Das Brüsseler Opernhaus “La Monnaie” begeistert das Publikum mit der Wiederaufnahme des “Märchen vom Zaren Saltan”

 Nikolai Rimski-Korsakow, Das Märchen vom Zaren Saltan  Théâtre Royal de la Monnaie, Brüssel, 3. Dezember 2023

Foto: © Forster

Das Opernhaus “La Monnaie / De Munt” in Brüssel feierte den Beginn der diesjährigen Adventszeit mit der Wiederaufnahme der Oper von Nikolai Rimski-Korsakow “Das Märchen vom Zaren Saltan”. Die Erstaufführung dieser Produktion war als „Beste Neuproduktion“ bei den International Opera Awards 2020/21 ausgezeichnet worden. Der Publikumserfolg an diesem neuerlichen Premierenabend bestätigt die gute Entscheidung der Brüsseler Oper unter ihrem Generaldirektor und Intendanten Peter de Caluwe.

Nikolai Rimski-Korsakow (1844 – 1908)

Das Märchen vom Zaren Saltan
Oper in 4 Akten und einem Prolog
Libretto: Wladimir Belski nach einem Märchen von Alexander Puschkin

Musikalische Leitung, Timur Zangiev

Inszenierung, Bühnenbild, Dmitri Tcherniakov
Kostüme, Elena Zaytseva

Zar Saltan: Ante Jerkunica
Zarin Militrissa: Svetlana Aksenova
Gwidon: Bogdan Volkov
Schwanenprinzessin: Olga Kulchynska
Tkatchitka: Stine Marie Fischer
Povarikha: Bernarda Bobro
Babarikha: Carole Wilson

Symphonisches Orchester und Chor (Chorleiter: Emmanuel Trenque) des Opernhaus La Monnaie

Théâtre Royal de la Monnaie, Brüssel, 3. Dezember 2023

von Jean-Nico Schambourg

Der ganze Titel der Oper lautet “Das Märchen vom Zaren Saltan, von seinem Sohn, dem ruhmreichen und mächtigen Recken Fürst Gwidon Saltanowitsch, und von der wunderschönen Schwanen-Zarewna” und lässt gleich erkennen, dass es sich um ein Märchen handelt. Die Uraufführung fand 1900 im Solodownikow-Theater in Moskau statt, aufgeführt vom Ensemble der der Russischen Privatoper von Sawwa Mamontow. Das bekannteste Musikstück ist zweifellos der Hummelflug aus dem dritten Akt. Rimski-Korsakow hat aber auch viele volkstümliche Weisen in seinem Werk verarbeitet.

Die Geschichte erzählt vom Zaren Saltan, der Militrissa, die jüngste von drei Geschwistern, zu seiner Frau nimmt. Die beiden abgewiesenen Schwestern und ihre Tante Babarikha schwören heimlich Rache. Der Zar zieht wenige Tage nach seiner Hochzeit in den Krieg. Die Zarin gebärt in seiner Abwesenheit einen Sohn, Gwidon. Die beiden Schwestern und ihre Tante lassen dem Zaren eine Nachricht zukommen, die Zarin hätte ein Monster zur Welt gebracht, woraufhin der Zar schriftlich die Anordnung erteilt, seine Frau und Sohn in ein Fass zu stecken und sie ins Meer zu werfen.

Das Fass zerschellt nach langer Reise auf der einsamen Insel Bujan. Auf der Suche nach Nahrung erlegt Gwidon einen Geier, der einen weißen Schwan verfolgt. Der Geier ist in Wirklichkeit ein böser Zauberer und der Schwan eine verzauberte Prinzessin. Durch den Tod des Zauberers erscheint die verwunschene Stadt Ledenez wieder. Ihre Einwohner krönen ihren Befreier Gwidon zum Herrscher.

Gwidon lebt mit seiner Mutter auf der  Insel, aber er sehnt sich nach seinem unbekannten Vater. Die Schwanenprinzessin verzaubert ihn in eine Hummel, die auf einem Schiff zum Zarenhof segelt. Die Seeleute erzählen dem traurigen Zaren Saltan von der wunderbaren Insel Bujan und ihrem Fürsten. Zar Saltan möchte, entgegen dem Willen der beiden Geschwister und der Tante, diese Insel bereisen.

Nach seiner Rückkehr auf die Insel Bujan gestehen sich Gwidon und die Schwanenprinzessin ihre Liebe. Als Zar Saltan die Insel besucht, führt Gwidon ihn wieder mit seiner Mutter zusammen und alles endet im totalen Happy-End.

Dmitri Tcherniakov zeigt in seiner Inszenierung nicht ein einfaches, wunderschönes Märchen. Er schafft eine Rahmenhandlung und erzählt die Handlung aus der Sicht einer alleinerziehenden Mutter (Militrissa) und deren autistischem Sohn (Gwidon), der in seiner eigenen Märchenwelt lebt.

Die Mutter will ihren Sohn über seinen Vater aufklären und erzählt ihm dies anhand des Märchens vom Zaren Saltan. Im Prolog und in den ersten drei Akten begegnen wir, neben der Mutter und ihrem Sohn, den fiktiven Märchenfiguren. Diese erscheinen dem Buben auf der Bühnen in ihren pastellfarbenen Kostümen. Die Gedanken von Gwidon werden immer wieder wie Luftblasen aus Comics auf die Bühnen projiziert. Dabei verschmelzen sich gezeichnete Skizzen und Märchenfiguren zu einem wirklich “märchenhaften” Bühnenbild.

Im letzten Akt kommt, auf Gesuch der Mutter, Gwidons Vater in heutigen Kleidern mit einer großen Gesellschaft zu Besuch. Er spielt die Rolle des Zaren Saltan um Zugang zu seinem Sohn zu bekommen. Das Ganze endet aber schlussendlich in einer Katastrophe, da weder Vater, noch seine Bekannten die richtige Empathie für den Knaben und dessen spezielles Wesen aufbringen können.

Die fließende Vermischung zwischen realer Welt und Märchenwelt macht diese Inszenierung zu einem wirklichen Erlebnis. Der Zuschauer ergötzt sich einerseits an den gezeigten Märchenbildern, ist andererseits aber immer wieder tief ergriffen von dem schweren Schicksal des autistischen Jungens und seiner Mutter.

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Foto: © Forster

Diese werden von Bogdan Volkov und Svetlana Aksenova nicht nur toll gesungen, aber vor allem toll gestaltet. Volkov kommt bei seiner Darstellung sein (noch immer) kindhaftes Aussehen zu Gute. Er steht fast den ganzen Abend auf der Bühne, mal still, wie abwesend, in sich und Gwidons Märchenwelt versunken, dann wieder sich ekstatisch bewegend, wenn Gwidon Teil seiner Märchenwelt wird, zum Beispiel als Hummel. Ihm gelingt eine perfekte Symbiose zwischen seinem klaren weichen Tenorgesang und der Darstellung des körperlichen und psychischen Schmerzes des jungen Zarewitsch.

 Svetlana Aksenova als seine Mutter singt mit festem, sicheren Sopran die liebende, aber auch verzweifelte Mutter. In jedem Blick und in jeder Geste drückt sie die Liebe, Fürsorge und Angst um ihren Sohn aus. Der Zuschauer fühlt in jedem Augenblick mit ihr mit.

Olga Kulchynska singt mit glasklarem Sopran die Schwanenprinzessin, Ante Jerkunica mit profundem Bass den Tsar Saltan. Die Geschwister und die Tante sind bei Stine Marie Fischer, Bernarda Bobro und Carole Wilson gut aufgehoben. Auch alle anderen kleineren Rollen integrieren sich perfekt sowohl szenisch als auch gesanglich in das Gesamtbild.

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Foto: © Forster

Einen tollen homogenen Klang kommt aus dem Orchestergraben, wo das Symphonische Orchester der Oper, unter der Leitung von Timur Zangiev, zu großer Form aufläuft. Die Solopassagen der einzelnen Instrumentalisten bestätigen ebenfalls die hohe Qualität des Orchesters.

Auch dem Chor gehört ein großes Lob. Dabei hatte er es nicht immer leicht, da bedingt durch die Enge der Bühne, hat der Regisseur einen Teil des Chores in die Proszeniumlogen platziert. Am Ende des zweiten Aktes singt der Chor von den oberen Rängen herab und der Effekt hierbei ist, im Zusammenspiel mit dem Orchester, umwerfend.

Am Schluss gab es verdientermaßen Jubel und großen Applaus für alle Mitwirkenden.

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