Oper Frankfurt, Weihnachten © Barbara Aumüller
Nicht nur im Fussball punktet Frankfurt momentan auf der großen Bühne. Mit der Wiederaufnahme der Oper “Die Nacht vor Weihnachten” von Rimski-Korsakow zeigt sich auch die Oper in der Spitze der Opernliga.
Die Produktion von Christof Loy war von der Zeitschrift Opernwelt zur Produktion des Jahres 2021/22 ernannt worden und ist in der Zwischenzeit bei der Firma Naxos als Ton- und Bilddokument erhältlich. Mit fast identischer Besetzung wird dem Frankfurter Opernpublikum diese musikalische Rarität auch in der diesjährigen Weihnachtszeit kredenzt.
Nikolai Rimski-Korsakow (1844-1908)
DIE NACHT VOR WEIHNACHTEN
Oper in vier Akten
Text vom Komponisten nach der Erzählung von Nikolai W. Gogol
Musikalische Leitung Takeshi Moriuchi
Inszenierung Christof Loy
Bühnenbild Johannes Leiacker
Kostüme Ursula Renzenbrink
Frankfurter Opern- und Museumsorchester
Chor der Oper Frankfurt (Leitung: Tilman Michael)
Wakula Georgy Vasiliev
Oksana Julia Muzychenko
Solocha / Frau mit violetter Nase Enkelejda Shkoza
Tschub Inho Jeong
Teufel Andrei Popov
Oper Frankfurt, 18. Dezember 2023
von Jean-Nico Schambourg
Die Oper handelt vom Schmied Wakula der in Oksana, die eitle Tochter des reichen Bauern Tschub, verliebt ist. Diese will ihn aber nur erhören, wenn er ihr die goldenen Schuhe der Zarin bringt. Mit Hilfe des Teufels fliegt Wakula in die Hauptstadt, wo die Zarin ihm ein Paar ihrer Stiefel übergibt.
Oksana macht sich in der Zwischenzeit Vorwürfe betreffend ihrer abweisenden Haltung gegenüber Wakula. Sie sehnt sich nach seiner Rückkehr, da sie ihn liebt. Als dieser dann auch wieder kommt, und ihr die ersehnten Stiefel gibt, bittet er Tschub um die Hand seiner Tochter.
Das Werk kam 1895 im Mariinski-Theater in Sankt Petersburg zur Uraufführung, ist aber nie zu einem großen Erfolgsschlager von Rimski-Korsakow geworden, was zum Teil auf anfängliche Probleme mit der Zensur Russlands zurückzuführen ist. Diese verbot, dass Zar oder Zarin auf der Bühnen dargestellt werden durften. Der Komponist ersetzte also, für die Premiere, die Rolle der Zarin durch diejenige eines Fürsten der in Frauenkleidern auftrat. Damit war die Zensurbehörde blamiert.
Auch endet die Oper nicht mit der Glorifizierung der Zarin. Wakula will seine Erlebnisse nur einem Dichter erzählen, der ein Märchen daraus machen soll. Der designierte Dichter ist natürlich Gogol. Damit zeigt Rimski-Korsakow, der dem Zarenhof kritisch gegenüber stand, dass er die Kunst über die politische Macht stellt.
Die Erzählung von Nikolai W. Gogol war zuerst 1872 vom ukrainischen Komponisten Mykola Lysenko in seiner Oper “Die Nacht vor Weihnachten” vertont worden. Später war es dann Piotr Tschaikowski, der sie zuerst 1876 in seiner Oper “Der Schmied Wakula”, dann später 1887 in deren Überarbeitung “Die Pantöffelchen (Tscherewitschki)” als Vorlage nahm.
Rimski-Korsakow begann mit seiner Komposition erst nach dem Tode seines Komponisten-Kollegen Tschaikowski. Er verbindet in seiner Oper Gogols satirische Schilderungen des ukrainischen Dorfes mit mythologischen Elementen. Surreal-fantastische, groteske und komödiantische Momente wechseln sich ab. Rimski-Korsakow verbindet aber auch christliche und heidnische Elemente miteinander durch die Gegenüberstellung des heidnischen Kults der Wintersonnenwende mit dem der Geburt Jesus. Seine pantheistische Weltanschauung stellt die Natur und den Kosmos in den Mittelpunkt.
Die Musik beinhaltet viele Elemente ukrainischer Volksmusik. Eine besondere Bedeutung in der Oper haben die Koljadki-Lieder, Lieder die am Abend vor Weihnachten vor den Fenstern gesungen werden. Auch die Namen der Sonnengötter Koljada und Owsen sind in diesen Brauchtumsliedern überliefert, die zu Weihnachten gesungen wurden. Sie bilden einen Gegenpol zu den dunklen Geistern, Zauberern und Hexen.
Die Inszenierung von Christof Loy zeigt all diese verschiedenen Ebenen: die weltliche Liebesgeschichte von Wakula und Oksana, die mythologische Verbindung von Koljada und Owsen, die sexuell grotesk-komödiantische Beziehung von Solocha und dem Teufel.
Die Geschichte spielt sich ab in einem Bühnenbild von Johannes Leiacker, das einen negativen Sternenhimmel darstellt. Die Kostüme von Ursula Renzenbrink sind zeitlos, bis auf jene in der Szene am Zarenhof, die auf die Zeit von Katharina der Großen deuten.
Besonders hervorheben muss man auch die einzelnen Balletteinlagen (Choreografie: Elvis Elmazaj), sowie die Flugeinlagen von Solocha, dem Teufel und Wakula, die von Ran Arthur Braun koordiniert wurden. Sie finden beim Publikum sehr viel Anklang.
Ihr weiblicher Gegenpart ist Enkelejda Shkoza als Solocha. Mit satter, lustvoller Stimme singt sie die Hexe, Mutter von Wakula, die versucht ihr Ziel bei den Männern zu erreichen. Szenisch ist ihre Darstellung dieser deftigen Frau umwerfend.
Tschub, Oksanas Vater, wird gesungen von Inho Jeong mit wunderbar präsentem Bass. Der Teufel von Andrei Popov besticht neben seinem Tenorgesang auch durch seine Flugeinlagen mit Solocha und Waluka.
Das Orchester unter der Leitung von Takeshi Moriuchi ist ebenfalls von erstklassiger Qualität und weiß den Ansprüchen der Orchestration von Rimski-Korsakow vollkommen zu entsprechen.
Das Werk gilt als eines der besten, der musikalisch wertvollsten Opern von Rimski-Korsakow, auch wenn es nicht mit vokalen Ohrwürmern gespickt ist. Der Erfolg beim Frankfurter Publikum ist trotzdem einhellig. Ob das Werk sich als Oper der Weihnachtszeit neu etablieren wird, bleibt allerdings ungewiss: dazu hat es vielleicht zu hohe musikalische Qualität!
Jean-Nico Schambourg, 20. Dezember 2023, für
klassik-begeistert.de und klassik-begeistert.at
Nikolai Rimski-Korsakow, Die Nacht vor Weihnachten Philharmonie Berlin, 23. Dezember 2022
Peter I. Tschaikowski, DIE ZAUBERIN, Oper in 4 Akten Oper Frankfurt, 21. Dezember 2022
Die für mich weite Reise nach Frankfurt, um dort eine Aufführung live zu erleben, habe ich noch nicht geschafft. Aber ich habe große Freude an der DVD-Aufnahme dieser durch und durch begeisternden Produktion! Habe auch eine Rezension darüber geschrieben und hoffe, dass das zauberhafte Werk weitere Verbreitung findet.
Dr. Lorenz Kerscher