John Neumeier bricht sein Schweigen und wird emotional

Nijinsky-Gala XLIX  Staatsoper Hamburg, 14. Juli 2024

John Neumeier vor den ihm vom Ensemble zu Füßen gelegten Blumen

Ein Essay anlässlich  der 49. Nijinsky-Gala  in der
Staatsoper Hamburg,  14. Juli 2024

 von Dr. Ralf Wegner

John Neumeier moderierte wie immer, diesmal mit melancholischem Unterton. Am Ende wurde er persönlich: „Es bricht mir das Herz“. Demis Volpi, sein Nachfolger, hat es in Zusammenarbeit mit der Kulturbehörde verhindert, dass John Neumeier weiter mit seinem Bundesjugendballett im Ballettzentrum in Hamm wirken darf. Nach Volpi gäbe es dort keinen Platz mehr.

Denn gerade das Zusammenwirken der jungen Tänzerinnen und Tänzer des Bundesjugendballetts mit dem Hamburg Ballett und seinen Stars, Neumeier sprach von dem dortigen Mikrokosmos, sei so wichtig für die Entwicklung des jungen Ensembles. Aber Volpi blieb offensichtlich beim Nein; er will seinen genialen Vorgänger offenbar dort nicht sehen, und hat dafür die Unterstützung der Kulturbehörde.

Hätte Volpi Größe, würde er so nicht handeln. Aber vielleicht halt Volpi zumindest auf seine Art sogar recht: Er möchte den Schatten werfen und diesen nicht vom übermächtigen Schatten seines Vorgängers verdunkelt sehen.

Auch ging Neumeier auf seine Ballett-Sammlung ein. Er „hoffe“, dass diese in Hamburg bleiben wird. Da stellt sich natürlich die Frage, wie es um die Sanierung der von der Stadt angekauften großen Villa am Mittelweg steht? Warum kommt diese nicht voran? Warum hört man nichts darüber?

Wenn man John Neumeiers Worte interpretiert, scheint es immer noch Stolpersteine zu geben. Im Grunde hätten Senat und Kulturbehörde das Ballettinstitut jetzt zum Abschied übergeben sollen. Aber wahrscheinlich freut man sich in der Kulturbehörde mehr darüber, dass Demis Volpi zukünftig mit den Kampnagel-Tanzgruppen ein Festival organisieren will. Dafür wird es Geld geben.

Hoffen wir nur, dass die gestern auf der Bühne der Hamburgischen Staatsoper wieder zur Schau gestellte außerordentliche Qualität des von Neumeier aufgebauten Ensembles damit nicht nach unten angepasst wird.

John Neumeier bedankte sich schließlich, sichtlich um Fassung bemüht, bei allen, die zu seinem langjährigen Erfolg beigetragen haben, bei den Bühnentechnikern, bei den Schneiderinnen und Schneider der Kostümabteilung, bei den Musikern und natürlich auch bei seinem großartigen Ensemble. Das zeichnete John Neumeier immer aus, es sind für ihn die Menschen, die solche großartige Kunst erst Wirklichkeit werden lassen. Es sei ihm bei seinen Choreographien immer um die Menschen gegangen, um die Liebe zu und zwischen diesen.

Und dafür danken wir ihm. John Neumeier hat eine wahrhaft humane, die Zeiten überdauernde Kunst geschaffen. John Neumeier lief nie den modischen oder politischen Strömungen des Zeitgeistes hinterher, was wohl manchen in der Kulturbehörde gestört hat. Neumeier ging es immer um die innere Wahrheit, nicht um den äußeren Effekt.

John Neumeier hat sich damit in Hamburg, um Hamburg herum und vor allem in der Weiten Welt eine Anhängerschaft erworben, die ihn und sein Werk auch zukünftig voller Bewunderung und mit bewegtem Herzen in sich tragen werden. Demis Volpi sei daran erinnert, und vor allem der Hamburger Senat. Denn aktuell wird wohl das Einnahmesoll der Hamburgischen Staatsoper weitgehend nur durch die fast immer ausverkauften Vorstellungen von Neumeiers genialen Choreographien erreicht.

Eine Besprechung der am 14. Juli 2024 bei der Nijinsky-Gala aufgeführten Werke folgt.

Dr. Ralf Wegner, 15. Juli 2024, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at

Ein Gedanke zu „Nijinsky-Gala XLIX
Staatsoper Hamburg, 14. Juli 2024“

  1. Ich bin entsetzt und es ist unfassbar, was man da mit Neumeier macht! Ich hoffe, das Publikum und die Leitung des Bundesjugendballetts, Kevin Haigen, Yohan Stegli werden das nicht auf sich beruhen lassen. Da muss doch ein Aufschrei durch Hamburg und die Medien gehen. Die Hamburger Kulturbehörde hat im Laufe der Jahrzehnte schon viele solcher falschen Maßnahmen getroffen und das Publikum verprellt! (Boy Gobert, lange her aber nicht vergessen!) Wer bitte ist eigentlich Demis Volpi? Er sollte sich in Demut vor einem Menschen wie Neumeier verneigen und dankbar sein, dass er dessen Werk fortführen darf.
    Ich wünsche John Neumeier alles Gute und möge Herr Volpi mal darüber nachdenken, ob das jetzt wirklich ein guter Anfang für ihn ist?

    Karl-Heinz Steiner, Hannover

    PS: Auch in Hannover hat man es geschafft, aus einer Ballettkompanie eine Tanztheater Truppe zu machen! Und viele gehen dort nicht mehr hin!

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