürzte er sich in die Solopartie und ließ den kräftigen Sog dieser Klänge durch den Saal ziehen.

Gautier Capuçon (c) Simon Pauly

Mit der Zugabe in die Natur

Als Zugabe spielte er dann noch Bryce Dessners recht frisch für seine CD komponiertes Werk „Towards the Forest.“ Fast schon mystisch führte er den Bogen schwebend über die Saiten, nach dem für das Publikum extrem fordernden Schostakowitsch-Konzert war das eine wohltuende Entspannungsrunde. Kleiner Schönheitsfehler: Seine zuvor eindrucksvoll präzise Intonation ließ in dieser Zugabe ein ganz wenig nach.

Zweiter Schönheitsfehler des Abends war die Begleitung des NDR Elbphilharmonie Orchesters, das im Schostakowitsch sich klanglich leider ein wenig hinter den Solisten stellte und auf dessen umwerfend ausdrucksvollen Klang nicht immer eine musikalische Antwort fand. Eine sehr disziplinierte, solide Begleitung eines sehr guten Orchesters, die aber dem Solisten mühelos die ganze Bühne überließ – ein wenig Widerstand in der Musik würde diesem Werk Schostakowitschs nicht schaden.

Schlussapplaus NDR Elbphilharmonie Orchester, Gautier Capuçon, Simone Young, Dirigentin Foto (JF)

Franz Schmidts Musik als Adventsgeschenk

Für dieses musikalisch wunderbare Adventsgeschenk gab es am Ende viel fulminanten Applaus – in der Schmidt-Sinfonie sogar zwischen den Sätzen. Normalerweise kommentiere ich sowas nicht positiv, heute schon: Der laut Mahler musikalischste Mann Wiens gehört dringend ins Standardrepertoire der Konzerthäuser!

Johannes Karl Fischer, 11. Dezember 2025 für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

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